Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 173/66, Bl. 3-6
In Berlin standen sich Ost und West im Kalten Krieg direkt gegenüber. Das führte, besonders in den 50er Jahren, immer wieder zu kleineren Scharmützeln, wie ein Bericht über die Entführung von West-Berliner Polizisten zeigt.
Am 8. Februar 1950 wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mitten in einer heißen Phase des Kalten Krieges gegründet. Vorausgegangen war eine sich verschärfende Konfrontation zwischen den Supermächten USA und UdSSR, die auch in Berlin ihre Auswirkungen zeigte. Ein Beispiel dafür ist die Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion 1948/1949. Die Bevölkerung der abgeriegelten Stadt konnte damals nur über eine von den USA eingerichtete Luftbrücke versorgt werden.
Im Sommer 1950 brach der Korea-Krieg aus, den die beiden Supermächte und China als Stellvertreterkrieg führten. In Europa gab es bis zum Ende des Kalten Krieges keine militärischen Auseinandersetzungen. Kleinere Scharmützel zwischen Ost und West fanden an den Brennpunkten des Kalten Krieges allerdings auch statt, wie ein Bericht der Ost-Berliner Volkspolizei an das MfS zeigt.
Diese hatte, nach einem gescheiterten Versuch, bewaffnete Einheiten der West-Berliner Polizei beim Überschreiten der damals noch relativ frei passierbaren Sektorengrenzen festgenommen. Im Bericht wird die Westberliner Polizei, nach deren Präsident Johannes Stumm, Stummpolizei genannt. Die Volkspolizei handelte im Auftrag der sowjetischen Kontrollkommission (SKK). Die SKK war eine bis 1953 bestehende Institution der sowjetischen Besatzungsmacht zur Überwachung und Anleitung der Führung der DDR. Im Bericht werden die beiden Mitglieder dieses Gremiums Iwan Jelisarow und Wladimir Semjonowitsch Semjonow erwähnt.
Vorausgegangen war offensichtlich eine nicht näher erläuterte Verhaftung von Volkspolizisten durch die West-Berliner Polizei. Im Stile eines Agentenaustausches wurden schlussendlich alle Beteiligten wieder freigelassen.
In der Anlage des Berichtes befindet sich ein Augenzeugenbericht über einen gescheiterten Versuch zur Festnahme von West-Berliner Polizisten am 14. September 1950. Diese sollten durch Provokationen in den Ostsektor (im Text: demokratischer Sektor) der Stadt gelockt und dann festgesetzt werden. Das Unternehmen endete in einem Desaster.
Dienststelle Berlin
Berlin, den 28. September 1950
Herrn Staatssekretär Mielke
Betr.: Vorfall an der Sektorengrenze des französischen Sektors vom 14.9.50.
In der Anlage übersende ich Ihnen den Bericht der Abteilung S zu o.a. Vorgang.
Hierzu ist ergänzend noch folgendes zu sagen:
Der Präsident der Volkspolizei Berlin, Waldemar Schmidt, - erhielt von der SKK den Auftrag, zu versuchen, bewaffnete Stummpolizisten beim Überschreiten der Sektorengrenze festzunehmen. Da die Beobachtung keinerlei Hinweise für die Überschreitung der Sektorengrenze durch Stummpolizisten ergab und die bisher vorgekommenen Fälle im allgemeinen als vereinzelt anzusehen sind, wollte man versuchen, die Stummpolizisten dadurch herüberzulocken, dass man eine Malkolonne aussetzte, die in unmittelbarer Nähe der Sektorengrenze die Strasse mit Parolen beschriften sollte, um dadurch zu erreichen, dass die Stummpolizisten versucht werden, diese Malkolonne festzunehmen.
