Signatur: BArch, MfS, VRD, Nr. 1692, Bl. 66-68
In direkter Nachbarschaft zur ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg liegt bis heute das Hans-Zoschke-Stadion, die Heimat des Sportvereins SV Lichtenberg 47. Mitte der 70er Jahre war das Stasi-Areal bereits eng bebaut - trotzdem benötigte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) immer mehr Platz und plante, die Lichtenberger Zentrale auf das Gelände des angrenzenden Stadions auszudehnen. Doch eine Übernahme war nicht ohne Weiteres möglich.
Bereits seit Mitte der 70er Jahre zeigte das MfS großes Interesse daran, das Gelände des Hans-Zoschke-Stadions im Zuge baulicher Erweiterungen der Stasi-Zentrale zu übernehmen. Mittlerweile war der Hauptsitz des MfS zu einem riesigen Areal von über fünf Hektar angewachsen. Seit 1979 kam nördlich des Fußball-Stadions, an der Gotlindestraße gelegen, ein neu errichteter Gebäudekomplex hinzu (Häuser 40 bis 49). Dieses Teilobjekt Gotlindestraße hatte keine direkte Verbindung zum Hauptareal. Getrennt waren die beiden Objekte nur durch das Hans-Zoschke-Stadion, wo die Fußballer von Lichtenberg 47 ihre Heimspiele austrugen.
Das Stadion war der Stasi deshalb ein Dorn im Auge. Laut MfS verhinderte es die Schaffung eines in sich geschlossenen Dienstobjekts. Dies war für die Stasi einerseits aus Sicherheitsgründen problematisch, da das Stadion zwischen den beiden Teilobjekten die Objektsicherung sowie den Transport von dienstlichen Unterlagen erschwerte. Zum anderen plante die Stasi das Hans-Zoschke-Stadion und sein Gelände für den eigenen Dienstsport zu nutzen. Deshalb bereitete die Verwaltung Rückwärtige Dienste der Stasi (VRD) die Übernahme des Stadions vor, was sich jedoch problematisch gestaltete.
Denn am 30. Juni 1982 hatte der Magistrat, die oberste Verwaltungseinheit Ost-Berlins, den Beschluss Nr. 275/82 gefasst. Er legte fest, dass eine Inanspruchnahme von Sportobjekten im Stadtgebiet nur dann erfolgen kann, wenn zum Zeitpunkt der Beanspruchung eine adäquate nutzungsfähige Ersatzanlage zur Verfügung steht. Die Stasi konnte den Sportverein also nicht einfach aus dem Hans-Zoschke-Stadion verbannen ohne ihm eine alternative Sportstätte anzubieten.
So scheiterte die Stadionübernahme durch die Stasi bis zum Ende der Geheimpolizei. Die Suche nach einer Alternativspielstätte für die Fußballer war erfolglos geblieben, da es im Ost-Berlin der späten 70er und frühen 80er schlicht zu wenige Sportplätze gab. Auch ein Stadionneubau war aufgrund von Planrückständen und knappen Baukapazitäten bis zum Mauerfall unmöglich. So ist der SV Lichtenberg 47 bis heute im Hans-Zoschke-Stadion zu Hause.
Im vorliegenden Schreiben vom 8. Februar 1979 schlug die Stasi den Bau eines neuen Sportkomplexes an der Lichtenberger Herzbergstraße als neue Heimat für die Lichtenberger Fußballer vor. Ein dort befindliches Jugendlager sollte dafür in die Wuhlheide verlegt werden. Das MfS plante zudem, den Fußballverein finanziell am Neubau eines Stadions an der Herzbergstraße zu beteiligen.
Ministerium für Staatssicherheit
Verwaltung Rückwärtige Dienste
Leiter
Genossen Oberst Müller
Rückwärtige Dienste
Leiter
schi-mei; 8. Februar 1979
Werter Genosse Oberst!
In Erfüllung Ihres Auftrages wurden Informationen über die Nutzung des [unterstrichen: Hans-Zoschke-Stadions] eingeholt.
Nach dem mir gegebenen Informationen wird das Hans-Zoschke-Stadion ausschließlich durch die Sportgemeinschaft EAB Lichtenberg 47 genutzt.
Diese Sportgemeinschaft wird durch den DTSB der DDR Kreis- und Bezirksvorstand Berlin in ihren Positionen gestützt. Die Sportgemeinschaft EAB Lichtenberg 47 beabsichtigt, ein Sportheim auf dem Gelände des Hans-Zoschke-Stadions als Investitionsvorhaben zu errichten.
