Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 9, Bl. 238-260
Einschätzung der Grenzsicherung sowie der Grenztruppen im Kreis Lobenstein (Bezirk Gera) aus dem Jahr 1960. Die "grüne Grenze" hatte hier noch erhebliche Lücken.
Die innerdeutsche Grenze war die Nahtstelle der verfeindeten Systeme – weswegen die DDR-Führung die Grenzanlagen immer weiter ausbauen wollte. Bereits im Mai 1952 wurde ein rund 5 Kilometer breiter Streifen entlang der innerdeutsche Grenze abgeriegelt. Unmittelbar hinter der Demarkationslinie wies die Stasi an, einen 10 Meter breiten Kontrollstreifen einzurichten, gefolgt von einem 500 Meter breiten Schutzstreifen und einem rund 5 Kilometer breiten Sperrgebiet.
Ziel dieser und einer Reihe weiterer Maßnahmen war es, die Flucht von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik zu verhindern. Unpopuläre Schritte wie die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft verleiteten jedoch immer mehr Menschen zur Flucht. Diese "Republikflucht" zu bekämpfen betrachtete die Stasi als eine ihrer wichtigsten Aufgaben.
Das vorliegende Dokument aus dem Jahr 1960 zeigt beispielhaft am Kreis Lobenstein (Bezirk Gera) die damalige Lage an der Grenze. Die "grüne Grenze" hatte auch hier noch erhebliche Lücken, unwegsames Gelände erschwerte die Kontrolle über das Grenzgebiet. Darüber hinaus werden in dem Dokument einzelne Kompanien der Grenztruppen und die Zuverlässigkeit der leitendenden Offiziere bewertet. Der oder die Verfasser unterbreiteten auch Vorschläge, wie die Grenzsicherung verbessert werden könnte.
Unterkunft der Kompanie: Baracke (winterfest)
Verpflegung: gut
Der poltische-moralische Zustand der Kompanie ist als gut einzuschätzen. Die Soldaten haben ein gutes militärisches Auftreten und sind in ihrer Dienstdurchführung wachsam. Die Arbeit der FDJ und Parteiorganisation muß noch verbessert werden, da der FDJ-Sekretär, welcher Offizier der DGP ist, nicht mit guten Beispiel vorangeht und bei ihn desöfteren Entpflichtungsgedanken auftreten. Die Einsatzbereitschaft der Kompanie ist gewährleistet.
Dessertationen traten im Jahre 1959/60 nicht auf.
Kompanie Brennersgrün:
Kompanieführer: Leutnant [geschwärzt]:
Obengenannter ist ca. 30 Jahre alt. Seine Führungstätigkeit kann nicht als zufriedenstellend eingeschätzt werden. Als Einzelleiter ist er nicht in der Lage, die Situationen richtig einzuschätzen.
Die Verbindung zu den Soldaten ist gut, ebenfalls tritt er nicht überheblich auf. Seine Einstellung zur Partei und Regierung kann als positiv bezeichnet werden. In moralischer Hinsicht ist über ihn nichts Nachteiliges bekannt. Verbindungen nach WD, WB sowie das kapitalistische Ausland bestehen nicht. [geschwärzt] braucht von der vorgesetzten Dienststelle noch eine gute Anleitung, um seinen gestellten Aufgaben gerecht zu werden.
Politstellvertreter: Obfdw. [geschwärzt]:
Obengenannter ist ca. 26 Jahre alt. Seine Einstellung zur Partei und Regierung ist positiv. Er leistet eine gute politische Arbeit und ist in der Lage, bei Abwesenheit des Kompanieführers diesen zu ersetzen. Er besitzt eine gute Autorität bei den Soldaten. Seine Befehle und Anweisungen werden ohne Diskussion ausgeführt. Sein Verhältnis zuden Soldaten ist ausgezeichnet. In moralischer Hinsicht ist über ihn nichts Nachteiliges bekannt.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Das MfS verstand unter Grenzsicherung Maßnahmen der DDR an ihrer Grenze zur Bundesrepublik und zu Westberlin sowie zum angrenzenden Territorium, um die gewünschte Ordnung durchzusetzen und Störungen, einschließlich Fluchtversuche, abzuwenden. Dagegen wurden die Maßnahmen an den Grenzen zur CSSR und zur VR Polen als Grenzüberwachung bezeichnet.
