Entwurf für einen Brief Erich Honeckers an die Parteiorganisationen des MfS
Signatur: BStU, MfS, SdM, Nr. 1201, Bl. 138-144
Rund einen Monat nach dem Ungarischen Volksaufstand beobachtete die SED genau, welche Folgen die Ereignisse für die Sicherheit und Stabilität in der DDR haben könnten. In einem Brief an die Parteiorganisationen des MfS forderte ZK-Sicherheitssekretär Erich Honecker erhöhte Wachsamkeit.
Am 23. Oktober 1956 forderten Studenten der Budapester Universitäten auf einer Großdemonstration bürgerliche Freiheitsrechte, ein parlamentarisches Regierungssystem und nationale Unabhängigkeit. Sie bekundeten damit ihre Sympathie für einen Arbeiteraufstand in Polen drei Monate zuvor. Zudem verlangten die Demonstranten die Rückkehr von Imre Nagy als Ministerpräsident. Er hatte das Land von 1953 bis 1955 regiert und dabei einige Reformen angestoßen.
Dieser Volksaufstand in Ungarn vom Herbst 1956 löste beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Unruhe aus. Die Erinnerungen an den Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 waren noch frisch und die ostdeutsche Geheimpolizei wollte um jeden Preis verhindern, dass die explosive Stimmung auf das eigene Land übersprang. Die SED-Parteizeitung "Neues Deutschland" sprach schon am 25. Oktober von einem "Putsch konterrevolutionärer Elemente". Die DDR-Führung versuchte die Bevölkerung durch sozialpolitisches Entgegenkommen zu beruhigen und das MfS wollte die Bürger durch Abschreckung disziplinieren.
Das vorliegende Dokument ist der Entwurf eines Schreibens an die Parteiorganisationen des MfS. Verfasser ist Erich Honecker, seinerzeit Sicherheitssekretär im Zentralkomitee der SED. Im Brief schlägt er vor, die Aufklärungsarbeit zu intensivieren. Es seien neue Formen und Methoden notwendig, um die Partei besser zu informieren. Nur so könne diese auf neue Situationen reagieren.
Metadaten
- Diensteinheit:
- Sekretariat des Ministers
- Datum:
- 27. November 1956
- Rechte:
- BStU
- Zustand:
- Gut
- Überlieferungsform:
- Dokument
(Entwurf)
An alle
Parteiorganisationen des
Ministeriums für Staatssicherheit
Genossinnen und Genossen!
In diesen Tagen ersucht das internationale Monopolkapital unter Führung der USA-Imperialisten mit Hilfe der von ihnen finanzierten konterrevolutionären Agenturen die Arbeiter-und-Bauern-Macht in den volksdemokratischen Ländern zu untergraben und durch einen 3. Weltkrieg die Herrschaft der Kapitalisten und Großgrundbesitzer wieder zu errichten.
Die Verschärfung der internationalen Lage durch die offene Aggression der englisch-französischen Imperialisten in Ägypten, der von der internationalen Reaktion vorbereitete konterrevolutionäre Putsch in der Volksrepublik Ungarn, die Provokationen und Überfälle gegen die kommunistischen Parteien und ihre Mitglieder in den kapitalistischen Ländern, verpflichten zur erhöhten Wachsamkeit.
Um die Volksamssen irre zu führen, ihnen die Orientierung zu nehmen und ihre verbrecherischen Absichten zu verschleiern, entfalten die Kräfte des internationalen Finanzkapitals, vor allen Dingen die westdeutschen Militaristen, eine verstärkte Hetze gegen die Sowjetunion, die Länder der Volksdemokratien und ihre marxistisch-leninistischen Parteien.
In dieser Situation zeigt sich erneut, welche große Gefahr Westdeutschland als Hauptbasis der NATO in Europa für das deutsche Volk und die Völker Europas darstellt.
Kapitalistische Untergrundorganisationen versuchen von Westdeutschland - vor allem von Westberlin aus- Unruhen unter Teile unserer Bevölkerung zu tragen, mit Hilfe feindlicher Elemente Zersetzung zu treiben und Provokationen gegen unseren Arbeiter-und Bauern-Staat zu starten.