Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok., Nr. 5120, Bl. 1-9
Schon Anfang der 50er Jahre begann die DDR damit, die Grenze zur Bundesrepublik stärker abzusichern. Mit dieser Polizeiverordnung wurde der Grenzstreifen zur Sperrzone, die besonders strengen Regeln unterlag. In der Folge wurden etwa 10.000 Menschen unter dem Decknamen Aktion "Ungeziefer" aus dem Grenzgebiet ins Landesinnere zwangsumgesiedelt.
Schon kurz nach ihrer Gründung musste die junge DDR eine zunehmende Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Bundesrepublik hinnehmen. Kollektivierung und die damit verbundene Zwangsenteignung vieler Bauern, der im Vergleich zum Westen bereits geringere Lebensstandard, Ablehnung des neuen politischen Systems und andere Faktoren bewegten immer mehr Menschen dazu, das Land zu verlassen.
Die SED-Führung reagierte darauf bald mit einer Verschärfung des Grenzregimes. Der Grenzstreifen wurde zur Sperrzone, die die Menschen nur noch unter strengen Bedingungen betreten durften. Das vorliegende Dokument ist eine von dem damaligen Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, unterschriebene Polizeiverordnung, die diese Bedingungen genau festlegt. So sieht die Verordnung einen besonders geschützten Bereich von 5 Kilometern Breite hinter der Grenze vor. Er ist noch einmal unterteilt in einen Bereich von 500 Metern hinter der Grenze, in dem noch strengere Regeln gelten, sowie einem für normale Bürgerinnen und Bürger vollständig gesperrten Bereich von 10 Metern unmittelbar an der Grenze.
Die Maßnahmen zur Grenzsicherung wurden begleitet von Zwangsumsiedlungen, die unter dem Decknamen Aktion "Ungeziefer" liefen. Die Maßnahmen beruhten auf Befehlen und Weisungen von Stasi-Minister Zaisser, eine gesetzliche Grundlage dafür existierte nicht. Etwa 10.000 "politische unzuverlässige" Grenzbewohner mussten ihre Heimat verlassen.
Diese und spätere Sicherungsmaßnahmen dämmten die Abwanderung über die grüne Grenze immer weiter ein. Zunächst blieb den Ausreisewilligen West-Berlin als Schlupfloch, wo eine vergleichbar abgeriegelte Grenze nur schwer umsetzbar erschien. Erst der radikale Schritt des Mauerbaus 1961 machte auch die Flucht hier lebensgefährlich.
§ 13
Personen, die in der 5 km Sperrzone wohnen, aber in dem 500 m Schutzstreifen arbeiten, sind verpflichtet, sich bei dem zuständigen Grenzkommando registrieren zu lassen.
Nur die bei dem zuständigen Grenzkommando listenmässig erfassten Personen haben das Recht, den 500 m Schutzstreifen zu betreten.
Zum Aufsuchen der Arbeitsplätze dürfen nur die von der Grenzpolizei festgelegten Wege benutzt werden.
§ 14
Personen, die in der 5 km Sperrzone wohnen und sich aus anderen Gründen (z.B. Dienstfahrten, Besuch von Angehörigen usw.) vorübergehend in dem 500 m Schutzstreifen aufhalten wollen, müssen bei dem zuständigen Grenzpolizeikommando einen besonderen Passierschein für den 500 m Schutzstreifen beantragen.
Diese Besucher sind verpflichtet, ihre Ankunft bzw. Abreise unverzüglich bei der nächsten Grenzwache zu melden.
Zur Erreichung des Ortes, für den der Passierschein gültig ist, dürfen nur die von der Grenzpolizei vorgeschriebenen Wege benutzt werden.
Republikflucht
Zwischen 1949 und Sommer 1961 flüchteten rund 3 Mio. Menschen aus der DDR. In gesellschaftlichen Krisensituationen wie 1953, 1956 und 1961 schnellten die Zahlen in die Höhe. Der Bau der Mauer am 13. August 1961 stoppte den Flüchtlingsstrom. Das scharfe Grenzregime einschließlich des Einsatzes von Schusswaffen brachte viele Menschen von Fluchtgedanken ab. Die Anzahl der vereitelten Fluchten übertraf die erfolgreichen.
