Signatur: BStU, MfS, HA II, Vi, Nr. 74
Der Film zeigt, wie die Staatssicherheit die Anwerbung eines sowjetischen Stabsoffiziers durch den US-Geheimdienst CIA verhinderte.
Die Hauptabteilung II des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) übernahm klassische Aufgaben der Spionageabwehr. Dazu zählte auch die interne Abwehrarbeit im MfS, etwa die Überwachung aktiver und ehemaliger Mitarbeiter, von Einrichtungen der KGB-Dienststelle Berlin-Karlshorst sowie von Objekten der sowjetischen Streitkräfte und der Sektion Kriminalistik an der Ost-Berliner Humboldt-Universität. Darüber hinaus betrieb die Diensteinheit im Rahmen der "offensiven Spionageabwehr" aktive Spionage in der Bundesrepublik; diese zielte auf westliche Geheimdienste, auf Bundeswehr, Polizei, Massenmedien, Emigrantenverbände u.a.
Konkret bedeutete dies, dass die Spionageabwehr Agenten feindlicher Geheimdienste enttarnen oder aber mögliche Anwerbungen von Mitarbeitern aus den eigenen Reihen unterbinden musste. Im vorliegenden Propagandafilm geht es um einen dieser Fälle: Ein Oberst der in West-Berlin stationierten US-Streitkräfte hatte versucht einen Stabsoffiziers der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) anzuwerben. Der Film beschreibt Kontakte des Stabsoffiziers zu CIA-Mitarbeitern, die sich als Diplomaten der US-Botschaftausgaben und die Realisierung von Treffs in Potsdam. Außerdem wird deutlich, wie das MfS durch eine vorgetäuschte Passkontrolle ein Folgetreffen verhinderte.
Der Film war dazu geeignet, die Leistung des MfS herauszustellen sowie die Mitarbeiter der Hauptabetilung II für derartige Fälle zu sensibilisieren und gleichzeitig von einem möglichen Verrat abzuschrecken.
[Sprecher 1:]
Im Vorgang "Meise" wurden im engen Zusammenwirken mit sowjetischen Tschekisten in der DDR getarnt eingesetzte CIA-Mitarbeiter entlarvt. Dabei handelt es sich um den ehemaligen zweiten Sekretär und Konsul der Botschaft der USA in der DDR [anonymisiert], 37 Jahre alt und dessen Ehefrau [anonymisiert], 39 Jahre alt. Der CIA-Mitarbeiter [anonymisiert] versuchte unter aktiver Einschaltung eines Oberst, der in Westberlin stationierten US-Streitkräfte, einen Stabsoffizier der GSSD für eine Zusammenarbeit mit der CIA zu gewinnen. Der Oberst der US-Armee vermittelte unter Ausnutzung seiner offiziellen dienstlichen Kontakte zu dem sowjetischen Stabsoffizier Zusammenkünfte mit dem CIA-Mitarbeiter [anonymisiert]. Zur Anbahnung einer nachrichtendienstlichen Verbindung zu dem sowjetischen Offizier, organisierte dieser Oberst der US-Streitkräfte im Auftrage der CIA einen Besuch des Dahlemer Museums in Westberlin für eine Gruppe von Offizieren der GSSD. Darunter befand sich die Zielperson des US-Geheimdienstes. Während des Rundganges übergab er dem sowjetischen Offizier Museumsprospekte, in die er eine von der CIA beschriftete Postkarte einlegte. Diese enthielt die rigorose Aufforderung zu einem Treff auf dem Territorium der DDR zu erscheinen. Der Text war so abgefasst, als ob eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit bereits seit langem besteht. Damit sollte er von vornherein in eine Zwangslage gebracht werden. In der Folgezeit verstärkte der Oberst der US-Streitkräfte seine Aktivitäten, um den sowjetischen Offizier zu einem Treffen mit [anonymisiert] zu drängen und nutzte dazu mehrere dienstliche Zusammenkünfte. Im Rahmen eines operativen Spiels gab der sowjetische Offizier seine Einwilligung zur Wahrnehmung des von der CIA angestrebten Treffs. Als Treffort wurde der Park Sanssouci in Potsdam ausgewählt. [anonymisiert] gab sich als Mitarbeiter der CIA zu erkennen, nannte jedoch nicht seinen Namen. Er versuchte den sowjetischen Offizier zur Zusammenarbeit mit der CIA zu gewinnen beziehungsweise ihn anderenfalls zur Fahnenflucht zu bewegen. Dem gleichen Ziel diente ein weiterer, am gleichen