Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 1838, Bl. 1-40
Die Direktive 1/67 regelte die Aufgaben des MfS im Mobilmachungsfall. Besonders brisant ist dabei die geplante Inhaftierung von Oppositionellen in Isolierungslagern.
In den 60er Jahre spitzte sich der Ost-West-Konflikt immer wieder zu. Der Bau der Berliner Mauer und die Kubakrise lösten eine neue Eiszeit zwischen den beiden Supermächten aus und beschleunigten das Wettrüsten. Der Nationale Verteidigungsrat der DDR (NVR) lies vor diesem Hintergrund im Januar 1967 zentrale Anweisungen für Verteidigungszustand erarbeiten. Willi Stoph, als Vorsitzender des Ministerrates der DDR war gemeinsam mit dem Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, und dem Minister für Staatssicherheit, Generaloberst Erich Mielke, dafür verantwortlich, bis Ende Juli die erforderlichen Direktiven zu erlassen.
Mielke kam dieser Aufgabe nach und erließ die vorliegende Direktive 1/67, die alle zentralen Aufgaben und Tätigkeiten, die das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) im Mobilmachungs- und Ernstfall übernehmen sollte, umriss und die dafür notwendigen Vorbereitungen anwies. Bis Ende 1989 bildete diese zentrale Anweisung die Grundlage für das MfS, dessen Hauptaufgabe im Kriegsfall darin bestehen sollte, die staatliche Sicherheit weiterhin zu gewährleisten. Festgelegt wurden ebenfalls die Leitungsprinzipien und die Zusammenarbeit mit den anderen bewaffneten Organen der DDR.
Besondere Bedeutung hat diese Vorschrift, weil im Verteidigungsfall Oppositionelle verhaftet und isoliert werden sollten. Dies wurde im Kennziffernsystem der Direktive unter Punkt 4 als "Vorbeugekomplex" bezeichnet.
Genauere Angaben zu den geplanten Isolierungslagern sind in der ersten Durchführungsbestimmung zur Direktive ausgeführt. Insgesamt existieren eine Stabsdienstvorschrift und fünf ergänzende Durchführungsbestimmungen zur Direktive 1/67.
1.8 Die Arbeitsgruppe des Ministers ist das zentrale Mobilmachungsorgan des Ministeriums für Staatssicherheit. Sie ist für alle Fragen der zentralen Planung, Organisation, Koordinierung und Kontrolle der Mobilmachungsarbeit zuständig.
Die Arbeitsgruppe des Ministers hat alle grundsätzlichen Fragen zu koordinieren, die im Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen geregelt werden müssen.
1.9 In den Hauptverwaltungen, Haupt- und selbständigen Abteilungen, Bezirksverwaltungen (Verwaltungen) sind Arbeitsgruppen für Mobilmachungsplanung in einer Stärke von ein bis vier Mitarbeitern zu bilden.
Im Wachregiment des Ministeriums für Staatssicherheit ist innerhalb des Stabes eine strukturmäßige Arbeitsgruppe Mobilmachungsplanung zu schaffen.
In den Kreisdienststellen des Ministeriums für Staatssicherheit sind ständige Beauftragte für Mobilmachungsplanung zu benennen und durch den Leiter der Bezirksverwaltung (Verwaltung) zu bestätigen.
Der zahlenmäßigen Stärke der Arbeitsgruppen Mobilmachungsplanung ist der unterschiedliche Umfang der zu lösenden Mobilmachungsarbeiten zugrunde zu legen,und sie ist von den Diensteinheiten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe des Ministers und der Hauptabteilung Kader und Schulung festzulegen.
Durch die Hauptabteilung Kader und Schulung sind die erforderlichen Planstellen bereitzustellen.
