Propagandabroschüre zum Volksaufstand des 17. Juni 1953
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
Metadaten
- Urheber:
- Büro des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front des Demokratischen Deutschland
- Datum:
- 1.11.1953
- Rechte:
- Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO)
Das Ministerium des Innern gibt bekannt....
Am 1. November 1953 wurde folgende Meldung des Ministeriums des Innern veröffentlicht:
"Durch die Wachsamkeit von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik war es in Verbindung mit der Tätigkeit der Organe für Staatssicherheit im Ministerium des Innern möglich, umfangreiche Gruppen der feindlichen Organisation des amerikanischen und westdeutschen Geheimdienstes aufzudecken.
In diesem Zusammenhang wurde in den letzten Tagen eine Reihe Spionage-, Sabotage- und Terrorgruppen zerschlagen, und zwar ein Netz von Agenten des im Dienste der Amerikaner stehenden westdeutschen Spionageapparates unter der Leitung des ehemaligen Hitlergenerals von Gehlen sowie Agentengruppen vom amerikanischen CIC (Counter Intelligente Corps).
Bei den Verhaftungen, die in Berlin, Halle, Cottbus, Potsdam und einigen anderen Orten vorgenommen wurden, sind Geheimsender amerikanischer Herkunft, Waffen, zahlreiches Spionagematerial sowie geheime Instruktionen und Pläne zur Durchführung von gemeinen Anschlägen gegen die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik beschlagnahmt worden.
Es wurde festgestellt, daß die Zentralen der Agenten sich in Westberlin oder in Westdeutschland befinden. Die Hintermänner sind die gleichen Organisatoren, die den faschistischen Putsch am 17. Juni vorbereiteten und durchführten.
Die Untersuchung wird fortgesetzt."
Diese Erklärung wurde von allen ehrlichen und friedliebenden Menschen mit großer Zustimmung und Genugtuung aufgenommen. Unsere Staatsorgane bewiesen erneut, daß sie umsichtig und stark genug sind, um jeden Bürger, der ehrlich seiner Arbeit nachgeht, vor den Anschlägen der Sabotage-, Spionage- und Terrorgruppen zu schützen.
[Bild: Eine Aufnahme von einer Deschriffrierungstafel.]
Zur Nachrichtenübermittlung aus der DDR an Spionageorganisationen in Westdeutschland bedienten sich die Agenten eines Codebuches. Unser Bild zeigt die Originalaufnahme einer Seite des Codebuches.
[Bild: Eine Aufnahme von den beschlagnahmten Spionagematerial.]
Bei Verhaftungen von Mitgliedern feindlicher Geheimagenturen konnte umfangreiches Spionagematerial beschlagnahmt werden. Ein kompletter Geheimsender, der im Besitz eines in der DDR festgenommenen Agenten war.