Es muß jedoch eingeschätzt werden, daß die gesamte Stadionanlage insgesamt unzweckmäßig gestaltet ist, keine Erweiterung zuläßt und als Stadion dieser Größenordnung nicht ausgelastet wird. Dieses bewiesen u. a. die geringen Zuschauerzahlen.
Bei einer möglichen Inanspruchnahme des Hans-Zoschke-Stadions werden echte Probleme erwartet, da es nach gewissenhafter Prüfung nicht möglich ist, auf Sportplätze anderer Stadtbezirke auszuweichen.
In Berlin wurden seit 1945 die Anzahl der Sportplätze um 30 reduziert, davon allein im Stadtbezirk Lichtenberg in den letzten 3 Jahren um 6 Sportplätze. Hier besteht auch ein direkter Zusammenhang zum Bau des Stadtbezirkes Berlin-Marzahn.
Es soll einen Beschluß des Magistrat von Berlin geben der besagt, daß Sportplatzverlagerungen erst dann realisiert werden können, wenn Ersatz geschaffen wurde.
Die Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD) entstand 1974 aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten sowie der Abteilung Finanzen. Ihre Aufgaben waren die materiell-technische Sicherstellung der Arbeit der MfS-Diensteinheiten, insbesondere durch Planung und Bereitstellung des materiellen Bedarfs, Bestands- und Lagerhaltung sowie der Bilanzierung.
Dazu gehörten auch Sicherungsaufgaben zur Unterbindung jedweder Feindtätigkeit im Anleitungsbereich, vor allem in Betrieben im bzw. beim MfS sowie Erfassung, Lagerung und Verteilung und Verwertung der in den Diensteinheiten des MfS angefallenen Asservate mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, Schmuck und Edelmetallen.
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Signatur: BArch, MfS, VRD, Nr. 1692, Bl. 66-68
In direkter Nachbarschaft zur ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg liegt bis heute das Hans-Zoschke-Stadion, die Heimat des Sportvereins SV Lichtenberg 47. Mitte der 70er Jahre war das Stasi-Areal bereits eng bebaut - trotzdem benötigte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) immer mehr Platz und plante, die Lichtenberger Zentrale auf das Gelände des angrenzenden Stadions auszudehnen. Doch eine Übernahme war nicht ohne Weiteres möglich.
Bereits seit Mitte der 70er Jahre zeigte das MfS großes Interesse daran, das Gelände des Hans-Zoschke-Stadions im Zuge baulicher Erweiterungen der Stasi-Zentrale zu übernehmen. Mittlerweile war der Hauptsitz des MfS zu einem riesigen Areal von über fünf Hektar angewachsen. Seit 1979 kam nördlich des Fußball-Stadions, an der Gotlindestraße gelegen, ein neu errichteter Gebäudekomplex hinzu (Häuser 40 bis 49). Dieses Teilobjekt Gotlindestraße hatte keine direkte Verbindung zum Hauptareal. Getrennt waren die beiden Objekte nur durch das Hans-Zoschke-Stadion, wo die Fußballer von Lichtenberg 47 ihre Heimspiele austrugen.
Das Stadion war der Stasi deshalb ein Dorn im Auge. Laut MfS verhinderte es die Schaffung eines in sich geschlossenen Dienstobjekts. Dies war für die Stasi einerseits aus Sicherheitsgründen problematisch, da das Stadion zwischen den beiden Teilobjekten die Objektsicherung sowie den Transport von dienstlichen Unterlagen erschwerte. Zum anderen plante die Stasi das Hans-Zoschke-Stadion und sein Gelände für den eigenen Dienstsport zu nutzen. Deshalb bereitete die Verwaltung Rückwärtige Dienste der Stasi (VRD) die Übernahme des Stadions vor, was sich jedoch problematisch gestaltete.
Denn am 30. Juni 1982 hatte der Magistrat, die oberste Verwaltungseinheit Ost-Berlins, den Beschluss Nr. 275/82 gefasst. Er legte fest, dass eine Inanspruchnahme von Sportobjekten im Stadtgebiet nur dann erfolgen kann, wenn zum Zeitpunkt der Beanspruchung eine adäquate nutzungsfähige Ersatzanlage zur Verfügung steht. Die Stasi konnte den Sportverein also nicht einfach aus dem Hans-Zoschke-Stadion verbannen ohne ihm eine alternative Sportstätte anzubieten.