Die Sektorengrenze wurde von einem Kommando Volkspolizisten in Zivil besetzt, die den Stummpolizisten bei der Verfolgung der Malkolonne sofort den Rückweg abriegeln sollte, um so ihre Festnahme zu ermöglichen. Hierbei wurde noch damit gerechnet, dass die stehenden Posten der Stummpolizei einen Überfall- bezw. Funkwagen alarmieren würden, der in der Verfolgung die ausserordentlich komplizierte Sektorengrenze an der Chaussee- Ecke Liesen Strasse überschreiten würde. Wenige Meter hätten genügt, um die Festnahme durchzuführen.
Dieser Plan scheiterte daran, dass die Stummpolizisten garnicht daran dachten, die Malkolonne, die in ihrer unmittelbaren Nähe auftrat, festzunehmen. Erst durch das aggressive Verhalten der Kolonne den Stummpolizisten gegenüber, wurden diese ebenfalls offensiv. In dem Bericht ist z.B. angegeben, dass ein Angehöriger der Malkolonne die Stummpolizisten aufforderte, wenn er sich selbst nicht traut gegen sie vorzugehen, das Überfall-Kommando anzurufen.
Das Ergebnis dieser Aktion geht dann im übrigen aus dem in der Anlage beigefügten Bericht hervor.
Nachdem die Aktion missglückt war, wurde der Plan aufgegeben und nach Rücksprache des Präsidenten mit Herrn Oberst Jelisarow festgelegt, dass man die Stummpolizisten bei der Durchfahrt durch den demokratischen Sektor aus den Verkehrsmitteln heraus festnehmen wollte, wobei unbedingt Wert darauf gelegt werden sollte, dass die festgenommenen Stummpolizisten Bewohner der Westsektoren sind.
Das Ergebnis dieser Aktion waren 25 festgenommene Stummpolizisten aus dem Westsektor und zwei Stummpolizisten, die im demokratischen Sektor wohnhaft sind.
Nachdem dann am 21.9.50 die von der Stummpolizei festgenommenen Transportpolizisten entlassen wurden und die
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Entführungen, also Verschleppungen im Sinne des Strafrechts (in den Akten auch Überführung ), waren bis in die 70er Jahre elementare Bestandteile in der Strategie und Taktik der DDR-Geheimpolizei.
In dem 1969 von der Juristischen Hochschule des MfS erarbeiteten "Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit" wird das Delikt einer Entführung als "Erscheinungsform von Terrorverbrechen" definiert. "Sie ist das Verbringen von Menschen gegen ihren Willen unter Anwendung spezifischer Mittel und Methoden (Gewalt, Drohung, Täuschung, Narkotika, Rauschmittel u. a.) von ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort in andere Orte, Staaten oder Gebiete." Unbeabsichtigt erfasst diese Definition exakt auch die Entführungen, die das MfS "im Operationsgebiet" verübt hat.
Entführungen entsprachen den Traditionen und Praktiken der sowjetischen "Tschekisten". Nicht zufällig haben Instrukteure und Agenten der KGB-Dependance in Ostberlin bis Mitte der 50er Jahre auch bei Entführungen aus Westberlin und Westdeutschland mit dem MfS eng kooperiert. Entführungen wurden in der Verantwortung jedes der drei Minister für Staatssicherheit durchgeführt, die die DDR unter der Diktatur der SED hatte. Weder Zaisser noch Mielke setzten sie allerdings so planmäßig und aggressiv ein wie Wollweber. Unter seiner Ägide fanden die meisten Entführungen statt – wenn auch unter Mielkes verantwortlicher Mitwirkung.