Für einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik gab es bis Ende 1988 keine Rechtsgrundlage. Lediglich im Fall von Familienzusammenführung und anderen humanitären Gründen prüften die Behörden einen Antrag. Erst auf internationalen Druck hin wurde am 30.11.1988 eine vage Rechtsgrundlage fixiert. Dennoch lagen 1980 21.500 Ausreisanträge vor, 1985 53.000, 1987 über 105.000 und schließlich zum Sommeranfang 1989 rund 160.000. Insgesamt sind zwischen 1962 und Ende Oktober 1989 über 795.000 DDR-Bürger offiziell oder flüchtend in die Bundesrepublik entkommen, fast 200.000 davon allein 1989 vor Öffnung der Mauer.
Zu den vordringlichen Aufgaben staatlicher Institutionen zählte es laut SED-Verständnis, fluchtbereite oder ausreisewillige Menschen daran zu hindern, die DDR zu verlassen. Dies sei, so Mielke in der Anweisung 1/60, "eine der wichtigsten Aufgaben bei der Sicherung des Aufbaus des Sozialismus". Um den Wunsch nach Freizügigkeit diskreditieren und kriminalisieren zu können, sprach die SED abwertend von "Republikflucht" oder "ungesetzlichem Grenzübertritt", die ein friedensgefährdendes Verbrechen darstelle. In den letzten Jahren vor dem Mauerbau sind Republikflüchtige zum Teil wie Schwerverbrecher mit Steckbriefen gesucht worden.
Bei der Verhinderung der Republikflucht arbeitete das MfS eng mit der Volkspolizei, der Armee, den Grenztruppen, freiwilligen Grenz- und Polizeihelfern, kommunalen Staatsinstitutionen sowie – in Grenznähe – den SED-Wohngebietsparteiorganisationen zusammen. Beim Zusammenwirken der "bewaffneten", "gesellschaftlichen" und mit der Strafverfolgung betrauten "Organe" nahm das MfS die zentrale Funktion wahr.
Es zeichnete nicht nur im Vorfeld zuständig für die Aufklärung von Fluchtabsichten sowie die Entwicklung und Koordinierung sog. Handlungsvarianten u. a. für den Fluchtfall, sondern übernahm insbesondere mit Spezialkommissionen der Linie IX (Hauptabteilung IX) federführend als zuständiges staatliches Untersuchungsorgan die Strafverfolgung. In "unspektakulären" Fällen wurde dies den Dezernaten II der Kriminalpolizei überlassen.
In den Diensteinheiten der Polizei war das MfS über die enge offizielle Kooperation hinaus auch inoffiziell fest verankert. So stand z. B. im Präsidium der Volkspolizei in Ostberlin eine ständige Einsatzgruppe der Abt. IX der BVfS Berlin zur Verfügung. Starben Menschen beim Fluchtversuch durch Schüsse oder Minen bzw. wurden verletzt, war allein das MfS befugt, Ermittlungen zu führen, Beweise zu sichern, kriminaltechnische und gerichtsmedizinische Untersuchungen zu veranlassen, Maßnahmen der strikten Geheimhaltung – auch gegenüber den Angehörigen der Opfer – durchzusetzen und eigentlich zuständige juristische Instanzen auf formale Kontrollfunktionen zu beschränken.
Vernommen wurden vom MfS alle Personen, denen man aufgrund ihrer persönlichen Verbindung zu festgenommenen oder erfolgreichen Flüchtlingen eine – strafbare – Mitwisserschaft unterstellte. Gelang der Nachweis, so wurden diese häufig in Haft genommen oder vom MfS unter Druck gesetzt. So wurde etwa verlangt, dass sie sich vom Inhaftierten öffentlich lossagen und distanzieren; oder sie sollten bei dem Versuch mitwirken, den Flüchtling zu einer Rückkehr in die DDR zu bewegen. Auch IM Anwerbungen erfolgten unter diesem Druck.