Ort durchgeführter Treff. Bei beiden Zusammenkünften ging [anonymisiert] äußerst erpresserisch und drohend vor. Die Taktik im Vorgehen des [anonymisiert] bestand darin, unrealistische Ereignisse zu konstruieren und daraus erpresserische Schlussfolgerungen abzuleiten. So knüpfte er zum Beispiel wiederholt an die ehemaligen Kontakte des sowjetischen Offiziers zu Amerikanern während seines Auslandseinsatz es in den 60er Jahren an und stellte diese als nachrichtendienstliche Verbindung dar. Auf die Frage des sowjetischen Offiziers, was im Falle der Ablehnung einer Zusammenarbeit geschehen werde, antwortete [anonymisiert]:
[Sprecher 2:]
Ich glaube nicht, dass Sie ablehnen. Ich möchte Sie jedoch auch nicht zum Treffen mit mir antreiben. Sie nehmen eine sehr gute Stellung ein und Sie haben ein neues Leben. Wir möchten mit Ihnen zusammenarbeiten. Ich bin überzeugt, dass Sie die Zusammenarbeit fortsetzen werden. Sie glauben, dass was 13 Jahre zurückliegt nicht mehr existiert. Gestatten Sie mir, dazu an Sie eine Frage zu richten. Würde es Ihrer Leitung gleichgültig sein, wenn Sie zu ihr kommen und erklären: "Vor 13 Jahren hatte ich diese und jene Kontakte."? Ich möchte, dass Sie wissen, dass das nicht passiert. Aber wenn Sie ablehnen, nehmen wir den Telefonhörer, wählen die Nummer Ihres Stabes und sagen -
Aber nein, wir wollen das nicht tun und Sie nicht. Sie gehen mit 55 Jahren in die Sowjetunion zurück und gehen in den Ruhestand, sind mit Fürsorge umgeben und dies und jenes.
[Sprecher 1:]
Der CIA-Mitarbeiter [anonymisiert] war offensichtlich überzeugt, in Ausübung dieses psychischen Druckes letztendlich eine Zustimmung zur Zusammenarbeit mit der CIA zu erreichen. Zur Frage des sowjetischen Offiziers, warum gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt der US-Geheimdienst an einer Zusammenarbeit mit ihm interessiert sei, führte [anonymisiert] aus:
[Sprecher 2:]
Soweit uns bekannt war, sollten Sie damals nach drei Monaten zurückkehren, aber Sie kehrten nicht zurück. Wir wussten nicht, was das bedeuten könnte. Wir dachten, dass Sie möglicherweise in Gefahr sind, Schwierigkeiten haben. Was sollten wir tun? Wir warteten. Währen Sie vielleicht nach Kuba, Ulan Bator oder Hanoi gekommen, nirgends hätten wir mit Ihnen gefahrlos verkehren können. Aber hier wurde für ein Treffen entschieden. Ich weiß, dass Ihre Dienststellung sehr bedeutend ist. Darum machten wir alles und sagten, sich mit Ihnen hier zu treffen ist sicher und ungefährlich.
[Sprecher 1:]
Der Drang der CIA nach bedeutsamen Informationen aus militärischen Führungszentren, findet seine Bestätigung in der rigorosen Forderung von [anonymisiert] nach Herausgabe von Informationen über Anweisungen und Direktiven des Kommandos der GSSD, über die Tätigkeit des Stabes der GSSD, über aktuelle Befehle seiner Dienststelle, zur Charakterisierung von Militärs in leitenden Positionen der Sowjetarmee. Zur Realisierung der Aufträge wurde der sowjetische Offizier aufgefordert, in anderen militärischen Stäben der GSSD tätige Offiziere beziehungsweise leitende Mitarbeiter aus Informationsabteilungen der GSSD abzuschöpfen. Im Zusammenhang mit der Durchführung der Treffs im Park von Sanssouci konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden:
Unmittelbar vor dem Treff fuhren [anonymisiert] und seine Ehefrau mit ihrem PKW der Botschaft der USA in der DDR mit Diplomatenkennzeichen nach Westberlin. Unter Ausnutzung der günstigen Einreisemöglichkeiten für Ausländer, reisten beide bereits 40 Minuten später mit einem PKW Typ VW Golf mit Westberliner Kennzeichen wieder ein und fuhren zum Treffort. Aus Gründen der besseren Tarnung veränderte [anonymisiert] unmittelbar vor dem Treff sein Äußeres unter anderem durch Aufkleben eines Oberlippenbartes beziehungsweise durch Schminken, wie durch das gezeigte Gutachten bewiesen wurde.