So scheiterte die Stadionübernahme durch die Stasi bis zum Ende der Geheimpolizei. Die Suche nach einer Alternativspielstätte für die Fußballer war erfolglos geblieben, da es im Ost-Berlin der späten 70er und frühen 80er schlicht zu wenige Sportplätze gab. Auch ein Stadionneubau war aufgrund von Planrückständen und knappen Baukapazitäten bis zum Mauerfall unmöglich. So ist der SV Lichtenberg 47 bis heute im Hans-Zoschke-Stadion zu Hause.
Im vorliegenden Schreiben vom 8. Februar 1979 schlug die Stasi den Bau eines neuen Sportkomplexes an der Lichtenberger Herzbergstraße als neue Heimat für die Lichtenberger Fußballer vor. Ein dort befindliches Jugendlager sollte dafür in die Wuhlheide verlegt werden. Das MfS plante zudem, den Fußballverein finanziell am Neubau eines Stadions an der Herzbergstraße zu beteiligen.
Dieser Grundsatz wurde erneut auf der Sportaktivtagung der Bezirksleitung Berlin unserer Partei vom 17.01.1979 bekräftigt.
Eine stabile Endlösung bei Inanspruchnahme des Hans-Zoschke-Stadions bietet sich an, wenn in der Herzbergstraße des Stadtbezirkes Lichtenberg ein neuer Sportkomplex entsteht.
Gegenwärtig werden dort ein Sportplatz und weitere Flächen, die sich für Sportstätten eignen, zweckentfremdet genutzt, da ein Jugendlager errichtet wurde, welches gemäß dem Beschluß des Magistrat bis 1980 bestehen bleibt.
Zur Verlagerung des Jugendlagers ist ein geschlossenes Gelände notwendig. Da in den nächsten Monaten in der Berliner Wuhlheide ein weiteres Jugendlager entsteht, dort weitgehend erschlossenes Gelände vorhanden ist, könnte eine Verlagerung des Jugendlagers dorthin erfolgen.
Damit würde ein ehemals für Sportzwecke genutztes Gelände für diesen Zweck zurückgewonnen und könnte durch geeignete Rekonstruktions- und Erweiterungsmaßnahmen zu einem neuen Sportkomplex entwickelt werden.
Bei diesem Standort handelt es sich um ein traditionsreiches Gelände der Berliner Sportbewegung, welches für den Nutzer des Hans-Zoschke-Stadions, EAB Lichtenberg 47, entsprechend erweitert werden sollte.
Hierzu erscheint es zweckmäßig, mit dem Sportstättenbetrieb Berlin entsprechende Absprachen zu treffen und eine Konzeption zur Realisierung aller im Zusammenhang stehenden Probleme zu erarbeiten.
Rechtsträger des Sportkomplexes Herzbergstraße ist der Sportstättenbetrieb Berlin, der ohnehin nach 1980 bei planmäßiger Auflösung des Jugendlagers Rekonstruktionsarbeiten zur Nutzung als Sportstätte durchführen müßte.
Bei dem Gelände Herzbergstraße handelt es sich um einen erschlossenen Standort, der durch mögliche Erweiterungen zu dem genannten Sportkomplex entwickelt werden könnte.
Sportplätze im Stadtbezirk Lichtenberg sind durch die verschiedensten Sportgemeinschaften sehr hoch frequentiert.
Das Stadion "1. Mai" wurde zum Beispiel durch Beschluß des Magistrat das Stadion der Berliner Wohnungsbauer und untersteht nicht dem Sportstättenbetrieb Berlin.
Eine andere Erweiterungsmöglichkeit, die jedoch keine so günstige Lösung bietet, ist noch in der Bornitzstraße gegeben.
Aufgrund der vorgenannten Informationen wird empfohlen:
1. eine Konzeption für den Sportkomplex Herzbergstraße durch den Sportstättenbetrieb Berlin erarbeiten zu lassen;
2. das Jugendlager Herzbergstraße in die Wuhlheide zu verlagern;
Die Verwaltung Rückwärtige Dienste (VRD) entstand 1974 aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten sowie der Abteilung Finanzen. Ihre Aufgaben waren die materiell-technische Sicherstellung der Arbeit der MfS-Diensteinheiten, insbesondere durch Planung und Bereitstellung des materiellen Bedarfs, Bestands- und Lagerhaltung sowie der Bilanzierung.
Dazu gehörten auch Sicherungsaufgaben zur Unterbindung jedweder Feindtätigkeit im Anleitungsbereich, vor allem in Betrieben im bzw. beim MfS sowie Erfassung, Lagerung und Verteilung und Verwertung der in den Diensteinheiten des MfS angefallenen Asservate mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, Schmuck und Edelmetallen.
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