Informationen, die auf Fluchtabsichten hindeuteten, oder Meldungen, die Fluchtversuche, erfolgreiche "Grenzdurchbrüche" oder Sicherheitslücken im Grenzsicherungssystem betrafen, waren dem MfS von den, wie es hieß – "Partnern des Zusammenwirkens" (POZW) – unmittelbar mitzuteilen und mit ihnen zu beraten. Auch im Vorfeld militärischer Planungen z. B. bei der Zusammensetzung von Grenzposten oder beim mehrstufigen Auswahlverfahren zukünftiger Grenzsoldaten und Kader war das MfS nicht nur beratend eingebunden, wie die Aufgabenbreite der Dienstanweisungen 7/71 und 7/84 verdeutlicht.
Seit 1963 wurde die Zusammenarbeit bei der Unterbindung von Fluchten zwischen dem MfS, dem Ministerium für Nationale Verteidigung und ab 1968 mit dem Ministerium des Innern durch vertrauliche inner- und interministerielle Vereinbarungen fixiert. Die innerhalb der Grenztruppen für die Umsetzung und Kontrolle der Vereinbarungen sowie für die Abwehrarbeit innerhalb der Truppen verantwortliche sog. Verwaltung 2000 (ab 1985: der Bereich 2000) setzte sich ausschließlich aus Mitarbeitern der Hauptabteilung I zusammen. Diese waren in den Uniformen der jeweiligen Militäreinheit getarnt und vorrangig in deren Stäben eingesetzt, ohne jedoch der Befehlsgewalt der NVA bzw. Grenztruppen zu unterliegen.
Eine Hauptaufgabe war die permanente Kontrolle der politischideologischen Zuverlässigkeit, um frühzeitig jegliche Hinweise auf politische Abweichungen oder beabsichtigte Fluchten zu entdecken und zu verhindern. Präventiv, gerade aber auch nach Fluchtversuchen wurde nach Schwachstellen im Grenzsicherungssystem gefahndet und auf deren Beseitigung gedrängt.
Auch an den Grenzübergangsstellen (Güst) war das MfS federführend im Einsatz. Mit dem Minister Befehl 446/62 war die Arbeitsgruppe "Passkontrolle und Fahndung" gebildet worden. Spätestens ab 1964 übernahmen mit dem Befehl 40/64 MfS-Mitarbeiter der späteren Pass- und Kontrolleinheiten der Hauptabteilung VI in Uniformen der Grenztruppen vollständig die Kontrolle der Ein- und Ausreisen an den Güst. Nicht zuletzt sollten so Fluchtversuche z. B. mittels Passfälschungen oder Personenschleusungen in Fahrzeugen verhindert und die Einhaltung der Transitregelungen gesichert werden.
Mit dem Befehl 1/75 entstanden die Zentrale Koordinierungsgruppe und die Bezirkskoordinierungsgruppen. Laut Aufgabenbeschreibung bestand ihr Auftrag u. a. in der "Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR" und in der Bekämpfung des "staatsfeindlichen Menschenhandels", also der Unterbindung von Fluchthilfe. Neben den Koordinationsaufgaben im Zusammenhang mit Flucht und Übersiedlung hatten sie vor allem die zahlreichen Berichte der einzelnen Diensteinheiten über das Fluchtgeschehen und die Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen zu analysieren.
Das besondere Augenmerk lag auf der Bekämpfung der spektakulären Fluchtabsichten z. B. mit Flugkörpern, mit schwerer Verkehrstechnik oder den Fluchtversuchen unter Anwendung von Gewalt wie Flugzeugentführungen und Geiselnahmen. Diese oblagen ansonsten der Hauptabteilung XXII.
Mit der Dienstanweisung 10/81 verdeutlichte der Minister in Erweiterung seiner Dienstanweisung 10/66 erneut, dass die Verhinderung von Republikfluchten zentrale Aufgabe aller Diensteinheiten des MfS sei. Für jede Diensteinheit wurden das bereits bestehende spezifische Aufgabenfeld konkretisiert, persönliche Verantwortungen benannt, verbindliche Formen der gegenseitigen Informations- und Kooperationsbeziehungen innerhalb des MfS verfeinert sowie differenzierte Beratungs- und Berichtspflichten erweitert.
