Signatur: BArch, MfS, AOP, Nr. 17683/62, Bd. 1, Bl. 53-55
Als Ende der 50er Jahre im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde vermehrt Tiere mit Vergiftungsanzeichen starben, ermittelte das MfS gegen mehrere Tierpfleger. Um den Hauptverdächtigen zu überführen, nahm die Geheimpolizei Kontakt zu Tierpark-Direktor Heinrich Dathe auf.
Am 2. Juli 1955 öffnete der Tierpark auf dem Gelände des enteigneten Schlossparks Friedrichsfelde in Ost-Berlin seine Tore. Direktor wurde der Zoologe Heinrich Dathe, der den Tierpark bis 1990 leitete.
Die Entstehung des Tierparks war eng mit den politischen Entwicklungen der Nachkriegsjahre verknüpft: Der 1844 eröffnete und weltweit renommierte Berliner Zoologische Garten gehörte nach der Teilung zum Westteil der Stadt. Im Kontext des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz wollte die SED-Führung verhindern, dass die DDR auf diesem Gebiet ins Hintertreffen geriet. Mit dem Aufbau eines eigenen Tierparks erhoffte sie sich internationale Anerkennung der noch jungen DDR.
Als Schau- und Handelsobjekten kam den Tieren ein hoher Wert zu. Tierpark und Zoo versuchten sich auf diesem Gebiet gegenseitig zu übertrumpfen. Jeder wollte seinen Besucherinnen und Besuchern die exotischsten Exemplare präsentieren. Ein Großteil der Tiere für Ost-Berlin kam aus sozialistischen "Bruderstaaten" wie der Sowjetunion, China oder Vietnam.
Als politisch und volkswirtschaftlich bedeutendes Objekt war der Tierpark von Beginn an staatlicher Überwachung ausgesetzt. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ließ sich unter anderem über internationale Konferenzen im Tierpark und den Zustand der Tierhäuser im Winter berichten. In einzelnen Fällen ging es aber auch gezielt gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.
Ab April 1958 verendeten im Tierpark Friedrichsfelde vermehrt Tiere mit Vergiftungserscheinungen. Betroffen waren sowohl Tiere in den Gehegen als auch im Quarantänelager. Als die Todesfälle Anfang 1959 zunahmen, schaltete sich das MfS ein. Wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung legte die Stasi am 26. Februar 1959 einen Überprüfungsvorgang an. Darin ermittelte sie gegen mehrere Tierpfleger. Gerade in der Anfangszeit des Tierparks bedeutete der Verlust von zum Teil sehr wertvollen Tieren einen hohen Schaden. Außerdem drohte das Ansehen des Tierparks unter den Vorfällen zu leiden.
Die Ermittlungen fielen in den Zuständigkeitsbereich der MfS-Kreisdienststelle (KD) Lichtenberg, die sich direkt neben dem Tierpark befand. Durch Beobachtungen, Postüberwachung und den Einsatz geheimer Informatoren versuchte sie gemeinsam mit der Volkspolizei (VP), den Verantwortlichen für die Tiervergiftungen zu überführen.
Schon bald nahm die Geheimpolizei einen Hauptverdächtigen ins Visier: den 24-jährigen Günther Rabe (Name geändert), der ab 1. September 1955 als Tier-, später als Oberpfleger im Tierpark arbeitete.
Die Stasi informierte Tierpark-Direktor Dathe über die Ermittlungen und ihren Verdacht gegen Rabe. Wie aus einem Bericht der KD Lichtenberg hervorgeht, verfolgte sie dabei eine klare Strategie: Über Dathe erhielt der Tierpfleger den Auftrag, alle Auffälligkeiten bezüglich der Tiervergiftungen der VP zu melden. Außerdem sicherte das MfS ihm sein Vertrauen zu. So sollte sich Rabe in Sicherheit wiegen und leichtfertig einen Fehler begehen, der zu seiner Überführung führen würde.
