Signatur: BArch, MfS, BdL/Dok., Nr. 8325, Bl. 1-4
Mit dem Skinhead-Überfall auf ein Punkkonzert im Herbst 1987 verstärkte die Stasi ihr Vorgehen gegen die Neonazi-Szene. Sie fürchtete, dass die rechtsextreme Subkultur die Sicherheit bedrohen und das Image der "antifaschistischen" DDR beschädigen könnte. Demzufolge war ein systematisches Vorgehen der Sicherheitsorgane erforderlich. Die Hauptabteilung XX ließ dafür z. B. von allen MfS-Dienststellen in der DDR Informationen über die Skinheads zusammentragen.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Der Neonazi-Überfall auf die Ost-Berliner Zionskirche am 17. Oktober 1987 rückte die Skinhead-Szene in den Fokus der Stasi. Sie fürchtete eine Gefährdung der Sicherheit durch gewaltbereite Neonazis, außerdem wollte sie verhindern, dass das öffentliche Bild von DDR-Jugendlichen durch faschistische Vorkommnisse beschädigt würde. Paul Kienberg, Leiter der Hauptabteilung XX, forderte am 11. November 1987 bei den MfS-Dienststellen Informationen zum aktuellen Erkenntnisstand über Skinheads an. Bis zum 1. Dezember 1987 sollten unter anderem Angaben zur Anzahl von Skinheads, bedeutenden Einzelpersonen sowie Gruppen, Verhaltensmustern und ihren Verbindungen nach West-Berlin bzw. in die Bundesrepublik geliefert werden.
Informationsbedarf zur
Einschätzung über die in der DDR existierenden Skinheads bzw. Skinheadsgruppen sowie über die Ergebnisse und Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit zur Verhinderung und Unterbindung der von derartigen Jugendlichen ausgehenden Gefährdungen der Sicherheit und Ordnung
Skinheads gehören zu kriminell gefährdeten Jugendlichen, sie existieren seit ca. 1982/83.
Ihr äußeres Erscheinungsbild ist insbesondere gekennzeichnet durch
- militante Bekleidung (Röhrenjeans, Bomberjacken - in der BRD bzw, in Westberlin erhältliche grüne bzw, schwarze US-Marinefliegerjacken; hohe mit Eisen beschlagene Arbeitsschuhe);
- extrem kurze Haare bzw. Glatze;
- insgesamt sauberes Aussehen und Bekleidung (bewußter Gegensatz zum verwahrlosten Erscheinungsbild sogenannter Punks).
Skinheads sind politisch desinteressiert, ihr Auftreten und Verhalten ist gekennzeichnet durch übersteigertes "Nationalbewußtsein als Deutsche", Rassenhaß und Ausländerfeindlichkeit, verbunden mit Übernahme faschistischen Gedankenguts, Skinheads existieren u.a. im negativen Anhang von Fußballklubs und treten provozierend sowie aggressiv gegen Anhänger der "gegnerischen" Mannschaft auf. Sie werden in die "offene Jugendarbeit" der evangelischen Kirche einbezogen. Bei tätlichen Auseinandersetzungen gehen sie mit Brutalität vor.
1. Erkenntnisse über die im Territorium vorhandenen Skinheads
1.1. Angaben zu den im Territorium vorhandenen Skinheads sowie Skinheadsgruppen
- Anzahl vorhandener Skinheads und Skinheadsgruppen (im Vergleich zum Jahr 1986 und 1985),
- welche Einzelpersonen und Gruppen stellen Schwerpunkte dar (namentliche Aufstellung der Personen, die zum sogenannten harten Kern der Skinheads gehören, mit Angaben über Alter, Beruf, Tätigkeit, Elternhaus sowie zur Bearbeitung - seit wann, durch wen, Art der Bearbeitung konkrete Bearbeitungsziele als Anlage beifügen),
- Erkenntnisse über Kontakte/Verbindungen von Skinheads innerhalb der DDR (Hinweise zu überbezirklich, insbesondere als Organisatoren von Treffen/Veranstaltungen
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
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Signatur: BArch, MfS, BdL/Dok., Nr. 8325, Bl. 1-4
Mit dem Skinhead-Überfall auf ein Punkkonzert im Herbst 1987 verstärkte die Stasi ihr Vorgehen gegen die Neonazi-Szene. Sie fürchtete, dass die rechtsextreme Subkultur die Sicherheit bedrohen und das Image der "antifaschistischen" DDR beschädigen könnte. Demzufolge war ein systematisches Vorgehen der Sicherheitsorgane erforderlich. Die Hauptabteilung XX ließ dafür z. B. von allen MfS-Dienststellen in der DDR Informationen über die Skinheads zusammentragen.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Der Neonazi-Überfall auf die Ost-Berliner Zionskirche am 17. Oktober 1987 rückte die Skinhead-Szene in den Fokus der Stasi. Sie fürchtete eine Gefährdung der Sicherheit durch gewaltbereite Neonazis, außerdem wollte sie verhindern, dass das öffentliche Bild von DDR-Jugendlichen durch faschistische Vorkommnisse beschädigt würde. Paul Kienberg, Leiter der Hauptabteilung XX, forderte am 11. November 1987 bei den MfS-Dienststellen Informationen zum aktuellen Erkenntnisstand über Skinheads an. Bis zum 1. Dezember 1987 sollten unter anderem Angaben zur Anzahl von Skinheads, bedeutenden Einzelpersonen sowie Gruppen, Verhaltensmustern und ihren Verbindungen nach West-Berlin bzw. in die Bundesrepublik geliefert werden.
wirkenden Personen; Hinweise zu 1987 realisierten bzw. 1987/88 geplanten überbezirklichen Treffen von Skinheads; Hinweise über die Teilnahme von Personen des NSA an realisierten bzw. geplanten derartigen Treffen).