Zur unmittelbaren Grenzsicherung eingesetzt waren die Grenztruppen (bis 1961 Deutsche Grenzpolizei) und ihre Freiwilligen Helfer, die Grenzbrigade Küste der Volksmarine, Mitarbeiter der Deutschen Volkspolizei und ihre Freiwilligen Helfer, Mitarbeiter der Zollverwaltung, Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes und ihre inoffiziellen Mitarbeiter. Eine mittelbare Verantwortlichkeit lag bei den örtlichen Räten, die vielfältige organisatorische Maßnahmen sicherzustellen hatten.
1952/53 und 1956 war die Grenzpolizei dem MfS jeweils für mehrere Monate unterstellt. Am 27.5.1952 erließ daher der Minister für Staatssicherheit eine "Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie". Das MfS-Statut von 1969 zählte den Schutz der "Staatsgrenze mit spezifischen Mitteln und Methoden" zur Hauptaufgabe des MfS. Spätestens seit dem Mauerbau 1961 wurde der Staatssicherheitsdienst eingebunden in ein einheitliches, immer komplexeres System zur Verhinderung von Fluchten in die Bundesrepublik bzw. nach Westberlin (Republikflucht), auch über die Ostsee, und zum Schutz der Staatsgrenze bis hin zur Klärung von Vorkommnissen im Grenzgebiet.
Das MfS beteiligte sich mit eigenen Kräften an der Grenzsicherung (zum Beispiel durch die Passkontrolleinheiten und die Kontrolle neuralgischer Punkte wie der Berliner Kanalisation), wirkte mit den anderen Einrichtungen zusammen, überwachte sie zugleich und trug die letzte Hauptverantwortung. Dabei wurden über die reine Grenzsicherung hinaus das gesamte Grenzgebiet und seine Zugänge kontrolliert. Im MfS lag die Verantwortung für Grenzsicherheit bei einem stellvertretenden Minister, zuletzt bei Gerhard Neiber.
Für das Funktionieren der eigentlichen Grenzsicherung durch Grenztruppen und die Grenzbrigade Küste war im MfS seit 1953 die Hauptabteilung I (HA I) zuständig. Keinesfalls sollten Grenzsoldaten zum Einsatz kommen, die sich weigerten, auf Flüchtende zu schießen, oder bei denen Fluchtgefahr bestand. Hierfür bot ein differenziertes System der Personalauswahl die Gewähr. Schon eine Musterung für die Grenztruppen war nur möglich, wenn die MfS-Kreisdienststelle nach der heimlichen Überprüfung (Aktion "grün") des potenziellen Kandidaten zugestimmt hatte.
In allen Grenz(ausbildungs)regimentern saßen Verbindungsoffiziere der HA I, armeeintern als "Verwaltung 2000" bezeichnet. Während der mehrmonatigen Ausbildung überprüften sie den Wehrpflichtigen weiter - die sog. Filtrierung. Wer keine Gewähr bot, dass er dem geforderten Auftrag nachkommen würde, wurde versetzt. Zahlenmäßig waren diese Nichtzuführungen zur Linie erheblich. Auch die Grenzkompanien waren mit inoffiziellen Mitarbeitern durchsetzt. Zugleich kam es zwischen dem Verbindungsoffizier und dem jeweiligen Kompaniechef zu regelmäßigen offiziellen Einschätzungen über die Zuverlässigkeit jedes Grenzers.