Berlin, den 09.04.1959
Bericht
Betr.: Aussprache mit dem Leiter des Berliner Tierparks, Prof. Dr. Dahte.
Am heutigen Tage suchten Gen. Major Görze und Unterzeichneter den Prof. Dahte in seinem Dienstzimmer auf, um mit ihm eine Aussprache zu führen. Ziel dieser Aussprache sollte sein, daß
a) im Tierpark eine Belegschaftsversammlung durchgeführt wird, um einmal die unter der Belegschaft vorhandene Unruhe (bedingt durch die Vernehmungen der VP) zu beseitigen und, um gleichzeitig alle Belegschaftsmitglieder zur verstärkten Wachsamkeit aufzurufen;
b) der Oberpfleger [pseudonymisiert: Rabe], der im Verdacht steht, an den Tiervergiftungen beteiligt zu sein, durch Prof. Dahte den Auftrag erhält, alle Wahrnehmungen und Feststellungen sofort an den Gen. Arndt zu melden. Dadurch soll erreicht werden, daß sich [pseudonymisiert: Rabe] vollkommen sicher fühlt, um dann durch Beobachtungen evtl. überführt zu werden.
Das Ziel der Aussprache mit Prof. Dahte wurde erreicht. In der Belegschaftsversammlung wird allerdings nicht von den Vergiftungen ausgegangen, da Prof. Dahte der Ansicht ist, daß ein großer Teil der Belegschaft noch nichts davon weis, sondern es wird mehr in vorbeugender Hinsicht gesprochen, unter Hinweis auf andere Tierparks in der DDR. Die Aussprache führt Prof. Dahte selbst in der Versammlung am 21.04.1959, 16:00 Uhr, die über den Betriebskollektiv-Vertrag stattfindet.
In Bezug auf [pseudonymisiert: Rabe] brachte Dahte zum Ausdruck, daß er nichts dagegen hat, wenn wir auch den [pseudonymisiert: Rabe] mißtrauen. Ihm wurde klar gemacht, daß dies nicht der Fall ist, sondern [pseudonymisiert: Rabe] unser ganzes Vertrauen besitzt. [pseudonymisiert: Rabe] wurde dann sofort in das Zimmer des Professors geholt, wo dieser mit [pseudonymisiert: R.] in der
[Absatz wurde seitlich markiert]
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Der Überprüfungsvorgang war eine Vorgangsart von 1953 bis 1960; bei Verdacht einer "feindlichen Tätigkeit" gegen eine oder mehrere Personen gerichtet. Bei Verdachtsbestätigung sollte entweder eine Verhaftung oder die Überführung in einen Operativen Vorgang (Einzelvorgang, Gruppenvorgang) erfolgen. Überprüfungsvorgänge waren zentral in der Abt. XII zu registrieren; betroffene Personen und ihre Verbindungen waren in der zentralen Personenkartei (F 16), involvierte Organisationen in der zentralen Objektkartei (F 17) zu erfassen. 1960 wurde der Überprüfungsvorgang in die Vorgangsart Vorlauf Operativ überführt.
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Signatur: BArch, MfS, AOP, Nr. 17683/62, Bd. 1, Bl. 53-55
Als Ende der 50er Jahre im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde vermehrt Tiere mit Vergiftungsanzeichen starben, ermittelte das MfS gegen mehrere Tierpfleger. Um den Hauptverdächtigen zu überführen, nahm die Geheimpolizei Kontakt zu Tierpark-Direktor Heinrich Dathe auf.
Am 2. Juli 1955 öffnete der Tierpark auf dem Gelände des enteigneten Schlossparks Friedrichsfelde in Ost-Berlin seine Tore. Direktor wurde der Zoologe Heinrich Dathe, der den Tierpark bis 1990 leitete.
Die Entstehung des Tierparks war eng mit den politischen Entwicklungen der Nachkriegsjahre verknüpft: Der 1844 eröffnete und weltweit renommierte Berliner Zoologische Garten gehörte nach der Teilung zum Westteil der Stadt. Im Kontext des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz wollte die SED-Führung verhindern, dass die DDR auf diesem Gebiet ins Hintertreffen geriet. Mit dem Aufbau eines eigenen Tierparks erhoffte sie sich internationale Anerkennung der noch jungen DDR.