1.2. Zusammenfassende Einschätzung über typische Verhaltensmuster sowie das Erscheinungsbild von Skinheads
- charakteristische ideologische Haltungen und Auffassungen,
- Verhalten im Arbeitsprozeß,
- typische Verhaltensweisen und Aktivitäten im Freizeitbereich (z. B. wehrsportliche Betätigung),
- Treff- und Aufenthaltsorte (einschließlich im kirchlichen Bereich),
- Haltung zum Wehrdienst und Verhalten während der Dienstdurchführung in der NVA,
- Vorkommnisgeschehen mit Skinheads (Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, weitere bedeutsame Handlungen);
welche besonders bedeutsamen Vorkommnisse gab es 1987 mit Skinheads (kurze Sachverhaltsschilderung, eingeleitete Maßnahmen und deren Wirksamkeit).
1.3. Erkenntnisse über Kontakte/Verbindungen von DDR-Skinheads zu Skinheads in der BRD/in Westberlin sowie weiteren Personen des NSA
- Hinweise zum Umfang und Charakter der Verbindungen sowie zur Art und Weise sowie Intensität der Beeinflussung durch Personen des NSA,
- aktuelle Hinweise über Aktivitäten zur Informationsgewinnung durch Journalisten des NSA zur Situation unter Skinheads der DDR,
- eingeleitete Maßnahmen zur Unterbindung derartiger Kontakte sowie Wirksamkeit dieser Maßnahmen.
2. Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit zur Verhinderung und Unterbindung von Skinheads ausgehender Gefährdungen der Sicherheit und Ordnung
- welche polizeilichen bzw. politisch-operativen Maßnahmen wurden bzw. werden realisiert (EV, OSV, vorbeugende Maßnahmen) und welche Maßnahmen, einschließlich angewandter Mittel und Methoden, haben sich besonders bewährt bzw. als wenig wirksam erwiesen,
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
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Signatur: BArch, MfS, BdL/Dok., Nr. 8325, Bl. 1-4
Mit dem Skinhead-Überfall auf ein Punkkonzert im Herbst 1987 verstärkte die Stasi ihr Vorgehen gegen die Neonazi-Szene. Sie fürchtete, dass die rechtsextreme Subkultur die Sicherheit bedrohen und das Image der "antifaschistischen" DDR beschädigen könnte. Demzufolge war ein systematisches Vorgehen der Sicherheitsorgane erforderlich. Die Hauptabteilung XX ließ dafür z. B. von allen MfS-Dienststellen in der DDR Informationen über die Skinheads zusammentragen.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Der Neonazi-Überfall auf die Ost-Berliner Zionskirche am 17. Oktober 1987 rückte die Skinhead-Szene in den Fokus der Stasi. Sie fürchtete eine Gefährdung der Sicherheit durch gewaltbereite Neonazis, außerdem wollte sie verhindern, dass das öffentliche Bild von DDR-Jugendlichen durch faschistische Vorkommnisse beschädigt würde. Paul Kienberg, Leiter der Hauptabteilung XX, forderte am 11. November 1987 bei den MfS-Dienststellen Informationen zum aktuellen Erkenntnisstand über Skinheads an. Bis zum 1. Dezember 1987 sollten unter anderem Angaben zur Anzahl von Skinheads, bedeutenden Einzelpersonen sowie Gruppen, Verhaltensmustern und ihren Verbindungen nach West-Berlin bzw. in die Bundesrepublik geliefert werden.
- welche Probleme traten bei der Durchsetzung offensiver Maßnahmen gegen Skinheads auf,
- wie ist die Qualität und Effektivität der Zusammenarbeit der Linie/Diensteinheiten im Maßstab der BV einzuschätzen, welche Formen der Zusammenarbeit/Koordinierung haben sich bewährt (z.B. Wirksamkeit der Nichtstrukturellen Arbeitsgruppen Jugend),
- Qualität und Effektivität des Zusammenwirkens mit der DVP (Ergebnisse und Probleme bei der Gewährleistung einer abgestimmten, differenzierten Bearbeitung und Kontrolle von Skinheads sowie der Durchsetzung festgelegter Verantwortlichkeiten),
- Ergebnisse, gute Erfahrungen sowie Probleme und Schwierigkeiten im Zusammenwirken mit staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften (besonders Bezirks- und Kreisleitungen der FDD).
3. Verallgemeinerungswürdige Schlußfolgerungen und Vorschläge zur noch konsequenteren Verhinderung eines Wirksamwerdens von Skinheads im Zusammenwirken mit der DVP und anderen staatlichen sowie gesellschaftlichen Kräften.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
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Einschätzung über die in der DDR existierenden Skinheads Dokument, 13 Seiten
Information an alle Bezirksverwaltungen des MfS und diverse Hauptabteilungen zu "kriminellen/rowdyhaften Jugendlichen" Dokument, 12 Seiten
Lageeinschätzung zum Stand der Bekämpfung des politisch-motivierten Rowdytums im 1. Halbjahr 1988 Dokument, 6 Seiten
Information der BV Berlin zum Neonazi-Überfall auf ein Punkkonzert in der Zionskirche Dokument, 5 Seiten