2. Ziel und Umfang der Mobilmachungsarbeit
2.1 Die Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ist mit dem Ziel der Schaffung allseitiger Voraussetzungen zu organisieren, die im Mobilmachungsfall bzw. bei Verkündung des Verteidigungszustandes einen planmäßigen, geordneten Übergang auf die Struktur, die Stellenpläne und Ausrüstungsnachweise des Verteidigungszustandes sowie eine rasche Umstellung und Ausrichtung der politisch-operativen Arbeit auf die Bedingungen des Verteidigungszustandes garantieren.
Die Voraussetzungen zur Gewährleistung der Zielstellung der Mobilmachungsarbeit werden
durch Inhalt und Umfang der Mobilmachung und der Mobilmachungsbereitschaft des Ministeriums für Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten bestimmt (siehe Ziffer 1.1 und 1.6).
2.2 Grundlage der Planung und Organisation der Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten sind die Befehle, Direktiven und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit und die dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen.
Die Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten ist in folgenden Richtungen zu planen und zu organisieren und in Mobilmachungsdokumenten festzulegen:
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
1953 entstanden durch Umbenennung der Hauptabteilung / Abteilung Personal; zuletzt unterteilt in die Bereiche Kader, Schulung und Disziplinar. Aufgaben: Auswahl, Einstellung, Schulung und Betreuung der MfS-Mitarbeiter, inkl. Versetzungen und Entlassungen von Angehörigen aus dem Dienst des MfS sowie Disziplinararbeit und Gewährleistung der inneren Sicherheit im MfS.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 1838, Bl. 1-40
Die Direktive 1/67 regelte die Aufgaben des MfS im Mobilmachungsfall. Besonders brisant ist dabei die geplante Inhaftierung von Oppositionellen in Isolierungslagern.
In den 60er Jahre spitzte sich der Ost-West-Konflikt immer wieder zu. Der Bau der Berliner Mauer und die Kubakrise lösten eine neue Eiszeit zwischen den beiden Supermächten aus und beschleunigten das Wettrüsten. Der Nationale Verteidigungsrat der DDR (NVR) lies vor diesem Hintergrund im Januar 1967 zentrale Anweisungen für Verteidigungszustand erarbeiten. Willi Stoph, als Vorsitzender des Ministerrates der DDR war gemeinsam mit dem Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, und dem Minister für Staatssicherheit, Generaloberst Erich Mielke, dafür verantwortlich, bis Ende Juli die erforderlichen Direktiven zu erlassen.
Mielke kam dieser Aufgabe nach und erließ die vorliegende Direktive 1/67, die alle zentralen Aufgaben und Tätigkeiten, die das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) im Mobilmachungs- und Ernstfall übernehmen sollte, umriss und die dafür notwendigen Vorbereitungen anwies. Bis Ende 1989 bildete diese zentrale Anweisung die Grundlage für das MfS, dessen Hauptaufgabe im Kriegsfall darin bestehen sollte, die staatliche Sicherheit weiterhin zu gewährleisten. Festgelegt wurden ebenfalls die Leitungsprinzipien und die Zusammenarbeit mit den anderen bewaffneten Organen der DDR.
Besondere Bedeutung hat diese Vorschrift, weil im Verteidigungsfall Oppositionelle verhaftet und isoliert werden sollten. Dies wurde im Kennziffernsystem der Direktive unter Punkt 4 als "Vorbeugekomplex" bezeichnet.
Genauere Angaben zu den geplanten Isolierungslagern sind in der ersten Durchführungsbestimmung zur Direktive ausgeführt. Insgesamt existieren eine Stabsdienstvorschrift und fünf ergänzende Durchführungsbestimmungen zur Direktive 1/67.
