Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 13782, Bl. 14
Die Information, dass 1984 eine Konzert-Tournee Lindenbergs durch die DDR stattfinden sollte, verärgerte den Generaldirektor der DDR-Künstleragentur. Gegenüber einem Stasi-Offizier äußerte er sich abfällig über den Musiker.
Seit den Siebziger Jahren bemühte sich Udo Lindenberg um einen Gastauftritt in der DDR, wo er sich großer Beliebtheit erfreute. Der SED-Führung war der "mittelmäßige Schlagersänger der BRD" allerdings suspekt. Als Lindenberg im Februar 1983 das Lied "Sonderzug nach Pankow" veröffentlichte und darin einen Auftritt im Osten Deutschlands forderte, fühlten sich die Mächtigen in Ostberlin provoziert. Honecker, im Text mit reichlich Ironie bedacht, ließ das Lied verbieten.
Am 25. Oktober 1983 gab Udo Lindenberg dennoch ein Konzert im Palast der Republik vor ausgesuchten FDJ-Mitgliedern. Im Vorfeld war Lindenberg eine Konzerttournee durch die DDR für 1984 zugesagt worden. Als der Generaldirektor der DDR-Künstler-Agentur, Falk, davon erfuhr, reagierte er sehr verärgert. Er wäre für die Organisation der Tour verantwortlich gewesen und fühlte sich offenbar übergangen. Gegenüber einem Stasi-Hauptmann äußerte er starke Bedenken gegenüber Lindenberg.
Hauptabteilung XX/7
Berlin, 27.10.1983
Information
Der Generaldirektor der Künstleragentur der DDR, Genosse Falk, Hermann äußerte sich in einem persönlichen Gespräch gegenüber Unterzeichner sehr ärgerlich darüber, daß der Rocksänger aus der BRD, Udo Lindenberg, in der Hauptstadt der DDR Berlin Auftrittsmöglichkeiten erhielt. Genosse Falk frage sich ernsthaft, ob diese "weiche Welle" gegenüber solchen Subjekten wie Lindenberg offizielle Kulturpolitik sein könne. Dieser "Chaote", erklärte Falk weiter, reiche bestenfalls dazu aus, die negativen Kräfte unter der Jugend zu mobilisieren und zu aktivieren. Lindenberg sei für ihn der Inbegriff einer dekadenten, von uns in jeder Beziehung abzulehnenden Kulturrichtung, sofern man da überhaupt von Kultur sprechen kann. Falk hält es für politisch unverantwortlich, wenn Lindenberg 1984 eine Tournee durch die DDR durchführen wird. An die Folgen wagt er gar nicht zu denken.
Auch wenn sich Genosse Falk damit in gegensätzlicher Auffassung zu unserer Politik befindet, betrachtet er die Anwesenheit und das Auftreten einer solchen Person bei uns in der DDR als eine Beleidigung anderer engagierter Künstler.
Schönfelder
Hptm.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Brief des Generaldirektors der Künstler-Agentur an den Minister für Kultur Dokument, 1 Seite
IM-Bericht über Meinungen zum Lindenberg-Konzert in Ost-Berlin Dokument, 1 Seite
IM-Bericht über den Kartenverkauf für das Lindenberg-Konzert in Ost-Berlin Dokument, 1 Seite
Zutrittskarte für das Udo-Lindenberg-Konzert am 25.10.1983 Dokument, 1 Seite