Zur HA I gehörte auch die Abteilung Grenzsicherheit. Sie trug für dieses Arbeitsfeld die Gesamtverantwortung im MfS. Die Abteilung sollte für ein einheitliches Funktionieren des tief gestaffelten Systems der Grenzsicherung sorgen. Dazu existierten Unterabteilungen in den Bezirksverwaltungen (BV) der Grenzbezirke Erfurt, Gera, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Magdeburg, Potsdam, Schwerin und Suhl. Die Leiter dieser Unterabteilungen waren zugleich als Grenzbeauftragte für den Bezirk die offiziellen Vertreter des MfS in allen die Staatsgrenze betreffenden Fragen - mit Billigung Honeckers. In den Grenz-Kreisdienststellen existierte in der Regel ein Sachgebiet "Grenze".
Die Grenzaufklärung der HA I überwachte Regionen, die sich für Fluchttunnel eigneten und ermittelte bei Störungen und "Angriffen" vom westlichen Territorium aus, etwa zu Einrichtungen, die das brutale Grenzregime anprangerten, zu Protestaufmärschen und bei Beschädigungen der Grenzanlagen.
Sowohl gelungene als auch misslungene Fluchtversuche führten zu einer eingehenden Untersuchung durch die MfS-Spezialkommissionen (Vorkommnisuntersuchung). Hier wurde auch vermerkt, inwieweit Grenzsoldaten sich angemessen verhalten hatten, beispielsweise ob die Abgabe von Schüssen nicht eine Überreaktion war. Dabei wog eine gelungene Flucht schwerer als die Tötung des Flüchtlings: Selbst wenn Befehle zweifelsfrei überschritten oder gestellte Flüchtige regelrecht exekutiert wurden, hatte dies keine strafrechtlichen Folgen für den betreffenden Grenzsoldaten.
Seit einer Ballonflucht im Jahre 1979 sollte die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG)/6 weitere spektakuläre Fluchtversuche verhindern. Dazu dienten Karten, in denen geeignete Stellen für heimliche Starts mit Luftfahrzeugen besonders markiert waren. Auffällige Materialbeschaffungen oder die Ausleihe von Fachliteratur wurden überwacht.
Die eigentliche Passkontrolle an den Grenzübergangsstellen und damit ggf. die Festnahme übernahmen Passkontrolleinheiten, die zur Hauptabteilung VI (HA VI) bzw. den Abteilung VI (Überwachung Staatsapparat) zählten. Die Hauptabteilung VII (HA VII) überwachte den Einsatz der Polizei an den Zugängen zum Grenzgebiet (Volkspolizei und Staatssicherheit).
Die Aussetzung des Schießbefehls vom April 1989 galt auch für MfS Mitarbeiter an der Grenze. Noch in den letzten Wochen des Staatssicherheitsdienstes wurde die Gewährleistung der inneren Sicherheit der Grenztruppen als unbedingt durchzuführende Aufgabe angesehen.
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 9, Bl. 238-260
Einschätzung der Grenzsicherung sowie der Grenztruppen im Kreis Lobenstein (Bezirk Gera) aus dem Jahr 1960. Die "grüne Grenze" hatte hier noch erhebliche Lücken.
Die innerdeutsche Grenze war die Nahtstelle der verfeindeten Systeme – weswegen die DDR-Führung die Grenzanlagen immer weiter ausbauen wollte. Bereits im Mai 1952 wurde ein rund 5 Kilometer breiter Streifen entlang der innerdeutsche Grenze abgeriegelt. Unmittelbar hinter der Demarkationslinie wies die Stasi an, einen 10 Meter breiten Kontrollstreifen einzurichten, gefolgt von einem 500 Meter breiten Schutzstreifen und einem rund 5 Kilometer breiten Sperrgebiet.
Ziel dieser und einer Reihe weiterer Maßnahmen war es, die Flucht von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik zu verhindern. Unpopuläre Schritte wie die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft verleiteten jedoch immer mehr Menschen zur Flucht. Diese "Republikflucht" zu bekämpfen betrachtete die Stasi als eine ihrer wichtigsten Aufgaben.