Der geplante dritte Treff wurde durch eine legendiert durchgeführte Passkontrolle durch Mitarbeiter des MfS unterbunden. Die folgenden Fotodokumente belegen die Kontrollhandlung, mit der der Abschluss des Vorgangs eingeleitet wurde. Nachdem sich [anonymisiert] ausgewiesen hat, fordert er seine Ehefrau, die alle Treffs absicherte, zum Zeigen ihres Diplomatenpasses auf. Hier sind beide bei der Passkontrolle zu sehen. Da das Aussehen des CIA-Mitarbeiters nicht mit dem Passfoto übereinstimmt, nimmt er seinen angeklebten Bart ab.
Von den Kontrollkräften wird er aufgefordert, sofort in die Hauptstadt der DDR zurückzufahren. Aufgrund des umfangreichen Beweismaterials über ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten auf dem Territorium der DDR, die eindeutig einen Verstoß gegen völkerrechtliche Prinzipien, insbesondere gegen die Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen, darstellen, wurde die Botschaft der USA in der DDR veranlasst, beide bevorrechtete Personen unverzüglich aus der DDR abzuberufen. In Ergänzung der in dieser Dokumentation bereits aufgezeigten Probleme, werden auf folgende politisch-operative Schlussfolgerungen hingewiesen:
Mit dem Werbungsversuch bestätigte sich erneut das intensive Bestreben imperialistischer Geheimdienste, in bewaffnete Organe und dabei insbesondere in militärische Führungszentren sozialistischer Länder einzudringen. Diese Aktivitäten erfolgen mit der Zielstellung Quellen in Spitzenpositionen zu schaffen, um über alle wesentlichen Führungsentscheidungen stets aktuell informiert zu sein. Angehörige des Militärattachéapparates und andere Auslands- und Reisekader bewaffneter Organe stehen dabei besonders im Blickpunkt der imperialistischen Geheimdienste. Die imperialistischen Geheimdienste nutzen alle sich bietenden Möglichkeiten zur Schaffung von günstigen Voraussetzungen für Werbungsaktivitäten einschließlich der Erarbeitung von Kompromaten. Schwachstellen im Persönlichkeitsbild, wie kriminelle und moralische Vergehen, Verletzung der Geheimhaltung, Verschweigen von Kontakten ins NSW und andere sind Ausgangspunkte für geheimdienstliche Aktivitäten gegen Angehörige bewaffneter Organe.
Hauptabteilung II (Spionageabwehr)
Die Hauptabteilung II wurde 1953 durch Fusion der Abteilungen II (Spionage) und IV (Spionageabwehr) gebildet. Sie deckte klassische Bereiche der Spionageabwehr ab. Dazu zählte auch die interne Abwehrarbeit im MfS, etwa die Überwachung aktiver und ehemaliger MfS-Mitarbeiter, von Einrichtungen der KGB-Dienststelle Berlin-Karlshorst sowie von Objekten der sowjetischen Streitkräfte und der Sektion Kriminalistik an der Ostberliner Humboldt-Universität. Darüber hinaus betrieb die Hauptabteilung II im Rahmen der "offensiven Spionageabwehr" aktive Spionage in der Bundesrepublik; diese zielte auf westliche Geheimdienste, auf Bundeswehr, Polizei, Massenmedien, Emigrantenverbände u. a.
Die Hauptabteilung II überwachte, sicherte und kontrollierte die DDR-Botschaften im Ausland, die ausländischen diplomatischen Vertretungen in der DDR sowie das Außenministerium der DDR. DDR-Bürger, die westliche Botschaften bzw. die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin aufsuchten, wurden systematisch erfasst. In den Zuständigkeitsbereich der Hauptabteilung II fielen auch die Überwachung der in der DDR lebenden Ausländer sowie die Betreuung von Funktionären und Mitgliedern illegaler, verfolgter kommunistischer Parteien, die in der DDR Aufnahme fanden.
