Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 17404, Bl. 2-5
Die Positionen des Neuen Forums fanden innerhalb der Bevölkerung allgemeine Zustimmung. Aus einer parteiinternen "Information" bezogen Stasi-Mitarbeiter unter anderem Argumente gegen die Oppositionsgruppe.
Am 9. September gründete sich das Neue Forum in Grünheide bei Berlin. Einen Tag später veröffentlichte die Gruppe einen Gründungsaufruf, in dem sie die gestörte Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft sowie eine Reihe konkreter Missstände in der DDR kritisierte. Einige Tage später beantragte das Neue Forum die Zulassung als Vereinigung, welche durch das Ministerium des Inneren (MdI) umgehend abgelehnt wurde. Als Begründung dafür verwies das MdI lediglich auf den angeblich verfassungsfeindlichen Charakter der Vereinigung, ohne sich mit konkreten Inhalten auseinanderzusetzen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in der DDR-Gesellschaft ein genereller Wandel vollzogen. Spätestens im Oktober 1989 fanden die Forderungen des Neuen Forums allgemeine Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. Aus einer parteiinternen "Information" bezogen Stasi-Mitarbeiter Argumente gegen das Neue Forum an die Hand. Durch die Arbeit des Neuen Forums werde der "sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern unerträglich diffamiert".
Bei dem vorliegenden Dokument handelt es sich um die letzte Nummer der parteiinternen "Informationen". Die Reihe wurde seit 1968 von der Abteilung Agitation des Zentralkomitees der SED herausgegeben und ging an die Grundorganisationen bzw. Abteilungsparteiorganisationen der SED, die sich auch im Ministerium für Staatssicherheit wiederfanden.
dem gesellschaftlichen Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln beruhende Planwirtschaft in Frage gestellt und einer "sozialen Marktwirtschaft", also kapitalistischer Profitwirtschaft, das Wort geredet.
Dies wird zugleich mit der Abschaffung der führenden Rolle der Partei, der Bildung pluralistischer Strukturen in der gesamten Gesellschaft und weiteren, auf die Untergrabung der Arbeiter-und-Bauern-Machtzielenden Forderungen verbunden.
Es kann wohl auch kein Zufall sein, daß im Gründungsaufruf für eine "Umgestaltung der Gesellschaft" plädiert, aber keinerlei Bezug auf ihren sozialistischen Charakter genommen wird. Ja, das Wort Sozialismus oder sozialistisch sucht man in diesem Papier vergeblich. Sollen wir derartigem Gedankengut etwa "Pressefreiheit" gewähren?
Die erklärten Forderungen und die Praxis des "Neuen Forum" stehen im Widerspruch zu den Grundwerten und politischen Grundlagen des Sozialismus in der DDR, wie sie in der mit Volksentscheid 1968 angenommenen [unleserlich durch Lochung des Papiers]erfassung ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Darauf begründet sich seine Nichtzulassung.
Der antisozialistische Charakter des "Neuen Forum" wird auch dadurch verdeutlicht, daß seine Organisatoren im direkten Zusammenspiel mit führenden Vertretern der Bonner Regierung, politischen Parteien und Medien der BRD und Westberlins-also einer fremden Macht-handeln. Dafür spricht, daß noch vor dem Antrag auf Zulassung beim Ministerium des Innern, der am 22. September 1989 mit Datum vom 19.September 1989 gestellt wurde, bereits am 13.September 1989 der Gründungsaufruf in die großbürgerliche "Frankfurter Rundschau" lanciert worden war. Flankierend dazu gaben Gründungsmitglieder, wie Bärbel Bohley und Rolf Henrich, Interviews, zum Teil per Telefon, für verschiedene westliche Hörfunk- und Fernsehsender. Grundtenor ihres Auftretens war die Absicht, ungeachtet einer erwarteten Nichtzulassung als Vereinigung durch den Staat ihre Aktivitäten fortzuführen.