Die Zuständigkeit für Entführungsaktionen im Apparat der Staatssicherheit ist anhand interner Direktiven, Befehle und Maßnahmenpläne genau bestimmbar. Erstens waren sie stets Chefsache. Der Minister war jeweils in die Pläne zur Vorbereitung und Durchführung einer Verschleppung eingebunden. Die letzte Entscheidung lag bei ihm. Unmittelbar mit Entführungen befasst waren im MfS zweitens die Leiter verschiedener Hauptabteilungen, in deren Diensteinheiten operative Vorgänge zu entsprechenden Zielpersonen bearbeitet wurden. Das konnte die für Spionageabwehr zuständige Hauptabteilung II sein oder die seinerzeitige Hauptabteilung V (seit 1964 Hauptabteilung XX), der u. a. die Bekämpfung "politischer Untergrundarbeit" zugewiesen war. Überläufer aus den bewaffneten Organen wurden von Diensteinheiten der Hauptabteilung I – der sog. Militärabwehr – operativ bearbeitet. Sie alle verfügten zum Zweck grenzüberschreitender Aktionen über geeignete IM und spezielle Einsatzgruppen. Flankierende Hilfsdienste hatten die Hauptabteilung VIII zu leisten, die für Operative Ermittlungen und Festnahmen zuständig war, sowie die für Spionage und aktive Maßnahmen zuständige Hauptverwaltung A.
Die Gesamtzahl der vom MfS versuchten und vollendeten Entführungen ist nach empirischen Untersuchungen, die für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" durchgeführt wurden, auf maximal 700 zu veranschlagen. Die Historikerin Susanne Muhle beziffert sie für die Zeit zwischen 1950 und Mitte der 60er Jahre auf 400 bis 500. Exakte Angaben sind infolge der streng konspirativ abgeschirmten Vorgehensweise des MfS bei Entführungsaktionen nicht möglich. Sie sind im Grunde genommen auch irrelevant. Entscheidend ist, dass Entführungen im Apparat des MfS institutionell verankert waren.
Ganz im Sinne der MfS-spezifischen Definition sind generell drei taktische, manchmal kombinierte Entführungsvarianten zu unterscheiden: Verschleppungen unter Anwendung physischer Gewalt; Verschleppungen unter Anwendung von Betäubungsmitteln sowie Entführungen vermittelst arglistiger Täuschung.
Die Zielgruppen MfS-getätigter Entführungen lassen sich wie folgt umreißen: hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des MfS, die zu "Verrätern" geworden und "zum Klassenfeind übergelaufen" waren; Mitarbeiter westlicher Nachrichtendienste; Mitarbeiter der Ostbüros von SPD, CDU, LDP und DGB sowie der KgU und des UFJ in Westberlin; Überläufer aus der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee; abtrünnige Genossen aus den Reihen der SED; regimekritische Journalisten und westliche Fluchthelfer speziell nach dem 13. August 1961.
Während MfS-extern Entführungen strengster Geheimhaltung unterlagen, wurden sie in den 50er Jahren MfS-intern in Befehlen bekannt gegeben, soweit es sich um "zurückgeholte" Überläufer gehandelt hatte. Potenzielle Nachahmer sollten abgeschreckt werden. Zum Beispiel hieß es in dem Stasi-Befehl 134/55 vom 7. Mai 1955, mit dem intern die Hinrichtung zweier "Verräter" zur Kenntnis gebracht wurde:"Wer aus unseren Reihen Verrat an der Partei, an der Arbeiterklasse und an der Sache des Sozialismus übt, hat die strengste Strafe verdient. Die Macht der Arbeiterklasse ist so groß und reicht so weit, dass jeder Verräter zurückgeholt wird oder ihn in seinem vermeintlich sicheren Versteck die gerechte Strafe ereilt." "Strengste Strafe" hieß unter Umständen Todesstrafe. In mindestens 20 Fällen ist sie gegen Entführungsopfer verhängt und vollstreckt worden. Zumeist wurden langjährige Freiheitsstrafen ausgesprochen. Nicht wenige Entführungsopfer sind in der Haft verstorben – in Einzelfällen durch Suizid.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 173/66, Bl. 3-6
In Berlin standen sich Ost und West im Kalten Krieg direkt gegenüber. Das führte, besonders in den 50er Jahren, immer wieder zu kleineren Scharmützeln, wie ein Bericht über die Entführung von West-Berliner Polizisten zeigt.