Besondere Brisanz beinhaltete die politisch-operative Sicherung der Westkontakte von SED und FDGB. So kümmerte sich die Hauptabteilung II um die Militärorganisation der DKP ("Gruppe Ralf Forster", eine ca. 220 Bundesbürger umfassende Sabotage- und Bürgerkriegstruppe), organisierte in Absprache mit der NVA deren militärische Ausbildung, finanzierte die Gruppe und stattete sie mit Falschpapieren aus.
Die Hauptabteilung II sicherte (bis 1961 und wieder ab 1980; zwischenzeitlich gab es hierfür die Abteilung BdL II) die Abteilung Verkehr des ZK der SED ab, die kommunistische Organisationen im Westen unterstützte und dort SED-Tarnfirmen betrieb. Die Hauptabteilung II versuchte, Aktivitäten bundesdeutscher Behörden gegen DKP, SEW und SED-Tarnfirmen festzustellen und zu verhindern.
Im Ergebnis der Entspannungspolitik nahmen Begegnungen zwischen Ost- und Westdeutschen zu, westliche Medienvertreter konnten sich in der DDR akkreditieren. Das veranlasste den beträchtlichen personellen Ausbau der Hauptabteilung II. Sie war nun auch zuständig für die Überwachung westlicher Journalisten in der DDR. Ziel war es, unerwünschten Informationsabfluss und unbequeme, kritische Berichterstattung zu verhindern. 1987 übertrug Erich Mielke in der Dienstanweisung 1/87 der Hauptabteilung II die Führung der Spionageabwehr, um ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Diensteinheiten zu vermeiden.
Die Hauptabteilung II leitete von Beginn an die Operativgruppen des MfS in der Sowjetunion und Polen, seit 1989 auch in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien. Mit den entsprechenden Spionageabwehr-Abteilungen in diesen Ländern gab es eine ausgeprägte bi- und multilaterale Zusammenarbeit, die aber erst in den frühen 80er Jahren vertraglich fixiert wurde (kommunistischer Geheimdienst). Im Dezember 1981 übernahm die Hauptabteilung II innerhalb des MfS die Federführung bei der Bekämpfung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft "Solidarność". Schließlich unterstützte die Hauptabteilung II Sicherheitsorgane in (pro)sozialistischen Entwicklungsländern, entsandte Berater und bildete deren Geheimdienstmitarbeiter in der DDR aus.
Die Hauptabteilung II verfügte über eigene Abteilungen für Fahndung, Logistik, operative Technik und Beobachtung und war in dieser Hinsicht nicht auf andere Abteilungen angewiesen. Zum unmittelbaren Anleitungsbereich des Leiters der Hauptabteilung II gehörte die Abteilung M (Postkontrolle).
1989 zählte die Hauptabteilung II in der Ostberliner Zentrale 1.432 hauptamtliche Mitarbeiter, in den Bezirksverwaltungen (BV) auf der Linie II weitere 934. Hinzu kamen Mitarbeiter in den Kreisdienststellen (KD), die die Aufgaben der Linie II ausführten. Genaue Zahlen der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) ließen sich bis heute nicht ermitteln. Die Hauptabteilung II hatte mindestens 3.000 IM, die Abt. II der BV etwa 4.000; hinzu kamen weitere IM der KD. 1976 führte die Hauptabteilung II im Westen 109 IM. Unter den West-IM befanden sich z. T. hochkarätige Agenten.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Spionageabwehr beinhaltete nicht nur defensives Abwehren westlicher Spionage, sondern auch offensive Bekämpfung westlicher (zumeist bundesdeutscher) Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Das MfS fasste den Spionagebegriff sehr weit, so dass auch Angehörige oppositioneller Gruppen oder westliche Korrespondenten und Diplomaten regelmäßig im Visier der Spionageabwehr standen.