Das vorliegende Dokument aus dem Jahr 1960 zeigt beispielhaft am Kreis Lobenstein (Bezirk Gera) die damalige Lage an der Grenze. Die "grüne Grenze" hatte auch hier noch erhebliche Lücken, unwegsames Gelände erschwerte die Kontrolle über das Grenzgebiet. Darüber hinaus werden in dem Dokument einzelne Kompanien der Grenztruppen und die Zuverlässigkeit der leitendenden Offiziere bewertet. Der oder die Verfasser unterbreiteten auch Vorschläge, wie die Grenzsicherung verbessert werden könnte.
[geschwärzt] wird in nächster Zeit auf einen Offizierslehrgang delegiert und nach bestandener Prüfung als Offizier seinen Dienst bei der U.Abt. Aufklärung versehen.
Der politisch-moralische Zustand kann als befriedigend eingeschätzt werden. in der Vergangenheit ist noch desöfteren vorkommen, daß sich die 10-m-Streife mit westdeutschen Bürgern unterhalten hat. Die Wachsamkeit sowie Dienstdurchführung konnte besser sein.
Im Jahre 1960 versuchte ein Soldat, Fahnenflüchtig zu werden. Die Einsatzbereitschaft ist noch gewährleistet.
Kompanie Titschendorf:
Kompanieführer: Leutnant [geschwärzt]:
Obengenannter ist 28 Jahre alt. Die Führungstätigkeit wird als mangelhaft eingeschätzt. Er ist schwatzhaft und neigt leicht zur Überheblichkeit. Er besitzt einungenügendes politisches Wissen und kanndiesbezüglichauch nicht überzeugend auf seine Untergebenen einwirken. Die Verbindung zu den Soldaten ist nicht besonders gut. Da seine Frau aus bürgerlichen Kreisen stammt, neigt er leicht zum Geltungsbedürfnis. In moralischer Hinsicht ist über ihn nichts bekannt. Verbindung nach WD, WB sowie in das kapitalistische Ausland bestehen keine, [geschwärzt] ist nicht in der Lage, seine Funktion weiterhin auszuführen. Bei Qualifizierung eines neuen Kompanieführers wird Obengenannter abgelöst.
Politstellvertreter: Leutnant [geschwärzt]
Obengenannter ist ca. 31 Jahr alt. Seine Einstellung zur Partei und Regierung kann nicht als befriedigend eingeschätzt werden. Er leistet eine schlechte politische Arbeit, besitzt ideologische Unklarheiten und ist nicht in der Lage, seine ihn übertragenen Aufgaben zu lösen.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Das MfS verstand unter Grenzsicherung Maßnahmen der DDR an ihrer Grenze zur Bundesrepublik und zu Westberlin sowie zum angrenzenden Territorium, um die gewünschte Ordnung durchzusetzen und Störungen, einschließlich Fluchtversuche, abzuwenden. Dagegen wurden die Maßnahmen an den Grenzen zur CSSR und zur VR Polen als Grenzüberwachung bezeichnet.
Zur unmittelbaren Grenzsicherung eingesetzt waren die Grenztruppen (bis 1961 Deutsche Grenzpolizei) und ihre Freiwilligen Helfer, die Grenzbrigade Küste der Volksmarine, Mitarbeiter der Deutschen Volkspolizei und ihre Freiwilligen Helfer, Mitarbeiter der Zollverwaltung, Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes und ihre inoffiziellen Mitarbeiter. Eine mittelbare Verantwortlichkeit lag bei den örtlichen Räten, die vielfältige organisatorische Maßnahmen sicherzustellen hatten.
1952/53 und 1956 war die Grenzpolizei dem MfS jeweils für mehrere Monate unterstellt. Am 27.5.1952 erließ daher der Minister für Staatssicherheit eine "Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie". Das MfS-Statut von 1969 zählte den Schutz der "Staatsgrenze mit spezifischen Mitteln und Methoden" zur Hauptaufgabe des MfS. Spätestens seit dem Mauerbau 1961 wurde der Staatssicherheitsdienst eingebunden in ein einheitliches, immer komplexeres System zur Verhinderung von Fluchten in die Bundesrepublik bzw. nach Westberlin (Republikflucht), auch über die Ostsee, und zum Schutz der Staatsgrenze bis hin zur Klärung von Vorkommnissen im Grenzgebiet.