Noch unverhohlener in ihrer antisozialistischen und konterrevolutionären Programmatik und ihrem verfassungsfeindlichen Handeln sind solche Gruppierungen wie die Sammlungsbewegung "Demokratischer Aufbruch" und die bezeichnenderweise am 7. Oktober - am 40. Jahrestag der DDR - im Untergrund gebildete "Sozialdemokratische Partei". Unter einer "umgestalteten Gesellschaft" und einer "erneuerten demokratischen Republik" verstehen sie:
- die "Pluralisierung der Eigentumsformen",
- die Aufgabe "der Fiktion des Volkseigentums",
- die "Gründung neuer Parteien mit konzeptionellen Alternativen",
- eine "soziale Marktwirtschaft mit Monopolverbot",
- die Beseitigung der führenden Rolle der SED mit der Begründung der "Aufhebung des Machtmonopols der Partei".
So weisen es ihre Dokumente aus.
Diese Gruppierungen, die aus gutem Grund die Öffentlichkeit in der DDR meiden und wohlweislich bisher keinen Antrag auf Zulassung gestellt haben, wirken ebenfalls außerhalb von Recht und Gesetz und daher illegal. Wer ihnen seine Sympathie bekundet, muß wissen, worauf er sich einläßt.
Für Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit zuständige zentrale Diensteinheit, 1955 aus der Abteilung Allgemeines ausgegründet. Sie sorgte für die Erarbeitung von Ausstellungen, Printpublikationen und Filmen zur Tätigkeit des MfS sowie für die Platzierung solcher Themen in den DDR-Medien. Die Abt. stand unter der Leitung von Gustav Borrmann (1955–1957), Günter Halle (1957–1975) und Helmut Bechert (1975–1985). Sie verfügte 1960 über 26, 1970 über 69 und 1985 über 76 Mitarbeiter. 1972–1983 war der Arbeitsbereich, der für die Zusammenarbeit mit betrieblichen Arbeitskollektiven, Schulen und Grenzgemeinden sowie die sog. Patenschaftsarbeit zuständig war, unter der Leitung von Gerhard Kehl als Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen (AÖV) zeitweise ausgegliedert. 1985 wurde der Aufgabenbereich der Abteilung als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert.
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Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 17404, Bl. 2-5
Die Positionen des Neuen Forums fanden innerhalb der Bevölkerung allgemeine Zustimmung. Aus einer parteiinternen "Information" bezogen Stasi-Mitarbeiter unter anderem Argumente gegen die Oppositionsgruppe.
Am 9. September gründete sich das Neue Forum in Grünheide bei Berlin. Einen Tag später veröffentlichte die Gruppe einen Gründungsaufruf, in dem sie die gestörte Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft sowie eine Reihe konkreter Missstände in der DDR kritisierte. Einige Tage später beantragte das Neue Forum die Zulassung als Vereinigung, welche durch das Ministerium des Inneren (MdI) umgehend abgelehnt wurde. Als Begründung dafür verwies das MdI lediglich auf den angeblich verfassungsfeindlichen Charakter der Vereinigung, ohne sich mit konkreten Inhalten auseinanderzusetzen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich in der DDR-Gesellschaft ein genereller Wandel vollzogen. Spätestens im Oktober 1989 fanden die Forderungen des Neuen Forums allgemeine Zustimmung innerhalb der Bevölkerung. Aus einer parteiinternen "Information" bezogen Stasi-Mitarbeiter Argumente gegen das Neue Forum an die Hand. Durch die Arbeit des Neuen Forums werde der "sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern unerträglich diffamiert".
Bei dem vorliegenden Dokument handelt es sich um die letzte Nummer der parteiinternen "Informationen". Die Reihe wurde seit 1968 von der Abteilung Agitation des Zentralkomitees der SED herausgegeben und ging an die Grundorganisationen bzw. Abteilungsparteiorganisationen der SED, die sich auch im Ministerium für Staatssicherheit wiederfanden.
dem gesellschaftlichen Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln beruhende Planwirtschaft in Frage gestellt und einer "sozialen Marktwirtschaft", also kapitalistischer Profitwirtschaft, das Wort geredet.
Dies wird zugleich mit der Abschaffung der führenden Rolle der Partei, der Bildung pluralistischer Strukturen in der gesamten Gesellschaft und weiteren, auf die Untergrabung der Arbeiter-und-Bauern-Machtzielenden Forderungen verbunden.
Es kann wohl auch kein Zufall sein, daß im Gründungsaufruf für eine "Umgestaltung der Gesellschaft" plädiert, aber keinerlei Bezug auf ihren sozialistischen Charakter genommen wird. Ja, das Wort Sozialismus oder sozialistisch sucht man in diesem Papier vergeblich. Sollen wir derartigem Gedankengut etwa "Pressefreiheit" gewähren?