Zusätzlich zu den Grenzbeauftragten des MfS, die bereits in der Mitte der 60er Jahre zunächst auf der Linie VII installiert und durch Befehl 2/86 mit erweiterten Aufgaben der Hauptabteilung I unterstellt wurden, wurden zur vorbeugenden Verhinderung von Fluchten in den 80er Jahren ständige Kommissionen für Ordnung und Sicherheit bei den betreffenden kommunalen Institutionen gebildet, die mit dem MfS, speziell deren Grenzbeauftragten, unmittelbar zusammenwirkten und u. a. regelmäßig gemeinsame Grenzbegehungen durchführten, bei denen vermeintliche Sicherheitslücken behoben werden sollten.
Die Grenzbeauftragten sollten auch das "gesellschaftliche" Potenzial – vor allem das der freiwilligen Helfer der Grenztruppen und der Grenzbevölkerung – zur aktiven Mitwirkung an der weit bis ins Hinterland gestaffelten Grenzsicherung mobilisieren. Diese war mit dem Abbau der Minen Ende 1985 eingeführt worden und führte zur Festnahme der meisten Flüchtlinge, bevor diese überhaupt das Grenzgebiet erreichen konnten. Schließlich war das MfS auch maßgeblich in die "politischideologische Arbeit" zur vorbeugenden "Bekämpfung von Flucht und ständiger Ausreise" involviert.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Zur Seite 6 wechseln
Zur Seite 7 wechseln
aktuelle Seite 8
Zur Seite 9 wechseln
Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok., Nr. 5120, Bl. 1-9
Schon Anfang der 50er Jahre begann die DDR damit, die Grenze zur Bundesrepublik stärker abzusichern. Mit dieser Polizeiverordnung wurde der Grenzstreifen zur Sperrzone, die besonders strengen Regeln unterlag. In der Folge wurden etwa 10.000 Menschen unter dem Decknamen Aktion "Ungeziefer" aus dem Grenzgebiet ins Landesinnere zwangsumgesiedelt.
Schon kurz nach ihrer Gründung musste die junge DDR eine zunehmende Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Bundesrepublik hinnehmen. Kollektivierung und die damit verbundene Zwangsenteignung vieler Bauern, der im Vergleich zum Westen bereits geringere Lebensstandard, Ablehnung des neuen politischen Systems und andere Faktoren bewegten immer mehr Menschen dazu, das Land zu verlassen.
Die SED-Führung reagierte darauf bald mit einer Verschärfung des Grenzregimes. Der Grenzstreifen wurde zur Sperrzone, die die Menschen nur noch unter strengen Bedingungen betreten durften. Das vorliegende Dokument ist eine von dem damaligen Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, unterschriebene Polizeiverordnung, die diese Bedingungen genau festlegt. So sieht die Verordnung einen besonders geschützten Bereich von 5 Kilometern Breite hinter der Grenze vor. Er ist noch einmal unterteilt in einen Bereich von 500 Metern hinter der Grenze, in dem noch strengere Regeln gelten, sowie einem für normale Bürgerinnen und Bürger vollständig gesperrten Bereich von 10 Metern unmittelbar an der Grenze.
Die Maßnahmen zur Grenzsicherung wurden begleitet von Zwangsumsiedlungen, die unter dem Decknamen Aktion "Ungeziefer" liefen. Die Maßnahmen beruhten auf Befehlen und Weisungen von Stasi-Minister Zaisser, eine gesetzliche Grundlage dafür existierte nicht. Etwa 10.000 "politische unzuverlässige" Grenzbewohner mussten ihre Heimat verlassen.
Diese und spätere Sicherungsmaßnahmen dämmten die Abwanderung über die grüne Grenze immer weiter ein. Zunächst blieb den Ausreisewilligen West-Berlin als Schlupfloch, wo eine vergleichbar abgeriegelte Grenze nur schwer umsetzbar erschien. Erst der radikale Schritt des Mauerbaus 1961 machte auch die Flucht hier lebensgefährlich.