Am 8. Februar 1950 wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mitten in einer heißen Phase des Kalten Krieges gegründet. Vorausgegangen war eine sich verschärfende Konfrontation zwischen den Supermächten USA und UdSSR, die auch in Berlin ihre Auswirkungen zeigte. Ein Beispiel dafür ist die Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion 1948/1949. Die Bevölkerung der abgeriegelten Stadt konnte damals nur über eine von den USA eingerichtete Luftbrücke versorgt werden.
Im Sommer 1950 brach der Korea-Krieg aus, den die beiden Supermächte und China als Stellvertreterkrieg führten. In Europa gab es bis zum Ende des Kalten Krieges keine militärischen Auseinandersetzungen. Kleinere Scharmützel zwischen Ost und West fanden an den Brennpunkten des Kalten Krieges allerdings auch statt, wie ein Bericht der Ost-Berliner Volkspolizei an das MfS zeigt.
Diese hatte, nach einem gescheiterten Versuch, bewaffnete Einheiten der West-Berliner Polizei beim Überschreiten der damals noch relativ frei passierbaren Sektorengrenzen festgenommen. Im Bericht wird die Westberliner Polizei, nach deren Präsident Johannes Stumm, Stummpolizei genannt. Die Volkspolizei handelte im Auftrag der sowjetischen Kontrollkommission (SKK). Die SKK war eine bis 1953 bestehende Institution der sowjetischen Besatzungsmacht zur Überwachung und Anleitung der Führung der DDR. Im Bericht werden die beiden Mitglieder dieses Gremiums Iwan Jelisarow und Wladimir Semjonowitsch Semjonow erwähnt.
Vorausgegangen war offensichtlich eine nicht näher erläuterte Verhaftung von Volkspolizisten durch die West-Berliner Polizei. Im Stile eines Agentenaustausches wurden schlussendlich alle Beteiligten wieder freigelassen.
In der Anlage des Berichtes befindet sich ein Augenzeugenbericht über einen gescheiterten Versuch zur Festnahme von West-Berliner Polizisten am 14. September 1950. Diese sollten durch Provokationen in den Ostsektor (im Text: demokratischer Sektor) der Stadt gelockt und dann festgesetzt werden. Das Unternehmen endete in einem Desaster.
und die 6 Volkspolizisten aus Halle/Merseburg vor dem amerikanischen Militärgericht freigesprochen waren, erhielt Waldemar Schmidt von Semjonov die Anweisung, sofort die Stummpolizisten zu entlassen.
Am 21.9.50 um 16.00 Uhr erfolgte dann der Austausch der Stummpolizisten gegen die 6 Volkspolizisten am sowjetischen Ehrenmal am Brandenburger Tor.
Mit den durch die Volkspolizei festgenommenen Stummpolizisten wurde durch die PK - Abteilung politisch gearbeitet. Das Ergebnis war der im "Neuen Deutschland" veröffentlichte, an Dr. Stumm gerichtete Brief, der von allen Stummpolizisten ohne Zögern unterschrieben wurde.
Unsere Überprüfung der Maßnahmen, die die Stummpolizei mit den 53 Volkspolizisten durchgeführt hat, ergab folgendes:
Von den 53 Volkspolizisten waren 51 Angehörige der Transportpolizei, einer war vom VP - Revier 4, ein anderer gehörte zum Betriebsschutz Bergmann-Borsig.
Der VP - Kommissar [geschwärzt] von der Transportpolizei war als einziger der Festgenommenen im Besitz einer Waffe und wurde von der Friesenstrasse zur französischen Kommandantur zur Vernehmung geholt.
Nach unseren Feststellungen befand er sich ca. 3 Stunden, incl. Fahrweg von der Friesenstrasse nach Frohnau und zurück, ausserhalb der Gemeinschaft der festgenommenen Volkspolizisten.