Das MfS beteiligte sich mit eigenen Kräften an der Grenzsicherung (zum Beispiel durch die Passkontrolleinheiten und die Kontrolle neuralgischer Punkte wie der Berliner Kanalisation), wirkte mit den anderen Einrichtungen zusammen, überwachte sie zugleich und trug die letzte Hauptverantwortung. Dabei wurden über die reine Grenzsicherung hinaus das gesamte Grenzgebiet und seine Zugänge kontrolliert. Im MfS lag die Verantwortung für Grenzsicherheit bei einem stellvertretenden Minister, zuletzt bei Gerhard Neiber.
Für das Funktionieren der eigentlichen Grenzsicherung durch Grenztruppen und die Grenzbrigade Küste war im MfS seit 1953 die Hauptabteilung I (HA I) zuständig. Keinesfalls sollten Grenzsoldaten zum Einsatz kommen, die sich weigerten, auf Flüchtende zu schießen, oder bei denen Fluchtgefahr bestand. Hierfür bot ein differenziertes System der Personalauswahl die Gewähr. Schon eine Musterung für die Grenztruppen war nur möglich, wenn die MfS-Kreisdienststelle nach der heimlichen Überprüfung (Aktion "grün") des potenziellen Kandidaten zugestimmt hatte.
In allen Grenz(ausbildungs)regimentern saßen Verbindungsoffiziere der HA I, armeeintern als "Verwaltung 2000" bezeichnet. Während der mehrmonatigen Ausbildung überprüften sie den Wehrpflichtigen weiter - die sog. Filtrierung. Wer keine Gewähr bot, dass er dem geforderten Auftrag nachkommen würde, wurde versetzt. Zahlenmäßig waren diese Nichtzuführungen zur Linie erheblich. Auch die Grenzkompanien waren mit inoffiziellen Mitarbeitern durchsetzt. Zugleich kam es zwischen dem Verbindungsoffizier und dem jeweiligen Kompaniechef zu regelmäßigen offiziellen Einschätzungen über die Zuverlässigkeit jedes Grenzers.
Zur HA I gehörte auch die Abteilung Grenzsicherheit. Sie trug für dieses Arbeitsfeld die Gesamtverantwortung im MfS. Die Abteilung sollte für ein einheitliches Funktionieren des tief gestaffelten Systems der Grenzsicherung sorgen. Dazu existierten Unterabteilungen in den Bezirksverwaltungen (BV) der Grenzbezirke Erfurt, Gera, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Magdeburg, Potsdam, Schwerin und Suhl. Die Leiter dieser Unterabteilungen waren zugleich als Grenzbeauftragte für den Bezirk die offiziellen Vertreter des MfS in allen die Staatsgrenze betreffenden Fragen - mit Billigung Honeckers. In den Grenz-Kreisdienststellen existierte in der Regel ein Sachgebiet "Grenze".
Die Grenzaufklärung der HA I überwachte Regionen, die sich für Fluchttunnel eigneten und ermittelte bei Störungen und "Angriffen" vom westlichen Territorium aus, etwa zu Einrichtungen, die das brutale Grenzregime anprangerten, zu Protestaufmärschen und bei Beschädigungen der Grenzanlagen.
Sowohl gelungene als auch misslungene Fluchtversuche führten zu einer eingehenden Untersuchung durch die MfS-Spezialkommissionen (Vorkommnisuntersuchung). Hier wurde auch vermerkt, inwieweit Grenzsoldaten sich angemessen verhalten hatten, beispielsweise ob die Abgabe von Schüssen nicht eine Überreaktion war. Dabei wog eine gelungene Flucht schwerer als die Tötung des Flüchtlings: Selbst wenn Befehle zweifelsfrei überschritten oder gestellte Flüchtige regelrecht exekutiert wurden, hatte dies keine strafrechtlichen Folgen für den betreffenden Grenzsoldaten.