Maßnahmen der Umstellung und Ausrichtung der politisch-operativen Arbeit auf die Erfordernisse des Verteidigungszustandes, der Umgruppierung und des Einsatzes der Mitarbeiter in den entscheidenden Hauptrichtungen und Schwerpunkten der politisch-operativen Arbeit sowie der Präzisierung der operativen Aufgabenstellung unter den veränderten Lagebedingungen
Maßnahmen der Ausrichtung der inoffiziellen Arbeit auf die Erfordernisse des Verteidigungszustandes, der Konzentrierung und des qualitativen Ausbaus des inoffiziellen Netzes, der operativ-technischen Einrichtungen und Mittel in den entscheidenden Hauptrichtungen und Schwerpunkten der politisch-operativen Arbeit
spezifische operative Vorbeugungsmaßnahmen
Maßnahmen zur Gewährleistung eines laufenden politisch-operativen Informationsflusses entsprechend dem Befehl 299/65 des Ministers für Staatssicherheit und dazu erlassener zusätzlicher Bestimmungen
Maßnahmen zur Entfaltung der Führungs- und Organisationsstruktur
Maßnahmen der Entfaltung der operativen Ausweichführungsstellen (-punkte) und der rechtzeitigen Herstellung ihrer Arbeitsbereitschaft
Maßnahmen der Vorbereitung von Verlegungen des Mitarbeiterbestandes in die geplanten Einsatzräume und Ausweichräume, der dezentralisierten Unterbringung und Sicherung
Maßnahmen zur Sicherung der operativen Dokumentationen und Materialien
Maßnahmen zur Sicherstellung der geplanten personellen Ergänzung der bestehenden und der personellen Entfaltung der zu bildenden zusätzlichen Diensteinheiten
Maßnahmen zur Sicherstellung der geplanten materiellen Ergänzung, der Bildung materieller Reserven und zur Erhaltung ihrer ständigen Einsatzbereitschaft
Maßnahmen zur Gewährleistung der laufenden Versorgung
Maßnahmen der nachrichtentechnischen und medizinischen Sicherstellung sowie des Schutzes vor Massenvernichtungsmitteln
Maßnahmen zur Sicherung und Verteidigung der Dienstobjekte
Maßnahmen zur Gewährleistung eines reibungslos funktionierenden Alarmierungs- und Benachrichtigungssystems auf der Grundlage der Alarmordnung des Ministeriums für Staatssicherheit.
2.3 Im Rahmen der Mobilmachungsarbeit des Ministeriums für Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten sind Maßnahmen zu planen und zu organisieren, die die politische Arbeit entsprechend der Aufgabenstellung und den Bedingungen des Verteidigungszustandes gewährleisten.
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 1838, Bl. 1-40
Die Direktive 1/67 regelte die Aufgaben des MfS im Mobilmachungsfall. Besonders brisant ist dabei die geplante Inhaftierung von Oppositionellen in Isolierungslagern.
In den 60er Jahre spitzte sich der Ost-West-Konflikt immer wieder zu. Der Bau der Berliner Mauer und die Kubakrise lösten eine neue Eiszeit zwischen den beiden Supermächten aus und beschleunigten das Wettrüsten. Der Nationale Verteidigungsrat der DDR (NVR) lies vor diesem Hintergrund im Januar 1967 zentrale Anweisungen für Verteidigungszustand erarbeiten. Willi Stoph, als Vorsitzender des Ministerrates der DDR war gemeinsam mit dem Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, und dem Minister für Staatssicherheit, Generaloberst Erich Mielke, dafür verantwortlich, bis Ende Juli die erforderlichen Direktiven zu erlassen.
Mielke kam dieser Aufgabe nach und erließ die vorliegende Direktive 1/67, die alle zentralen Aufgaben und Tätigkeiten, die das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) im Mobilmachungs- und Ernstfall übernehmen sollte, umriss und die dafür notwendigen Vorbereitungen anwies. Bis Ende 1989 bildete diese zentrale Anweisung die Grundlage für das MfS, dessen Hauptaufgabe im Kriegsfall darin bestehen sollte, die staatliche Sicherheit weiterhin zu gewährleisten. Festgelegt wurden ebenfalls die Leitungsprinzipien und die Zusammenarbeit mit den anderen bewaffneten Organen der DDR.