Auf der französischen Kommandantur sollen dem [geschwärzt] Fragen nach der Bewaffnung der TRAPO, nach seiner politischen Einstellung und nach den Gründen der Änderung der Leitung der TRAPO gestellt worden sein. Zu Punkt 1 und 2 will [geschwärzt] unmissverständliche, klare Antworten gegeben haben, die dem Franzosen von vornherein die Ergebnislosigkeit ihrer Untersuchung klar werden liessen. Über die Änderung der Leitung der TRAPO will er sich überhaupt nicht geäussert haben, da er als VP-Kommissar nicht imstande wäre, die Gründe dieser Änderung zu erfahren. Die Franzosen sollen dann versucht haben, mit ihm zu diskutieren über die Rolle der westlichen Besatzungsmächte in Deutschland. Auf Grund seiner klaren Haltung soll diese Diskussion kurzerhand abgebrochen sein und er wurde wieder zur Friesenstrasse zurücktransportiert. Der Besitz der Waffe konnte ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er sich nachweisbar im Dienst befand.
Im übrigen wurde von den Kameraden übereinstimmend erklärt, dass sie lediglich von Kriminalpolizisten vernommen wurden, wobei ihnen die Frage gestellt wurde, wo und warum sie festgenommen und wie sie selbst über ihre Festnahme denken.
Da sie fast alle aus der S-Bahn herausgeholt wurden, erklärten sie übereinstimmend, dass die Festnahme rechtswidrig und ohne Grund durchgeführt worden sei.
Herauszuheben ist, dass alle Volkspolizisten die Essenannahme verweigerten und dass ihre Haltung in jedem Falle als diszipliniert und bewusst bezeichnet werden kann.
VP - Kommissar [geschwärzt] hat nach den Aussagen der Kameraden sofort das Vertrauen aller Festgenommenen besessen und es verstanden, sie während der Zeit ihrer Inhaftierung politisch zu führen und einheitlich zu lenken.
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Entführungen, also Verschleppungen im Sinne des Strafrechts (in den Akten auch Überführung ), waren bis in die 70er Jahre elementare Bestandteile in der Strategie und Taktik der DDR-Geheimpolizei.
In dem 1969 von der Juristischen Hochschule des MfS erarbeiteten "Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit" wird das Delikt einer Entführung als "Erscheinungsform von Terrorverbrechen" definiert. "Sie ist das Verbringen von Menschen gegen ihren Willen unter Anwendung spezifischer Mittel und Methoden (Gewalt, Drohung, Täuschung, Narkotika, Rauschmittel u. a.) von ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort in andere Orte, Staaten oder Gebiete." Unbeabsichtigt erfasst diese Definition exakt auch die Entführungen, die das MfS "im Operationsgebiet" verübt hat.
Entführungen entsprachen den Traditionen und Praktiken der sowjetischen "Tschekisten". Nicht zufällig haben Instrukteure und Agenten der KGB-Dependance in Ostberlin bis Mitte der 50er Jahre auch bei Entführungen aus Westberlin und Westdeutschland mit dem MfS eng kooperiert. Entführungen wurden in der Verantwortung jedes der drei Minister für Staatssicherheit durchgeführt, die die DDR unter der Diktatur der SED hatte. Weder Zaisser noch Mielke setzten sie allerdings so planmäßig und aggressiv ein wie Wollweber. Unter seiner Ägide fanden die meisten Entführungen statt – wenn auch unter Mielkes verantwortlicher Mitwirkung.
Die Zuständigkeit für Entführungsaktionen im Apparat der Staatssicherheit ist anhand interner Direktiven, Befehle und Maßnahmenpläne genau bestimmbar. Erstens waren sie stets Chefsache. Der Minister war jeweils in die Pläne zur Vorbereitung und Durchführung einer Verschleppung eingebunden. Die letzte Entscheidung lag bei ihm. Unmittelbar mit Entführungen befasst waren im MfS zweitens die Leiter verschiedener Hauptabteilungen, in deren Diensteinheiten operative Vorgänge zu entsprechenden Zielpersonen bearbeitet wurden. Das konnte die für Spionageabwehr zuständige Hauptabteilung II sein oder die seinerzeitige Hauptabteilung V (seit 1964 Hauptabteilung XX), der u. a. die Bekämpfung "politischer Untergrundarbeit" zugewiesen war. Überläufer aus den bewaffneten Organen wurden von Diensteinheiten der Hauptabteilung I – der sog. Militärabwehr – operativ bearbeitet. Sie alle verfügten zum Zweck grenzüberschreitender Aktionen über geeignete IM und spezielle Einsatzgruppen. Flankierende Hilfsdienste hatten die Hauptabteilung VIII zu leisten, die für Operative Ermittlungen und Festnahmen zuständig war, sowie die für Spionage und aktive Maßnahmen zuständige Hauptverwaltung A.
