Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, AKG, Nr. 4004, Bl. 47-50
Die Bezirksverwaltung der Stasi in Berlin ermittelte zusammen mit der Volkspolizei im Fall des Neonazi-Angriffs auf ein Punkkonzert in der Zionskirche.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Das vorliegende Dokument enthält neben Untersuchungsergebnissen des Skinhead-Überfalls auch konkrete Vorschläge für das Verfahren der ersten Hauptverhandlung gegen vier Beschuldigte am 27. November 1987. Der Prozess sollte demnach "vor geladener Öffentlichkeit" stattfinden. Außerdem sollten unter anderem Vertreter der Kirche, der Freien Deutschen Jugend (FDJ) sowie der FDJ-Zeitung "Junge Welt" eingeladen werden.
Ministerium für Staatssicherheit
Bezirksverwaltung Berlin
Fußtritten sowie Ellenbogenstößen gegen Veranstaltungsbesucher und Straßenpassanten vorgingen. Anschließend drangen mehrere "Skinheads" Anhänger mit den Ausrufen "Sieg heil", "Judensäue", "Kommunistenschweine", "Juden raus" in die Kirchenräume ein.
Durch Veranstaltungsteilnehmer wurden sie mit Gegenrufen "Nazis raus aus der Kirche hinausgedrängt. Dabei kam es zu Flaschenwürfen. Danach setzten sich die Tätlichkeiten auf dem Zionskirchplatz mit den Losungen "Haut den Judenschweinen in die Schnauze", "Heil Hitler" fort.
Mehrere Personen erlitten SchnittVerletzungen, Prellungen, Blutergüsse und Hautabschürfungen. Eine verletzte Person mußte in der CharitS medizinisch versorgt werden.
Die durch die Untersuchungsorgane geführten Verdachtsprüfungshandlungen bestätigten, daß am 17. Oktober 1987 von ca. 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr im HO Tanzcafe "Sputnik", Greifswalder Straße 204, Berlin, 1055, eine mit der Leitung dieser Gaststätte vereinbarte Geburtstagsfeier stattfand, an der ca. 50 "Skinheads"-Anhänger aus der Hauptstadt der DDR sowie den Kreisen Bernau und Fürstenwalde und ab ca. 18:00 Uhr 11 "Skinheads"-Anhänger aus Berlin (West) als geladene Gäste teilnahmen. Bei dieser Zusammenkunft wurden 2 Fässer Bier und weitere Spirituosen ausgeschenkt. Gegen 21:00 Uhr forderten einzelne bisher nicht identifizierte Personen aus Berlin (West) und der Hauptstadt der DDR im Zusammenhang mit Erlebnisberichten über stattgefundene Auseinandersetzungen zwischen "Skinheads"- und "Punk"-Anhängern dazu auf, noch am gleichen Abend gegen "Punk"-Anhänger mit Tätlichkeiten vorzugehen.
Ab 21:30 Uhr verließen ca. 30 "Skinheads"-Anhänger, darunter 2 bis 3 Personen aus Berlin (West), in mehreren Einzelgruppen das Tanzcafe "Sputnik" und begaben sich zielgerichtet, teils per Straßen- , bahn und teils zu Fuß, zum Zionskirchplatz, um bei der ihnen bekannten Punkmusikveranstaltung provokativ aufzutreten.
Auf der Grundlage der bisher geführten Ermittlungen erfolgte mit dem Ziel der Durchführung von Verdachtsprüfungshandlungen gemäß §§ 95 ff StPO die Zuführung von insgesamt 28 Personen, davon 26 männliche und 2 weibliche Personen, zum PdVP/K Berlin, Dezernat II.
Im Ergebnis der Verdachtsprüfungshandlungen wurden seitens des PdVP/K Berlin, Dezernat II in Abstimmung mit der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin ab 22. Oktober 1987 folgende differenzierte Entscheidungen zu den 28 DDR-Bürgern getroffen:
- Einleitung von Ermittlungsverfahren mit Haft gemäß § 215 (1) StGB: 7 Personen
- Einleitung von Ordnungsstrafverfahren gemäß § 4 OWVO: 8 Personen
- schriftliche Belehrungen: 13 Personen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Eine Zuführung ist eine polizeirechtliche Maßnahme der kurzzeitigen Freiheitsentziehung, wurde zunächst aus der polizeirechtlichen Generalklausel von § 14 des in der DDR bis 1968 geltenden Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1.6.1931 abgeleitet. Zuführungen von Personen konnten zur Feststellung der Personalien sowie "zur Klärung eines Sachverhalts" (Sachverhaltsprüfung) durchgeführt werden.
Seit 1968 bildete § 12 VP-Gesetz die Rechtsgrundlage für polizeirechtliche Zuführungen. Im Rahmen des strafprozessualen Prüfungsstadiums war auch eine Zuführung Verdächtiger zur Befragung nach § 95 Abs. 2 StPO/1968 als strafprozessuale Sicherungsmaßnahme zulässig. In beiden Fällen durfte die Zeitdauer 24 Stunden nicht überschreiten. Vom MfS wurden Zuführungen auch als taktisches Instrument genutzt. Sie konnten in eine Inhaftierung münden, aber auch zur Einschüchterung oder zur Anwerbung unter Druck genutzt werden.