Seit einer Ballonflucht im Jahre 1979 sollte die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG)/6 weitere spektakuläre Fluchtversuche verhindern. Dazu dienten Karten, in denen geeignete Stellen für heimliche Starts mit Luftfahrzeugen besonders markiert waren. Auffällige Materialbeschaffungen oder die Ausleihe von Fachliteratur wurden überwacht.
Die eigentliche Passkontrolle an den Grenzübergangsstellen und damit ggf. die Festnahme übernahmen Passkontrolleinheiten, die zur Hauptabteilung VI (HA VI) bzw. den Abteilung VI (Überwachung Staatsapparat) zählten. Die Hauptabteilung VII (HA VII) überwachte den Einsatz der Polizei an den Zugängen zum Grenzgebiet (Volkspolizei und Staatssicherheit).
Die Aussetzung des Schießbefehls vom April 1989 galt auch für MfS Mitarbeiter an der Grenze. Noch in den letzten Wochen des Staatssicherheitsdienstes wurde die Gewährleistung der inneren Sicherheit der Grenztruppen als unbedingt durchzuführende Aufgabe angesehen.
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 9, Bl. 238-260
Einschätzung der Grenzsicherung sowie der Grenztruppen im Kreis Lobenstein (Bezirk Gera) aus dem Jahr 1960. Die "grüne Grenze" hatte hier noch erhebliche Lücken.
Die innerdeutsche Grenze war die Nahtstelle der verfeindeten Systeme – weswegen die DDR-Führung die Grenzanlagen immer weiter ausbauen wollte. Bereits im Mai 1952 wurde ein rund 5 Kilometer breiter Streifen entlang der innerdeutsche Grenze abgeriegelt. Unmittelbar hinter der Demarkationslinie wies die Stasi an, einen 10 Meter breiten Kontrollstreifen einzurichten, gefolgt von einem 500 Meter breiten Schutzstreifen und einem rund 5 Kilometer breiten Sperrgebiet.
Ziel dieser und einer Reihe weiterer Maßnahmen war es, die Flucht von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik zu verhindern. Unpopuläre Schritte wie die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft verleiteten jedoch immer mehr Menschen zur Flucht. Diese "Republikflucht" zu bekämpfen betrachtete die Stasi als eine ihrer wichtigsten Aufgaben.
Das vorliegende Dokument aus dem Jahr 1960 zeigt beispielhaft am Kreis Lobenstein (Bezirk Gera) die damalige Lage an der Grenze. Die "grüne Grenze" hatte auch hier noch erhebliche Lücken, unwegsames Gelände erschwerte die Kontrolle über das Grenzgebiet. Darüber hinaus werden in dem Dokument einzelne Kompanien der Grenztruppen und die Zuverlässigkeit der leitendenden Offiziere bewertet. Der oder die Verfasser unterbreiteten auch Vorschläge, wie die Grenzsicherung verbessert werden könnte.
Er ist oftmals lustlos und trägt öfters Entpflichtungsgedanken. Er unterhält Verbindung zu negativen Personen im Ort. In moralischer Hinsicht ist über ihn nichts Nachteiliges bekannt. Verbindungen nach WD, WB sowie in das kapitalistische Ausland bestehen keine.
[geschwärzt] muß, unbedingt als Politstellvertreter abgelöst werden.
Der politisch-moralische Zustand der Kompanie ist ungenügend. Es treten Zersetzungserscheinungen auf, schlechte Dienstdurchführung, Trinkgelage, Nichteinhaltung der dienstlichen Befehle sowie Dienstgeheimnisse werden preisgegeben. Die Wachsamkeit lässt sehr viel zu wünschen übrig.
