Information über den Besuch Kennedys in der Bundesrepublik und West-Berlin
Signatur: BStU, MfS, HV A, Nr. 198, Bl. 30-37
Als US-Präsident John F. Kennedy im Juni 1963 West-Berlin besuchte, beschäftigte dies auch die DDR-Führung. Die Stasi informierte sich ausführlich über Details und Hintergründe des Aufenthalts.
Am 26. Juni 1963 besuchte der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy West-Berlin. Anlass war der 15. Jahrestag der Berliner Luftbrücke. Im Mittelpunkt des Besuchs stand eine gemeinsame Fahrt mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und Berlins Regierendem Bürgermeister Willy Brandt im offenen Wagen durch die westliche Stadthälfte. Dabei säumten etwa zwei Millionen Menschen jubelnd die Straßen, um den amerikanischen Präsidenten in Empfang zu nehmen. Die anschließende Rede Kennedys vor dem Schöneberger Rathaus gipfelte in seinen berühmten Ausspruch "Ich bin ein Berliner".
Das Bekenntnis des US-Präsidenten zur Enklave West-Berlin als einer vor dem Kommunismus zu verteidigenden freien Stadt war während des Kalten Krieges von besonderer Bedeutung für die westliche Welt. Die DDR-Führung befürchtete Aufruhr in Ost-Berlin und verhängte das Brandenburger Tor vorsorglich mit Sichtblenden, um einen freien Blick über die Mauer auf John F. Kennedy zu verhindern. Bereits im Vorfeld des angekündigten Besuchs wurde die Staatssicherheit aktiv, um Sympathiebekundungen für Kennedy in Ost-Berlin und potentielle Grenzübertritte zu verhindern.
Das vorliegende Dokument enthält Informationen zum voraussichtlichen Ablauf von Kennedys Besuch in der geteilten Stadt. Die Stasi wertete hierfür auch Aussagen westdeutscher Politiker aus. So soll der West-Berliner Bürgermeister Willy Brandt die Einladung von Kennedy zunächst ohne Beteiligung von Bundeskanzler Konrad Adenauer geplant haben.
Metadaten
- Urheber:
- MfS
- Datum:
- April bis Juni 1963
- Rechte:
- BStU
Die Differenzen zwischen der Westberliner CDU und der CDU/CSU in Bonn sowie zwischen der SPD und der CDU haben sich im Zusammenhang mit den Besuch Kennedys verschärft. Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, wird von Amrehn das Drängen Adenauers, während des Kennedy-Besuchs ebenfalls in Westberlin zu sein, sehr kritisch betrachtet. Amrehn befürchtet Auseinandersetzungen innerhalb der Westberliner CDU, die nach der Rückkehr Adenauers nach Bonn wieder bei ihm (Amrehn) hängen bleiben würden.
Der Bundesvorstand der CDU hat nach internen Angaben sehr darauf gedrängt, daß Adenauer Kennedy in Westberlin empfängt und begleitet. Es kam der CDU-Führung darauf an, daß Adenauer im Hinblick auf die innenpolitische Entwicklung in Westdeutschland und die nächsten Bundestagswahlen den gleichen propagandistischen Nutzen aus dem Kennedy-Besuch in Westberlin ziehen kann wie Brandt.
Die Kreise der CDU/CSU, die auf eine baldige Ablösung Adenauers drängen, setzen andererseits große Hoffnungen auf den bevorstehenden Besuch Kennedys. Sie vertreten die Auffassung, daß Kennedy durch sein Auftreten diese Kreise faktisch in ihrem Bestreben, Adenauer baldmöglichst abzulösen, unterstützen würde.
Führende Bonner und Westberliner Kreise versuchen den Kennedy-Besuch zu stärkeren Provokationen gegenüber der DDR auszunutzen. Wie von einer glaubwürdigen Quelle berichtet wurde, soll der Auslandskorrespondent einer führenden Westberliner Zeitung in einem geplanten Interview u.a. nachfolgende provokatorische Fragen behandeln:
- Soll der (West)Berlin-Besuch Kennedys auch den Status Berlins als deutsche Hauptstadt unterstreichen?
- Sieht die amerikanische Regierung Möglichkeiten, um den "Morden" an der Berliner Mauer Einhalt zu gebieten?
- Warum hat die amerikanische Regierung von Tagungen des Bundestages in (West)Berlin abgeraten, obwohl die "ostzonale" Volkskammer ständig ihre Sitzungen in "Ostberlin" durchführt?