§ 15
Personen, die in der Deutschen Demokratischen Republik ausserhalb der Sperrzone wohnen und die aus beruflichen oder familiären Gründen den 500 m Schutzstreifen betreten wollen, müssen bei dem für ihren Wohnort zuständigen Kreisamt der Deutschen Volkspolizei einen besonderen Passierschein für das Betreten des 500 m Schutzstreifens beantragen.
Diese Besucher sind verpflichtet, ihre Ankunft bzw. Abreise unverzüglich der nächsten Grenzwache zu melden.
Die ortsansässige Bevölkerung ist dafür verantwortlich, dass die im § 13 und 14 genannten Besucher, die sich bei ihnen aufhalten, diese Bestimmungen einhalten.
§ 16
Verstösse gegen diese Verordnung werden mit aller Strenge des Gesetzes bestraft.
Diese Verordnung tritt am 27. Mai 1952 0.00 Uhr in Kraft. [handschriftliche Streichung der letzten Null der Uhrzeit, Ergänzung einer eins]
Ministerium für Staatssicherheit
Der Minister
[Unterschrift: Zaisser]
Republikflucht
Zwischen 1949 und Sommer 1961 flüchteten rund 3 Mio. Menschen aus der DDR. In gesellschaftlichen Krisensituationen wie 1953, 1956 und 1961 schnellten die Zahlen in die Höhe. Der Bau der Mauer am 13. August 1961 stoppte den Flüchtlingsstrom. Das scharfe Grenzregime einschließlich des Einsatzes von Schusswaffen brachte viele Menschen von Fluchtgedanken ab. Die Anzahl der vereitelten Fluchten übertraf die erfolgreichen.
Für einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik gab es bis Ende 1988 keine Rechtsgrundlage. Lediglich im Fall von Familienzusammenführung und anderen humanitären Gründen prüften die Behörden einen Antrag. Erst auf internationalen Druck hin wurde am 30.11.1988 eine vage Rechtsgrundlage fixiert. Dennoch lagen 1980 21.500 Ausreisanträge vor, 1985 53.000, 1987 über 105.000 und schließlich zum Sommeranfang 1989 rund 160.000. Insgesamt sind zwischen 1962 und Ende Oktober 1989 über 795.000 DDR-Bürger offiziell oder flüchtend in die Bundesrepublik entkommen, fast 200.000 davon allein 1989 vor Öffnung der Mauer.
Zu den vordringlichen Aufgaben staatlicher Institutionen zählte es laut SED-Verständnis, fluchtbereite oder ausreisewillige Menschen daran zu hindern, die DDR zu verlassen. Dies sei, so Mielke in der Anweisung 1/60, "eine der wichtigsten Aufgaben bei der Sicherung des Aufbaus des Sozialismus". Um den Wunsch nach Freizügigkeit diskreditieren und kriminalisieren zu können, sprach die SED abwertend von "Republikflucht" oder "ungesetzlichem Grenzübertritt", die ein friedensgefährdendes Verbrechen darstelle. In den letzten Jahren vor dem Mauerbau sind Republikflüchtige zum Teil wie Schwerverbrecher mit Steckbriefen gesucht worden.
Bei der Verhinderung der Republikflucht arbeitete das MfS eng mit der Volkspolizei, der Armee, den Grenztruppen, freiwilligen Grenz- und Polizeihelfern, kommunalen Staatsinstitutionen sowie – in Grenznähe – den SED-Wohngebietsparteiorganisationen zusammen. Beim Zusammenwirken der "bewaffneten", "gesellschaftlichen" und mit der Strafverfolgung betrauten "Organe" nahm das MfS die zentrale Funktion wahr.