Dazu ein Beispiel:
Am 11.5.1960 gegen 10.00 Uhr kam zufällig der Leiter des VPKA Lobenstein Gen. Major [geschwärzt] in Zivil auf die Kompanie. Ohne jegliche Kontrolle betrat er die Kompanie und gelangte in die Waffenkammer, welche offen war und Zugang zu sämtlichen Waffen hatte. Nach ca. 10 Minuten kam ein Genosse. Dieser wurde befragt, warum die Waffenkammer nicht verschlossen wäre, darauf antwortete der Soldat, dieses würde ihn überhaupt nichts angehen. Nach Rücksprache mit dem Kompanieführer brachte dieser zum Ausdruck, sie wären erst von einer Übung gekommen, da wären alle Genossen müde und würden schlafen. Er machte sich gar nichts daraus, daß Personen ohne jegliche Kontrolle, Zutritt in das Objekt haben und sogar bis in die Waffenkammer eindringen konnten. Durch die schlechte Arbeit der Offiziere mit den Soldaten ist zu verzeichnen, daß im Jahre 1959 ein Soldat fahnenflüchtig werden konnte und ebenfalls im Jahre 1960 schon wieder einer versucht, zu dessartieren.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Das MfS verstand unter Grenzsicherung Maßnahmen der DDR an ihrer Grenze zur Bundesrepublik und zu Westberlin sowie zum angrenzenden Territorium, um die gewünschte Ordnung durchzusetzen und Störungen, einschließlich Fluchtversuche, abzuwenden. Dagegen wurden die Maßnahmen an den Grenzen zur CSSR und zur VR Polen als Grenzüberwachung bezeichnet.
Zur unmittelbaren Grenzsicherung eingesetzt waren die Grenztruppen (bis 1961 Deutsche Grenzpolizei) und ihre Freiwilligen Helfer, die Grenzbrigade Küste der Volksmarine, Mitarbeiter der Deutschen Volkspolizei und ihre Freiwilligen Helfer, Mitarbeiter der Zollverwaltung, Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes und ihre inoffiziellen Mitarbeiter. Eine mittelbare Verantwortlichkeit lag bei den örtlichen Räten, die vielfältige organisatorische Maßnahmen sicherzustellen hatten.
1952/53 und 1956 war die Grenzpolizei dem MfS jeweils für mehrere Monate unterstellt. Am 27.5.1952 erließ daher der Minister für Staatssicherheit eine "Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie". Das MfS-Statut von 1969 zählte den Schutz der "Staatsgrenze mit spezifischen Mitteln und Methoden" zur Hauptaufgabe des MfS. Spätestens seit dem Mauerbau 1961 wurde der Staatssicherheitsdienst eingebunden in ein einheitliches, immer komplexeres System zur Verhinderung von Fluchten in die Bundesrepublik bzw. nach Westberlin (Republikflucht), auch über die Ostsee, und zum Schutz der Staatsgrenze bis hin zur Klärung von Vorkommnissen im Grenzgebiet.
Das MfS beteiligte sich mit eigenen Kräften an der Grenzsicherung (zum Beispiel durch die Passkontrolleinheiten und die Kontrolle neuralgischer Punkte wie der Berliner Kanalisation), wirkte mit den anderen Einrichtungen zusammen, überwachte sie zugleich und trug die letzte Hauptverantwortung. Dabei wurden über die reine Grenzsicherung hinaus das gesamte Grenzgebiet und seine Zugänge kontrolliert. Im MfS lag die Verantwortung für Grenzsicherheit bei einem stellvertretenden Minister, zuletzt bei Gerhard Neiber.
Für das Funktionieren der eigentlichen Grenzsicherung durch Grenztruppen und die Grenzbrigade Küste war im MfS seit 1953 die Hauptabteilung I (HA I) zuständig. Keinesfalls sollten Grenzsoldaten zum Einsatz kommen, die sich weigerten, auf Flüchtende zu schießen, oder bei denen Fluchtgefahr bestand. Hierfür bot ein differenziertes System der Personalauswahl die Gewähr. Schon eine Musterung für die Grenztruppen war nur möglich, wenn die MfS-Kreisdienststelle nach der heimlichen Überprüfung (Aktion "grün") des potenziellen Kandidaten zugestimmt hatte.