Die Gesamtzahl der vom MfS versuchten und vollendeten Entführungen ist nach empirischen Untersuchungen, die für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" durchgeführt wurden, auf maximal 700 zu veranschlagen. Die Historikerin Susanne Muhle beziffert sie für die Zeit zwischen 1950 und Mitte der 60er Jahre auf 400 bis 500. Exakte Angaben sind infolge der streng konspirativ abgeschirmten Vorgehensweise des MfS bei Entführungsaktionen nicht möglich. Sie sind im Grunde genommen auch irrelevant. Entscheidend ist, dass Entführungen im Apparat des MfS institutionell verankert waren.
Ganz im Sinne der MfS-spezifischen Definition sind generell drei taktische, manchmal kombinierte Entführungsvarianten zu unterscheiden: Verschleppungen unter Anwendung physischer Gewalt; Verschleppungen unter Anwendung von Betäubungsmitteln sowie Entführungen vermittelst arglistiger Täuschung.
Die Zielgruppen MfS-getätigter Entführungen lassen sich wie folgt umreißen: hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des MfS, die zu "Verrätern" geworden und "zum Klassenfeind übergelaufen" waren; Mitarbeiter westlicher Nachrichtendienste; Mitarbeiter der Ostbüros von SPD, CDU, LDP und DGB sowie der KgU und des UFJ in Westberlin; Überläufer aus der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee; abtrünnige Genossen aus den Reihen der SED; regimekritische Journalisten und westliche Fluchthelfer speziell nach dem 13. August 1961.
Während MfS-extern Entführungen strengster Geheimhaltung unterlagen, wurden sie in den 50er Jahren MfS-intern in Befehlen bekannt gegeben, soweit es sich um "zurückgeholte" Überläufer gehandelt hatte. Potenzielle Nachahmer sollten abgeschreckt werden. Zum Beispiel hieß es in dem Stasi-Befehl 134/55 vom 7. Mai 1955, mit dem intern die Hinrichtung zweier "Verräter" zur Kenntnis gebracht wurde:"Wer aus unseren Reihen Verrat an der Partei, an der Arbeiterklasse und an der Sache des Sozialismus übt, hat die strengste Strafe verdient. Die Macht der Arbeiterklasse ist so groß und reicht so weit, dass jeder Verräter zurückgeholt wird oder ihn in seinem vermeintlich sicheren Versteck die gerechte Strafe ereilt." "Strengste Strafe" hieß unter Umständen Todesstrafe. In mindestens 20 Fällen ist sie gegen Entführungsopfer verhängt und vollstreckt worden. Zumeist wurden langjährige Freiheitsstrafen ausgesprochen. Nicht wenige Entführungsopfer sind in der Haft verstorben – in Einzelfällen durch Suizid.