Besondere Bedeutung hat diese Vorschrift, weil im Verteidigungsfall Oppositionelle verhaftet und isoliert werden sollten. Dies wurde im Kennziffernsystem der Direktive unter Punkt 4 als "Vorbeugekomplex" bezeichnet.
Genauere Angaben zu den geplanten Isolierungslagern sind in der ersten Durchführungsbestimmung zur Direktive ausgeführt. Insgesamt existieren eine Stabsdienstvorschrift und fünf ergänzende Durchführungsbestimmungen zur Direktive 1/67.
3. Grundsätze der politisch-operativen Führung und die Führungs- und Organisationsstruktur im Verteidigungszustand
3.1 Grundsätze der politisch-operativen Führung
3.1.1 Ein wesentlicher Faktor zur erfolgreichen Durchführung der im Verteidigungszustand gestellten Aufgaben ist die Organisation und Sicherstellung der politisch-operativen Führung unter den veränderten Lagebedingungen.
Die Führungsstruktur und die Organisation der Führungsprozesse haben sowohl einer straffen, ununterbrochenen zentralen Führung im Gesamtbereich des Ministeriums für Staatssicherheit als auch einer zeitweisen selbständigen Führung auf den nachgeordneten Ebenen zu entsprechen.
Von der Funktionsfähigkeit der politisch-operativen Führung auf allen Ebenen wird maßgeblich die Wirksamkeit der organisatorischen und politisch-operativen Maßnahmen bei der Entfaltung des Ministeriums für Staatssicherheit in der Periode der Mobilmachung bzw. im Verteidigungszustand und die Entwicklung einer zielstrebigen politisch-operativen Arbeit unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes bestimmt.
3.1.2 Voraussetzung für eine initiativvolle politisch-operative Führung ist die konsequente Durchsetzung gegebener Befehle und Weisungen, das ständige Kennen der politisch-operativen Situation und allgemeinen Lage, das rechtzeitige Reagieren auf ihre Veränderungen, das Präzisieren vorher getroffener Entscheidungen oder die Erteilung neuer Befehle und Weisungen in Übereinstimmung mit den Veränderungen in der politisch-operativen Situation bzw. allgemeinen Lage.
Im Falle plötzlicher Lageveränderungen hat jeder Leiter in voller persönlicher Verantwortlichkeit, auf eigene Initiative, den veränderten Lagebedingungen entsprechende Entscheidungen zu treffen und konsequent danach zu handeln.
Von wichtigen Entscheidungen ist der zuständige Vorgesetzte nachträglich zu unterrichten.
3.1.3 Die Gewährleistung einer ununterbrochenen politisch-operativen Führung erfordert:
- die rasche Entfaltung der operativen Ausweichführungsstellen (-punkte) und die rechtzeitige Herstellung ihrer Arbeitsbereitschaft
- die Sicherstellung von Voraussetzungen, die sowohl von den operativen Ausweichführungs-stellen (-punkten) als auch von den operativen Reserveausweichführungsstellen die politisch-operative Führung garantieren
- ein ständig funktionsfähiges Verbindungssystem einen kontinuierlichen Informationsfluß.
3.1.4 Die ständige Funktionsfähigkeit der politisch-operativen Führung beim Übergang vom Friedenszustand auf den Verteidigungszustand und unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes setzt voraus:
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Durchführungsbestimmung Nr. 1 zur Direktive 1/67 über die spezifisch-operative Mobilmachungsarbeit im MfS Dokument, 26 Seiten
Sicherungskonzeption für das Stasi-Krankenhaus Berlin-Buch Dokument, 22 Seiten
Dissertation "Die Planung der politisch-operativen Arbeit im Ministerium für Staatssicherheit" Dokument, 298 Seiten
Personalkarte zu einem nach Direktive 1/67 zu isolierenden DDR-Bürgers Dokument, 2 Seiten