Es zeichnete nicht nur im Vorfeld zuständig für die Aufklärung von Fluchtabsichten sowie die Entwicklung und Koordinierung sog. Handlungsvarianten u. a. für den Fluchtfall, sondern übernahm insbesondere mit Spezialkommissionen der Linie IX (Hauptabteilung IX) federführend als zuständiges staatliches Untersuchungsorgan die Strafverfolgung. In "unspektakulären" Fällen wurde dies den Dezernaten II der Kriminalpolizei überlassen.
In den Diensteinheiten der Polizei war das MfS über die enge offizielle Kooperation hinaus auch inoffiziell fest verankert. So stand z. B. im Präsidium der Volkspolizei in Ostberlin eine ständige Einsatzgruppe der Abt. IX der BVfS Berlin zur Verfügung. Starben Menschen beim Fluchtversuch durch Schüsse oder Minen bzw. wurden verletzt, war allein das MfS befugt, Ermittlungen zu führen, Beweise zu sichern, kriminaltechnische und gerichtsmedizinische Untersuchungen zu veranlassen, Maßnahmen der strikten Geheimhaltung – auch gegenüber den Angehörigen der Opfer – durchzusetzen und eigentlich zuständige juristische Instanzen auf formale Kontrollfunktionen zu beschränken.
Vernommen wurden vom MfS alle Personen, denen man aufgrund ihrer persönlichen Verbindung zu festgenommenen oder erfolgreichen Flüchtlingen eine – strafbare – Mitwisserschaft unterstellte. Gelang der Nachweis, so wurden diese häufig in Haft genommen oder vom MfS unter Druck gesetzt. So wurde etwa verlangt, dass sie sich vom Inhaftierten öffentlich lossagen und distanzieren; oder sie sollten bei dem Versuch mitwirken, den Flüchtling zu einer Rückkehr in die DDR zu bewegen. Auch IM Anwerbungen erfolgten unter diesem Druck.
Informationen, die auf Fluchtabsichten hindeuteten, oder Meldungen, die Fluchtversuche, erfolgreiche "Grenzdurchbrüche" oder Sicherheitslücken im Grenzsicherungssystem betrafen, waren dem MfS von den, wie es hieß – "Partnern des Zusammenwirkens" (POZW) – unmittelbar mitzuteilen und mit ihnen zu beraten. Auch im Vorfeld militärischer Planungen z. B. bei der Zusammensetzung von Grenzposten oder beim mehrstufigen Auswahlverfahren zukünftiger Grenzsoldaten und Kader war das MfS nicht nur beratend eingebunden, wie die Aufgabenbreite der Dienstanweisungen 7/71 und 7/84 verdeutlicht.
Seit 1963 wurde die Zusammenarbeit bei der Unterbindung von Fluchten zwischen dem MfS, dem Ministerium für Nationale Verteidigung und ab 1968 mit dem Ministerium des Innern durch vertrauliche inner- und interministerielle Vereinbarungen fixiert. Die innerhalb der Grenztruppen für die Umsetzung und Kontrolle der Vereinbarungen sowie für die Abwehrarbeit innerhalb der Truppen verantwortliche sog. Verwaltung 2000 (ab 1985: der Bereich 2000) setzte sich ausschließlich aus Mitarbeitern der Hauptabteilung I zusammen. Diese waren in den Uniformen der jeweiligen Militäreinheit getarnt und vorrangig in deren Stäben eingesetzt, ohne jedoch der Befehlsgewalt der NVA bzw. Grenztruppen zu unterliegen.
Eine Hauptaufgabe war die permanente Kontrolle der politischideologischen Zuverlässigkeit, um frühzeitig jegliche Hinweise auf politische Abweichungen oder beabsichtigte Fluchten zu entdecken und zu verhindern. Präventiv, gerade aber auch nach Fluchtversuchen wurde nach Schwachstellen im Grenzsicherungssystem gefahndet und auf deren Beseitigung gedrängt.
Auch an den Grenzübergangsstellen (Güst) war das MfS federführend im Einsatz. Mit dem Minister Befehl 446/62 war die Arbeitsgruppe "Passkontrolle und Fahndung" gebildet worden. Spätestens ab 1964 übernahmen mit dem Befehl 40/64 MfS-Mitarbeiter der späteren Pass- und Kontrolleinheiten der Hauptabteilung VI in Uniformen der Grenztruppen vollständig die Kontrolle der Ein- und Ausreisen an den Güst. Nicht zuletzt sollten so Fluchtversuche z. B. mittels Passfälschungen oder Personenschleusungen in Fahrzeugen verhindert und die Einhaltung der Transitregelungen gesichert werden.