Die erklärten Forderungen und die Praxis des "Neuen Forum" stehen im Widerspruch zu den Grundwerten und politischen Grundlagen des Sozialismus in der DDR, wie sie in der mit Volksentscheid 1968 angenommenen [unleserlich durch Lochung des Papiers]erfassung ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Darauf begründet sich seine Nichtzulassung.
Der antisozialistische Charakter des "Neuen Forum" wird auch dadurch verdeutlicht, daß seine Organisatoren im direkten Zusammenspiel mit führenden Vertretern der Bonner Regierung, politischen Parteien und Medien der BRD und Westberlins-also einer fremden Macht-handeln. Dafür spricht, daß noch vor dem Antrag auf Zulassung beim Ministerium des Innern, der am 22. September 1989 mit Datum vom 19.September 1989 gestellt wurde, bereits am 13.September 1989 der Gründungsaufruf in die großbürgerliche "Frankfurter Rundschau" lanciert worden war. Flankierend dazu gaben Gründungsmitglieder, wie Bärbel Bohley und Rolf Henrich, Interviews, zum Teil per Telefon, für verschiedene westliche Hörfunk- und Fernsehsender. Grundtenor ihres Auftretens war die Absicht, ungeachtet einer erwarteten Nichtzulassung als Vereinigung durch den Staat ihre Aktivitäten fortzuführen.
Noch unverhohlener in ihrer antisozialistischen und konterrevolutionären Programmatik und ihrem verfassungsfeindlichen Handeln sind solche Gruppierungen wie die Sammlungsbewegung "Demokratischer Aufbruch" und die bezeichnenderweise am 7. Oktober - am 40. Jahrestag der DDR - im Untergrund gebildete "Sozialdemokratische Partei". Unter einer "umgestalteten Gesellschaft" und einer "erneuerten demokratischen Republik" verstehen sie:
- die "Pluralisierung der Eigentumsformen",
- die Aufgabe "der Fiktion des Volkseigentums",
- die "Gründung neuer Parteien mit konzeptionellen Alternativen",
- eine "soziale Marktwirtschaft mit Monopolverbot",
- die Beseitigung der führenden Rolle der SED mit der Begründung der "Aufhebung des Machtmonopols der Partei".
So weisen es ihre Dokumente aus.
Diese Gruppierungen, die aus gutem Grund die Öffentlichkeit in der DDR meiden und wohlweislich bisher keinen Antrag auf Zulassung gestellt haben, wirken ebenfalls außerhalb von Recht und Gesetz und daher illegal. Wer ihnen seine Sympathie bekundet, muß wissen, worauf er sich einläßt.
Für Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit zuständige zentrale Diensteinheit, 1955 aus der Abteilung Allgemeines ausgegründet. Sie sorgte für die Erarbeitung von Ausstellungen, Printpublikationen und Filmen zur Tätigkeit des MfS sowie für die Platzierung solcher Themen in den DDR-Medien. Die Abt. stand unter der Leitung von Gustav Borrmann (1955–1957), Günter Halle (1957–1975) und Helmut Bechert (1975–1985). Sie verfügte 1960 über 26, 1970 über 69 und 1985 über 76 Mitarbeiter. 1972–1983 war der Arbeitsbereich, der für die Zusammenarbeit mit betrieblichen Arbeitskollektiven, Schulen und Grenzgemeinden sowie die sog. Patenschaftsarbeit zuständig war, unter der Leitung von Gerhard Kehl als Arbeitsgruppe Öffentliche Verbindungen (AÖV) zeitweise ausgegliedert. 1985 wurde der Aufgabenbereich der Abteilung als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert.
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Auskunftsmaterial der Staatssicherheit zum Umgang mit dem Verbot des Neuen Forums Dokument, 13 Seiten
Bericht über die Formierung von Oppositionsbewegungen in der DDR Dokument, 16 Seiten
Reaktion von Mitgliedern auf das Verbot des Neuen Forums und weitere Aktivitäten Dokument, 6 Seiten
Information über Bestrebungen oppositioneller Kräfte zur Schaffung DDR-weiter Sammlungsbewegungen Dokument, 27 Seiten