In allen Grenz(ausbildungs)regimentern saßen Verbindungsoffiziere der HA I, armeeintern als "Verwaltung 2000" bezeichnet. Während der mehrmonatigen Ausbildung überprüften sie den Wehrpflichtigen weiter - die sog. Filtrierung. Wer keine Gewähr bot, dass er dem geforderten Auftrag nachkommen würde, wurde versetzt. Zahlenmäßig waren diese Nichtzuführungen zur Linie erheblich. Auch die Grenzkompanien waren mit inoffiziellen Mitarbeitern durchsetzt. Zugleich kam es zwischen dem Verbindungsoffizier und dem jeweiligen Kompaniechef zu regelmäßigen offiziellen Einschätzungen über die Zuverlässigkeit jedes Grenzers.
Zur HA I gehörte auch die Abteilung Grenzsicherheit. Sie trug für dieses Arbeitsfeld die Gesamtverantwortung im MfS. Die Abteilung sollte für ein einheitliches Funktionieren des tief gestaffelten Systems der Grenzsicherung sorgen. Dazu existierten Unterabteilungen in den Bezirksverwaltungen (BV) der Grenzbezirke Erfurt, Gera, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Magdeburg, Potsdam, Schwerin und Suhl. Die Leiter dieser Unterabteilungen waren zugleich als Grenzbeauftragte für den Bezirk die offiziellen Vertreter des MfS in allen die Staatsgrenze betreffenden Fragen - mit Billigung Honeckers. In den Grenz-Kreisdienststellen existierte in der Regel ein Sachgebiet "Grenze".
Die Grenzaufklärung der HA I überwachte Regionen, die sich für Fluchttunnel eigneten und ermittelte bei Störungen und "Angriffen" vom westlichen Territorium aus, etwa zu Einrichtungen, die das brutale Grenzregime anprangerten, zu Protestaufmärschen und bei Beschädigungen der Grenzanlagen.
Sowohl gelungene als auch misslungene Fluchtversuche führten zu einer eingehenden Untersuchung durch die MfS-Spezialkommissionen (Vorkommnisuntersuchung). Hier wurde auch vermerkt, inwieweit Grenzsoldaten sich angemessen verhalten hatten, beispielsweise ob die Abgabe von Schüssen nicht eine Überreaktion war. Dabei wog eine gelungene Flucht schwerer als die Tötung des Flüchtlings: Selbst wenn Befehle zweifelsfrei überschritten oder gestellte Flüchtige regelrecht exekutiert wurden, hatte dies keine strafrechtlichen Folgen für den betreffenden Grenzsoldaten.
Seit einer Ballonflucht im Jahre 1979 sollte die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG)/6 weitere spektakuläre Fluchtversuche verhindern. Dazu dienten Karten, in denen geeignete Stellen für heimliche Starts mit Luftfahrzeugen besonders markiert waren. Auffällige Materialbeschaffungen oder die Ausleihe von Fachliteratur wurden überwacht.
Die eigentliche Passkontrolle an den Grenzübergangsstellen und damit ggf. die Festnahme übernahmen Passkontrolleinheiten, die zur Hauptabteilung VI (HA VI) bzw. den Abteilung VI (Überwachung Staatsapparat) zählten. Die Hauptabteilung VII (HA VII) überwachte den Einsatz der Polizei an den Zugängen zum Grenzgebiet (Volkspolizei und Staatssicherheit).
Die Aussetzung des Schießbefehls vom April 1989 galt auch für MfS Mitarbeiter an der Grenze. Noch in den letzten Wochen des Staatssicherheitsdienstes wurde die Gewährleistung der inneren Sicherheit der Grenztruppen als unbedingt durchzuführende Aufgabe angesehen.
Bericht der BV Karl-Marx-Stadt über die Situation im Grenzgebiet zur Bundesrepublik Dokument, 4 Seiten
Rüge des Politstellvertreters an Soldaten des Wachregiments wegen einer öffentlichen Einladung an junge Frauen Audio, 6 Minuten, 25 Sekunden
Bericht der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt nach Abschluss der Zwangsumsiedlungen 1961 Dokument, 3 Seiten
Abschlussbericht der Bezirksverwaltung Suhl zur Aktion "Festigung" Dokument, 25 Seiten