Als Schau- und Handelsobjekten kam den Tieren ein hoher Wert zu. Tierpark und Zoo versuchten sich auf diesem Gebiet gegenseitig zu übertrumpfen. Jeder wollte seinen Besucherinnen und Besuchern die exotischsten Exemplare präsentieren. Ein Großteil der Tiere für Ost-Berlin kam aus sozialistischen "Bruderstaaten" wie der Sowjetunion, China oder Vietnam.
Als politisch und volkswirtschaftlich bedeutendes Objekt war der Tierpark von Beginn an staatlicher Überwachung ausgesetzt. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ließ sich unter anderem über internationale Konferenzen im Tierpark und den Zustand der Tierhäuser im Winter berichten. In einzelnen Fällen ging es aber auch gezielt gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.
Ab April 1958 verendeten im Tierpark Friedrichsfelde vermehrt Tiere mit Vergiftungserscheinungen. Betroffen waren sowohl Tiere in den Gehegen als auch im Quarantänelager. Als die Todesfälle Anfang 1959 zunahmen, schaltete sich das MfS ein. Wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung legte die Stasi am 26. Februar 1959 einen Überprüfungsvorgang an. Darin ermittelte sie gegen mehrere Tierpfleger. Gerade in der Anfangszeit des Tierparks bedeutete der Verlust von zum Teil sehr wertvollen Tieren einen hohen Schaden. Außerdem drohte das Ansehen des Tierparks unter den Vorfällen zu leiden.
Die Ermittlungen fielen in den Zuständigkeitsbereich der MfS-Kreisdienststelle (KD) Lichtenberg, die sich direkt neben dem Tierpark befand. Durch Beobachtungen, Postüberwachung und den Einsatz geheimer Informatoren versuchte sie gemeinsam mit der Volkspolizei (VP), den Verantwortlichen für die Tiervergiftungen zu überführen.
Schon bald nahm die Geheimpolizei einen Hauptverdächtigen ins Visier: den 24-jährigen Günther Rabe (Name geändert), der ab 1. September 1955 als Tier-, später als Oberpfleger im Tierpark arbeitete.
Die Stasi informierte Tierpark-Direktor Dathe über die Ermittlungen und ihren Verdacht gegen Rabe. Wie aus einem Bericht der KD Lichtenberg hervorgeht, verfolgte sie dabei eine klare Strategie: Über Dathe erhielt der Tierpfleger den Auftrag, alle Auffälligkeiten bezüglich der Tiervergiftungen der VP zu melden. Außerdem sicherte das MfS ihm sein Vertrauen zu. So sollte sich Rabe in Sicherheit wiegen und leichtfertig einen Fehler begehen, der zu seiner Überführung führen würde.
oben dargelegten Form sprach, und nochmals darauf hinwies, alle Vorkommnisse und Wahrnehmungen sofort an den Gen. Arndt zu melden. Gleichzeitig wurde noch der [anonymisiert] [pseudonymisiert: Fröhlich] hinzugezogen, dem das Gleiche mitgeteilt wurde, für den Fall, daß [pseudonymisiert: Rabe] nicht da ist.
Mit [pseudonymisiert: Rabe] wurde noch kurz darüber gesprochen, daß wir ihm volles Vertrauen schenken und uns aus diesem Grunde an ihn wenden, zumal er auch unter den Pflegern den größten Überblick besitzt und auch bei den anderen Pflegern respektiert wird. [pseudonymisiert: Rabe] war in allen Punkten einverstanden.
