Signatur: BStU, MfS, HA XX, ZMA, Nr. 20037, Bl. 74
Ein Zuträger der Hauptabteilung VII berichtet über Diskussionen mit Jugendlichen über Udo Lindenberg und sein Konzert im Palast der Republik.
Im Oktober 1983 erhielt der westdeutsche Musiker Udo Lindenberg nach lange vergeblichem Bemühen die Genehmigung für ein Gastspiel in der DDR. Lindenberg durfte im Rahmen eines so genannten "Friedenskonzerts" der FDJ auftreten, für das nur ideologisch verlässliche Jugendliche Karten erhielten. Die Stasi beobachtete rund um das Konzert genau, was dazu in der Bevölkerung vorging.
In dieser Information berichtet ein Informant der Hauptabteilung VII aus der Komischen Oper über Diskussionen mit Jugendlichen zur Kartenvergabe für das Konzert. Ganz persönlich ist seine Einschätzung, warum die Jugendlichen Lindenberg verehren. Seine Friedenslieder fänden keine Beachtung, viel wichtiger sei, dass Lindenberg "eben singt und gegen uns auftritt".
[handschriftliche Ergänzung: HA VII v. 28.10.83]
Information zur Teilnahme des U. Lindenberg am 25.10.83 im Palast der Republik, am Friedenskonzert
Aus dem Bereich der Komischen Oper erinnerten sich viele Jugendliche, die sonst mit der FDJ nichts zu tun haben wollen daran, daß es ja eine GO der FDJ im Hause gibt. Wir wurden mehrfach nach Karten für dieses Friedenskonzert angesprochen. Unter diesen Personenkreis befanden sich auch viele Jugendliche, die nicht mehr in der FDJ sind.
Die FDJ-Leitung des Hauses mußte diesen Jugendlichen darlegen, daß die GO der KO keine Karten für dieses Konzert erhalten hat, da wahrscheinlich bei solchen Sachen kleinere GO, wie es die KO ist, von der FDJ-KL nicht berücksichtigt wird. Dieses fand bei den meisten Verständnis.
Wie ich nicht nur bei Diskussionen mit Jugendlichen der KO feststellen konnte, sondern auch auf den Diskotheken die ich mache, wollen die meisten nur Karten haben, weil dort ebend der U. Lindenberg auftritt und nicht weil es eine Sache ist, die sich gegen den Natoraketenbeschluß richtet.
Während der Diskoveranstaltungen finden dazu schon solche Diskussionen statt. Sie wünschen sich Titel von U. L. Wenn ihnen dann mitgeteilt wird, daß so etwas nicht gespielt wird, kommen sie dann mit den Argumenten, wieso denn, der tritt doch sogar im Palast der Republik auf und eine Platte gibt es doch auch von dem, bei uns. So sah ich mich am letzten Wochenende gezwungen, meinen Standpunkt den Jugendlichen dazu einmal mitzuteilen. Mein Standpunkt besteht aus den Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit mit Jugendlichen bei Diskotheken gewonnen habe. Viele der Jugendlichen stehen nur auf den U. L. weil er gegen unsere Gesellschaft mit einigen Titeln populärer geworden ist. Das U. L. damit also eine Konterstellung zu unserem Staat herstellt. Denn viele denken überhaupt nicht darüber nach, was er singt sondern nur, daß er eben singt und gegen uns auftritt.
Das beweist sich auch daran, daß sein Friedenslied "Wozu sind Kriege da" bei den meisten Fans überhaupt nicht anerkannt bzw. gewünscht wurde, dagegen der "Sonderzug nach Pankow" euphorische Stimmungen bei den Jugendlichen hervorgerufen hat.
Im Bezug auf das Konzert wind viele Jugendliche nun gespannt, wie er sich nun dort verhalten wird, da er ja noch eine DDR-Tournee machen möchte. Denn viele sind der Meinung, wenn er jetzt Äußerungen gegen die DDR machen wird, kann er seine Tournee vergessen.
Die meisten Kollegen der KO sind der Meinung, daß unser Staat durch die Genehmigung des Auftrittes, Toleranz gezeigt hat und vielen Leuten, gerade in der BRD und auch in der DDR den Wind aus den Segeln genommen hat, weil sie der Meinung waren, aufgrund des "Sonderzuges" werde jetzt U. L. der Auftritt in der DDR verweigert.
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Die ZMA dienten der Schriftgutverwaltung operativer Diensteinheiten. Sie wurden überwiegend personenbezogen geführt und entstanden im Kontext der Erfassung auf Kerblochkarten (KK) bzw. Sichtlochkarten (SLK) sowie vor allem in Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskarteien (VSH).
In ZMA wurden Vermerke und zusammengetragene Unterlagen (sog. sogenannte "Originalinformationen") verwahrt. Der Zugang fand über die o. g. Karteien (KK, SLK, VSH) statt. ZMA waren zu meist als Hängeregistraturen mit numerischer Ablage organisiert. ZMA über Personen, die nicht zu einem registrierten Vorgang (Registrierung) geführt hatten, für die operative Arbeit nicht mehr benötigt, aber als bedeutsam betrachtet wurden (z. B. Ergebnisse aus Sicherheitsüberprüfungen), kamen in der Abteilung XII als "Archiviertes Material über Personen" (Personenablage, Allgemeine/AP) zur Ablage.
Information über die Reaktionen der Bevölkerung zum Auftritt Udo Lindenbergs in der DDR Dokument, 1 Seite
Information zur Reaktion des Publikums während des Konzerts von Udo Lindenberg Dokument, 1 Seite
Udo Lindenberg bei seinem Konzert am 25.10.1983 im Palast der Republik 1 Fotografie
Information über Diskussionen unter FDJ-Mitgliedern Dokument, 1 Seite