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Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, AKG, Nr. 4004, Bl. 47-50
Die Bezirksverwaltung der Stasi in Berlin ermittelte zusammen mit der Volkspolizei im Fall des Neonazi-Angriffs auf ein Punkkonzert in der Zionskirche.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Das vorliegende Dokument enthält neben Untersuchungsergebnissen des Skinhead-Überfalls auch konkrete Vorschläge für das Verfahren der ersten Hauptverhandlung gegen vier Beschuldigte am 27. November 1987. Der Prozess sollte demnach "vor geladener Öffentlichkeit" stattfinden. Außerdem sollten unter anderem Vertreter der Kirche, der Freien Deutschen Jugend (FDJ) sowie der FDJ-Zeitung "Junge Welt" eingeladen werden.
Ministerium für Staatssicherheit
Bezirksverwaltung Berlin
Es ist vorgesehen, am 27. November 1987 um 8:30 Uhr vor der Strafkammer des Stadtbezirkes Berlin-Mitte im Saal 385 (49 Zuhörerplätze) gegen die Beschuldigten
1. Busse, Ronny
geboren am [anonymisiert] in [anonymisiert]
whft.: [anonymisiert]
[anonymisiert]
2. Ewert, Sven
geboren am [anonymisiert] in [anonymisiert]
whft.: [anonymisiert]
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3. Brandt, Torsten
geboren am [anonymisiert] in [anonymisiert]
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4. Brzezinski, Frank
geboren am [anonymisiert] in [anonymisiert]
whft.: [anonymisiert]
[anonymisiert]
[anonymisiert]
die gerichtliche Hauptverhandlung vor geladener Öffentlichkeit durchzuführen.
Für die Hauptverhandlung wird folgender Teilnehmerkreis vorgeschlagen:
- je 1 Vertreter der Abt. für Sicherheitsfragen, der Abt. Staat und Recht und der Kommission für Jugend und Sport der Bezirksleitung der SED Berlin
- 1 Vertreter des Zentralrates der FDJ
- 1 Vertreter der Bezirksleitung der FDJ Berlin
- je 1 Vertreter der Kreisleitung der FDJ Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Lichtenberg und Mitte
- 1 Vertreter der Abt. Innere Angelegenheiten des Magistrats von Berlin, Hauptstadt der DDR
- der Leiter des Sektors Kirchenfragen beim Magistrat von Berlin, Hauptstadt der DDR, Gen. Dr. Mußler
- je 1 Vertreter der Abt. Innere Angelegenheiten der Stadtbezirke Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Lichtenberg und Mitte
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
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Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, AKG, Nr. 4004, Bl. 47-50
Die Bezirksverwaltung der Stasi in Berlin ermittelte zusammen mit der Volkspolizei im Fall des Neonazi-Angriffs auf ein Punkkonzert in der Zionskirche.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Das vorliegende Dokument enthält neben Untersuchungsergebnissen des Skinhead-Überfalls auch konkrete Vorschläge für das Verfahren der ersten Hauptverhandlung gegen vier Beschuldigte am 27. November 1987. Der Prozess sollte demnach "vor geladener Öffentlichkeit" stattfinden. Außerdem sollten unter anderem Vertreter der Kirche, der Freien Deutschen Jugend (FDJ) sowie der FDJ-Zeitung "Junge Welt" eingeladen werden.
Ministerium für Staatssicherheit
Bezirksverwaltung Berlin
- je 1 verantwortlicher Offizier des Stabes der VPI'en Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Lichtenberg, Mitte
- 8 Mitarbeiter der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin
- 10 FDJler der GO der FDD des PdVP Berlin
- 4 Vertreter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg
- den Superintendenten Görig
- den Stadtjugendpfarrer Hülsemann
- den Pfarrer der Zionsgemeinde Simon
- das Mitglied des Gemeindekirchenrates der Zionsgemeinde Ruth Wiedemann
- 1 Vertreter der "Jungen Welt" zur Berichterstattung.
Bei Einverständnis wird vorgeschlagen, den genannten Teilnehmerkreis über den Generalstaatsanwalt von Berlin, Hauptstadt der DDR, einzuladen.
Hinsichtlich der Teilnehmer der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg wird vorgeschlagen, deren Einladung über den Leiter des Sektors für Kirchenfragen beim Magistrat von Berlin, Hauptstadt der DDR, Dr. Mußler, vornehmen zu lassen.
Des weiteren wird vorgeschlagen,
- durch den die Anklage vertretenden Staatsanwalt noch im Anschluß an die gerichtliche Hauptverhandlung mit dem Teilnehmerkreis eine Auswertung durchzuführen. Diese soll anregen, wirksame vorbeugende Maßnahmen zur Zurückdrängung dieser Erscheinungsform des Rowdytums in den Verantwortungsbereichen der Teilnehmer durchzusetzen.
- über die Ergebnisse der gerichtlichen Hauptverhandlung eine Presseveröffentlichung anzuregen. Darüber hinaus wird die Veröffentlichung eines umfassenden Beitrages in der Rubrik Gerichtsbericht der "Jungen Welt" empfohlen.
Verteiler
Mitglied des Politbüros und
Sekretär des Zentralkomitees der SED,
1. Sekretär der Bezirksleitung Berlin der SED,
Genosse Günter Schabowski
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
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Information der BV Berlin zum Neonazi-Überfall auf ein Punkkonzert in der Zionskirche Dokument, 5 Seiten
Information über eine Feier von Skinheads in der Gaststätte "Sputnik" Dokument, 1 Seite
Einschätzung der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin Abteilung IX zum OV "Konzert" Dokument, 3 Seiten
Einschätzung über die in der DDR existierenden Skinheads Dokument, 13 Seiten