In der weiteren Aussprache mit Prof. Dahte brachte dieser u.a. zum Ausdruck, daß er zwei Personen verdächtigt, die als Hintermänner für die Vergiftungen in Frage kommen könnten und zwar sind dies:
1) [pseudonymisiert: Arnold Messner] - ca. 45 Jahre alt
[pseudonymisiert: M.] war bis vor ca. 3 Jahren im Dresdener Zoo als [anonymisiert] tätig, wurde aber dann vom Direktor entlassen. Er war dann beim Circus Aeros als [anonymisiert], wo er unter den Namen [anonymisiert] auftrat. Jetzt hält er sich in Westberlin auf und ist ohne Beschäftigung. Er soll ein sehr undurchsichtiger Mensch sein, dem auf Grund seiner Verärgerung unbedingt derartige Dinge zuzutrauen sind.
2) [anonymisiert], ehem. Pfleger im Tierpark, wohnt in Ahrensfelde, [anonymisiert].
[anonymisiert] ist ein sehr jähzorniger Mensch und wurde aus dem Tierpark entlassen, da er ständig diffamierende Meldungen über den Tierpark und Prof. Dahte verbreitete. Eine Tochter von ihm soll, an der Treskowallee [anonymisiert] wohnen.
Prof. Dahte brachte zum Ausdruck, daß er diesen Personen ohne weiteres zutraut, daß sie mit den Vergiftungen in Zusammenhang stehen.
Abschließend brachte Prof. Dahte zum Ausdruck, weiterhin mit allem Nachdruck an der Klärung der Vergiftungen zu arbeiten, da nämlich durch diese Vorkommnisse das Ansehen der Quarantänestation und damit des Tierparks in der Weltöffentlichkeit großen Schaden erleitet, der sich auch finanziell auswirken würde.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Der Überprüfungsvorgang war eine Vorgangsart von 1953 bis 1960; bei Verdacht einer "feindlichen Tätigkeit" gegen eine oder mehrere Personen gerichtet. Bei Verdachtsbestätigung sollte entweder eine Verhaftung oder die Überführung in einen Operativen Vorgang (Einzelvorgang, Gruppenvorgang) erfolgen. Überprüfungsvorgänge waren zentral in der Abt. XII zu registrieren; betroffene Personen und ihre Verbindungen waren in der zentralen Personenkartei (F 16), involvierte Organisationen in der zentralen Objektkartei (F 17) zu erfassen. 1960 wurde der Überprüfungsvorgang in die Vorgangsart Vorlauf Operativ überführt.
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Signatur: BArch, MfS, AOP, Nr. 17683/62, Bd. 1, Bl. 53-55
Als Ende der 50er Jahre im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde vermehrt Tiere mit Vergiftungsanzeichen starben, ermittelte das MfS gegen mehrere Tierpfleger. Um den Hauptverdächtigen zu überführen, nahm die Geheimpolizei Kontakt zu Tierpark-Direktor Heinrich Dathe auf.
Am 2. Juli 1955 öffnete der Tierpark auf dem Gelände des enteigneten Schlossparks Friedrichsfelde in Ost-Berlin seine Tore. Direktor wurde der Zoologe Heinrich Dathe, der den Tierpark bis 1990 leitete.
Die Entstehung des Tierparks war eng mit den politischen Entwicklungen der Nachkriegsjahre verknüpft: Der 1844 eröffnete und weltweit renommierte Berliner Zoologische Garten gehörte nach der Teilung zum Westteil der Stadt. Im Kontext des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz wollte die SED-Führung verhindern, dass die DDR auf diesem Gebiet ins Hintertreffen geriet. Mit dem Aufbau eines eigenen Tierparks erhoffte sie sich internationale Anerkennung der noch jungen DDR.
Als Schau- und Handelsobjekten kam den Tieren ein hoher Wert zu. Tierpark und Zoo versuchten sich auf diesem Gebiet gegenseitig zu übertrumpfen. Jeder wollte seinen Besucherinnen und Besuchern die exotischsten Exemplare präsentieren. Ein Großteil der Tiere für Ost-Berlin kam aus sozialistischen "Bruderstaaten" wie der Sowjetunion, China oder Vietnam.