Das MfS unterschied drei Arten der Spionageabwehr. Die innere Spionageabwehr agierte innerhalb der DDR. Die äußere (auch: offensive) Spionageabwehr sollte bundesdeutsche Sicherheitsbehörden direkt bekämpfen, sich dabei aber auf deren Außenstellen und nachgeordnete Diensteinheiten konzentrieren. Die Gegenspionage hatte die Aufgabe, Spione in den Zentralen bundesdeutscher Sicherheitsbehörden zu platzieren, um die westliche Spionage gegen die DDR schon im Vorfeld zu paralysieren. In der Praxis waren die Grenzen zwischen äußerer Spionageabwehr, für die die Hauptabteilung II zuständig war, und der Gegenspionage, die Sache der Abt. IX der HV A war, fließend.
Die Spionageabwehr des MfS reagierte einerseits auf die tatsächliche Spionage gegen die DDR. Vor allem der BND und sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, unterhielten in der DDR bis zum Mauerbau 1961 ein großes Agentennetz. In den Folgejahren brachen viele Kontakte westlicher Geheimdienste zu ihren Agenten in der DDR ab, auch enttarnte die Spionageabwehr viele von ihnen.
Der BND setzte daraufhin verstärkt Bundesbürger zur Informationsgewinnung ein, die als Besucher oder Transitreisende in der DDR unterwegs waren ("Reise- und Transitspione"). Seit den 70er Jahren versuchte der BND vor allem DDR-Bürger, die als Dienstreisende in den Westen kamen, als Agenten anzuwerben. Westliche Geheimdienste betrieben in der DDR schwerpunktmäßig Militärspionage.
Das MfS ging andererseits von der unzutreffenden Annahme aus, dass politisch widerständiges Verhalten von DDR-Bürgern zumeist von westlichen Geheimdiensten inspiriert würde (Diversion, politisch-ideologische), sodass die Bekämpfung politischer Gegner oft in den Bereich der Spionageabwehr fiel, ebenso wie die Überwachung westlicher Journalisten und Diplomaten. Aufgrund des weit gefassten Spionagebegriffs waren zahlreiche MfS-Abteilungen mit Spionageabwehr befasst, was zu Ineffizienz führte. Mielke wies deshalb 1987 der Hauptabteilung II die Federführung bei der Spionageabwehr zu.
1953 bis 1955 verhaftete das MfS in drei Großaktionen 1.200 Personen in der DDR und Westberlin, die pauschal als westliche Agenten bezeichnet wurden. Tatsächlich befanden sich darunter etliche Personen, die nur politischen Widerstand gegen die SED geleistet hatten. In vielen Fällen wurden hohe Haftstrafen verhängt, mindestens zehn Menschen wurden hingerichtet. Zugleich nutzte das MfS diese Aktionen erfolgreich als Vorlagen für ausgeklügelte Pressekampagnen.
Auch in späteren Jahren wurden Erfolge der Spionageabwehr popularisiert, nicht zuletzt um spionagebereite DDR-Bürger abzuschrecken. Schwerpunktaktionen der Hauptabteilung II in den 70er und 80er Jahren richteten sich u. a. gegen Transitspione sowie gegen die Anwerbung von Angehörigen bestimmter Personengruppen durch westliche Dienste (beispielsweise Militärangehörige, Reisekader). Erfolge erzielte die HV A im Rahmen der Gegenspionage in den 70er und 80er Jahren u. a. aufgrund ihrer Top-Quellen im BND (Gabriele Gast, Alfred Spuhler), BfV (Klaus Kuron) und MAD (Joachim Krase).
Seit den 70er Jahren intensivierte das MfS die Strategie der "vorbeugenden Verhinderung": Immer mehr Bürger wurden als potenziell spionageverdächtig observiert, immer mehr Berufsgruppen zu Geheimnisträgern erklärt, das Personal der Hauptabteilung II aufgestockt, auch die Kreisdienststellen setzten nun einen Mitarbeiter ausschließlich für Aufgaben der Linie II (Linienprinzip) ein.
Generell profitierte die Spionageabwehr von der geschlossenen Gesellschaft der DDR, der flächendeckenden Observierung der Bevölkerung, der Kooperation mit anderen sozialistischen Geheimdiensten sowie der Strategie, Verdächtige mitunter über einen sehr langen Zeitraum zu observieren. Post- und Telefonkontrolle und die Funküberwachung im In- und Ausland dienten in erheblichem Maße der Spionageabwehr.