Mit dem Befehl 1/75 entstanden die Zentrale Koordinierungsgruppe und die Bezirkskoordinierungsgruppen. Laut Aufgabenbeschreibung bestand ihr Auftrag u. a. in der "Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der DDR" und in der Bekämpfung des "staatsfeindlichen Menschenhandels", also der Unterbindung von Fluchthilfe. Neben den Koordinationsaufgaben im Zusammenhang mit Flucht und Übersiedlung hatten sie vor allem die zahlreichen Berichte der einzelnen Diensteinheiten über das Fluchtgeschehen und die Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen zu analysieren.
Das besondere Augenmerk lag auf der Bekämpfung der spektakulären Fluchtabsichten z. B. mit Flugkörpern, mit schwerer Verkehrstechnik oder den Fluchtversuchen unter Anwendung von Gewalt wie Flugzeugentführungen und Geiselnahmen. Diese oblagen ansonsten der Hauptabteilung XXII.
Mit der Dienstanweisung 10/81 verdeutlichte der Minister in Erweiterung seiner Dienstanweisung 10/66 erneut, dass die Verhinderung von Republikfluchten zentrale Aufgabe aller Diensteinheiten des MfS sei. Für jede Diensteinheit wurden das bereits bestehende spezifische Aufgabenfeld konkretisiert, persönliche Verantwortungen benannt, verbindliche Formen der gegenseitigen Informations- und Kooperationsbeziehungen innerhalb des MfS verfeinert sowie differenzierte Beratungs- und Berichtspflichten erweitert.
Zusätzlich zu den Grenzbeauftragten des MfS, die bereits in der Mitte der 60er Jahre zunächst auf der Linie VII installiert und durch Befehl 2/86 mit erweiterten Aufgaben der Hauptabteilung I unterstellt wurden, wurden zur vorbeugenden Verhinderung von Fluchten in den 80er Jahren ständige Kommissionen für Ordnung und Sicherheit bei den betreffenden kommunalen Institutionen gebildet, die mit dem MfS, speziell deren Grenzbeauftragten, unmittelbar zusammenwirkten und u. a. regelmäßig gemeinsame Grenzbegehungen durchführten, bei denen vermeintliche Sicherheitslücken behoben werden sollten.
Die Grenzbeauftragten sollten auch das "gesellschaftliche" Potenzial – vor allem das der freiwilligen Helfer der Grenztruppen und der Grenzbevölkerung – zur aktiven Mitwirkung an der weit bis ins Hinterland gestaffelten Grenzsicherung mobilisieren. Diese war mit dem Abbau der Minen Ende 1985 eingeführt worden und führte zur Festnahme der meisten Flüchtlinge, bevor diese überhaupt das Grenzgebiet erreichen konnten. Schließlich war das MfS auch maßgeblich in die "politischideologische Arbeit" zur vorbeugenden "Bekämpfung von Flucht und ständiger Ausreise" involviert.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Zur Seite 1 wechseln
Zur Seite 2 wechseln
Zur Seite 3 wechseln
Zur Seite 4 wechseln
Zur Seite 5 wechseln
Zur Seite 6 wechseln
Zur Seite 7 wechseln
Zur Seite 8 wechseln
aktuelle Seite 9
Dienstanweisung Nr. 2/52 der Volkspolizei zu Passierscheinen für die Sperrzone Dokument, 3 Seiten
Bericht zur Aufstellung von Listen auszusiedelnder Personen Dokument, 2 Seiten
Bericht der Kreisverwaltung Bad Salzungen zur Durchführung der Aktion "Ungeziefer" Dokument, 4 Seiten
Bericht über den Verlauf der Aktion "Ungeziefer" in Thüringen Dokument, 5 Seiten