Als politisch und volkswirtschaftlich bedeutendes Objekt war der Tierpark von Beginn an staatlicher Überwachung ausgesetzt. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ließ sich unter anderem über internationale Konferenzen im Tierpark und den Zustand der Tierhäuser im Winter berichten. In einzelnen Fällen ging es aber auch gezielt gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.
Ab April 1958 verendeten im Tierpark Friedrichsfelde vermehrt Tiere mit Vergiftungserscheinungen. Betroffen waren sowohl Tiere in den Gehegen als auch im Quarantänelager. Als die Todesfälle Anfang 1959 zunahmen, schaltete sich das MfS ein. Wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung legte die Stasi am 26. Februar 1959 einen Überprüfungsvorgang an. Darin ermittelte sie gegen mehrere Tierpfleger. Gerade in der Anfangszeit des Tierparks bedeutete der Verlust von zum Teil sehr wertvollen Tieren einen hohen Schaden. Außerdem drohte das Ansehen des Tierparks unter den Vorfällen zu leiden.
Die Ermittlungen fielen in den Zuständigkeitsbereich der MfS-Kreisdienststelle (KD) Lichtenberg, die sich direkt neben dem Tierpark befand. Durch Beobachtungen, Postüberwachung und den Einsatz geheimer Informatoren versuchte sie gemeinsam mit der Volkspolizei (VP), den Verantwortlichen für die Tiervergiftungen zu überführen.
Schon bald nahm die Geheimpolizei einen Hauptverdächtigen ins Visier: den 24-jährigen Günther Rabe (Name geändert), der ab 1. September 1955 als Tier-, später als Oberpfleger im Tierpark arbeitete.
Die Stasi informierte Tierpark-Direktor Dathe über die Ermittlungen und ihren Verdacht gegen Rabe. Wie aus einem Bericht der KD Lichtenberg hervorgeht, verfolgte sie dabei eine klare Strategie: Über Dathe erhielt der Tierpfleger den Auftrag, alle Auffälligkeiten bezüglich der Tiervergiftungen der VP zu melden. Außerdem sicherte das MfS ihm sein Vertrauen zu. So sollte sich Rabe in Sicherheit wiegen und leichtfertig einen Fehler begehen, der zu seiner Überführung führen würde.
1) Nach dieser Aussprache ist mit [pseudonymisiert: Rabe] sofort die Verbindung aufzunehmen und ein entsprechender Plan über die mit ihn zu führenden Gespräche auszuarbeiten, sowie entsprechende Beobachtungen zu organisieren. [handschriftliche Ergänzung: erl.]
2) Über die von Prof. Dahte geäußerten Verdächtigungen mit der VP sprechen, um von dort entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
[handschriftliche Ergänzung: wird im Maßnahmeplan berücksichtigt]
[Unterschrift: Geißler]
Leutnant
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Der Überprüfungsvorgang war eine Vorgangsart von 1953 bis 1960; bei Verdacht einer "feindlichen Tätigkeit" gegen eine oder mehrere Personen gerichtet. Bei Verdachtsbestätigung sollte entweder eine Verhaftung oder die Überführung in einen Operativen Vorgang (Einzelvorgang, Gruppenvorgang) erfolgen. Überprüfungsvorgänge waren zentral in der Abt. XII zu registrieren; betroffene Personen und ihre Verbindungen waren in der zentralen Personenkartei (F 16), involvierte Organisationen in der zentralen Objektkartei (F 17) zu erfassen. 1960 wurde der Überprüfungsvorgang in die Vorgangsart Vorlauf Operativ überführt.
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Bericht der KD Lichtenberg über Tiervergiftungen im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde Dokument, 10 Seiten
Gespräch mit einem Tierpfleger über eine zukünftige inoffizielle Zusammenarbeit Dokument, 1 Seite
Verpflichtungserklärung eines Tierpflegers Dokument, 1 Seite
Beschluss zur Entlassung eines Tierpflegers aus der Untersuchungshaft Dokument, 4 Seiten