Die Gründung der Transportpolizei (Trapo) in der DDR ging auf eine Anordnung des Alliierten Kontrollrats vom 10.5.1946 zurück, in Deutschland zur Kontrolle des Bahnverkehrs spezielle Polizeieinheiten aufzustellen. In der SBZ war ab Juli 1946 die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) für diese Aufgabe zuständig. Sie verfügte 1947 die Gründung einer Eisenbahnschutz- wie einer Eisenbahnkriminalpolizei und ließ acht Bahnpolizeiämter mit zusammen 5470 Beschäftigten einrichten. Kompetenzabgrenzungen zur Deutschen Reichsbahn (DR) führten im Betriebsalltag häufig zu Konflikten. Die ihr zugewiesene Aufgabe war es, für Ruhe, Ordnung und Disziplin auf dem Bahngelände zu sorgen sowie Diebstahl und Zerstörung zu verhindern. Im Mai 1949 wurde die Sollstärke der Bahnpolizei auf 7400 Bedienstete angehoben. Gebremst wurde der Aufbau durch die zeitgleich einsetzenden politischen Säuberungen im öffentlichen Dienst. Umstritten blieben die Befugnisse der östlichen Bahnpolizei in Westberlin. Aufgrund der Vereinbarungen der Siegermächte war sie auch für die Überwachung des Betriebsgeländes dort zuständig. Immer wieder kam es zu Konflikten mit der westlichen Schutzpolizei. Eine deutliche organisatorische Aufwertung erfuhr die Bahnpolizei, als Kurt Fischer, der Präsident der DVdI, 1949 im Rahmen der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei die Bildung einer HA Transportpolizei anordnete, die mit der Bildung des MdI im Oktober 1949 weiterbestand. Die wichtigsten Aufgaben der Trapo waren anfangs, für die sichere Weiterleitung der Reparationsgüter in die Sowjetunion zu sorgen und gegen Schwarzhändler vorzugehen. Darüber hinaus überwachte sie den gesamten Personenverkehr auf der Schiene und war in diesem Zusammenhang zunehmend in die Bekämpfung der Republikflucht eingebunden. Die Trapo stand von 1950 bis 1957 unter dem Kommando von Otto Auerswald. Zur Jahreswende 1952/53 wurde sie dem MfS unterstellt, wo sie weiterhin eine eigene HA bildete. Die Zahl der Trapobediensteten stieg rasch an und erreichte 1954 mit 8900 einen vorläufigen Höchststand. Ab Mitte der 50er Jahre konnte die Trapo auf ehrenamtliche Unterstützungskräfte zurückgreifen, die freiwilligen Helfer der Transportpolizei und die Kampfgruppen. Nach dem 17. Juni 1953 durchlief der Polizeiapparat der DDR einen Militarisierungsprozess, von dem auch die Transportpolizei betroffen war. Zu ihrer Ausrüstung gehörten nun neben Pistolen auch Karabiner und Maschinengewehre. Im Herbst 1956 wurde die HA Transportpolizei mit der Grenz- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit im MfS zusammengefasst. Schon im Februar 1957 änderte sich das Unterstellungsverhältnis wieder. Die Trapo wurde jetzt zusammen mit den beiden anderen Polizeiverbänden der HV Innere Sicherheit wieder dem MdI zugeordnet. Doch blieb das MfS durch eine Vielzahl von OibE und IM präsent. Verschoben hatten sich die Aufgabenschwerpunkte. Sie sollte die Auf- und Durchmarschwege des Warschauer Pakts in der DDR sichern und befasste sich überwiegend mit Objektschutz. Nur im Transitverkehr wurden noch Zugbegleitkommandos eingesetzt. Der Personalbestand ging in den 60er Jahren leicht zurück und belief sich 1967 auf 6900 Bedienstete. Nach Einführung der Wehrpflicht 1962 wurde der Dienst bei der Trapo als Wehrersatzdienst anerkannt. Bei ihrer Auflösung am 30.9.1990 zählte sie 6400 Mitarbeiter, von denen 1700 in den Dienst der Deutschen Bundesbahn übernommen wurden. Diese beschäftigte – zum Vergleich – bis zu diesem Zeitpunkt nur 2700 Bahnpolizisten.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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Bericht über das Auftreten von Karl-Heinz Kurras bei der Wache des Zentralkomitees der SED Dokument, 3 Seiten
"Vorschlag zur Anwerbung" von Karl-Heinz Kurras als "Geheimer Mitarbeiter" Dokument, 4 Seiten
Haftbefehl gegen einen Arbeiter aus West-Berlin wegen eines Angriffs auf Volkspolizisten Dokument, 1 Seite