Die überzogene Sicherheitsdoktrin führte dazu, dass das MfS in der ersten Hälfte der 70er Jahre dem Hirngespinst eines Hochstaplers aufsaß und 144 DDR-Bürger als angebliche "Agenten mit spezieller Auftragsstruktur" (AsA), quasi als Eliteagenten westlicher Dienste, einstufte und es auf dieser fiktiven Grundlage zu zahlreichen Verurteilungen kam.
Vagen Schätzungen zufolge spionierten zwischen 1949 und 1989 rund 10.000 Ost- und Westdeutsche für den BND in der DDR, viele von ihnen nur für kurze Zeit und nicht in Schlüsselpositionen. Etwa 4.000 Agenten bundesdeutscher Dienste sollen in dieser Zeit durch die Spionageabwehr der DDR erkannt und festgenommen worden sein.
Etwa 90 Prozent der "Innenquellen" des BND in der DDR (Agenten, die direkt in einem auszuspionierenden Objekt tätig waren) sollen in den 70er und 80er Jahren als Doppelagenten auch dem MfS gedient haben. Darunter waren offenbar viele, die "überworben" wurden, das heißt, das MfS hatte ihre BND-Anbindung erkannt, sie aber nicht verhaftet, sondern als IM angeworben und nun gegen den BND eingesetzt.
Sichere Angaben darüber, in welchem Umfang westliche Agenten in der DDR unerkannt geblieben sind, liegen nicht vor. Insofern kann noch keine abschließende Bilanz der Wirksamkeit der Spionageabwehr gezogen werden.
Bei der Werbung handelte es sich um die Herbeiführung einer Entscheidung von Personen (IM-Kandidat) zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS (bis 1968 auch gebräuchlicher bezeichnet als Anwerbung).
Im Operationsgebiet gab es selten auch die Werbung unter falscher Flagge, bei der ein Mitarbeiter des MfS als Angehöriger einer anderen Einrichtung getarnt in Erscheinung trat. Die Durchführung der Werbung war sorgfältig vorzubereiten und hatte in einen Werbungsvorschlag zu münden, der von übergeordneten Leitern bestätigt werden musste. Der Vorschlag sollte eine Analyse der Kandidatenpersönlichkeit, das Werbungsziel, die "Werbungsgrundlage" und das methodische Vorgehen, Zeit, Ort und Inhalt des geplanten "Werbegesprächs", Verhaltensvarianten, Art und Weise der Verpflichtung sowie alle Absicherungsmaßnahmen enthalten. Die getroffenen Festlegungen waren in einem Bericht zu dokumentieren.
Häufig gingen dem eigentlichen Werbungsgespräch Kontaktgespräche voraus, bei denen der Kandidat allmählich an die Werbung herangeführt werden sollte. Bei der Werbung sollten auch Interessen des Kandidaten eine Rolle spielen, da das MfS davon ausging, dass dieser für sich "Aufwand, Nutzen und Risiko" gegeneinander abwägen würde.
Das MfS unterschied drei kategorial unterschiedliche "Werbungsgrundlagen":
Letztere spielten häufig bei Werbung unter Druck, zum Beispiel unter Heranziehung kompromitierender Informationen (Kompromat) eine Rolle.
Bei der Werbung war dem Kandidaten möglichst das Gefühl zu geben, seine Entscheidung würde frei und wohlüberlegt fallen. Ihre Ernsthaftigkeit sollte durch die Preisgabe interner beruflicher oder privater Kenntnisse unterstrichen werden. Ziel der Werbung war im Regelfall eine förmliche Verpflichtung. Teil der Werbung war ein erster operativer Auftrag. Die vorab getroffenen Festlegungen waren im Werbungsvorschlag, die durchgeführte Werbung im Werbungsbericht zu dokumentieren.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Schulungsfilm "Der Mann aus Camp Nikolaus" Video, 1 Stunde, 8 Minuten, 56 Sekunden
Appell des Wachregiments Berlin und Rede Erich Mielkes zum 100. Geburtstag von Feliks Dzierzynski Video, 11 Minuten, 20 Sekunden
Lageplan des Spionagetunnels von Altglienicke Dokument, 1 Seite
Begleitton zu einem Dia-Vortrag über den Volksaufstand 1956 in Ungarn Audio, 33 Minuten, 3 Sekunden