Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
[Bild 1: Ein Spionagegerät zum versenden und empfangen von Informationen.]
"August 1953 holte ich in Westberlin ein Bettelpaket. Nach der Entgegennahme des Paketes weilte ich entweder auf dem S-Bahnhof Wilmersdorf oder Schöneberg, genau kann ich das nicht angeben. Plötzlich sprach mich ein Unbekannter, etwa 23 Jahre alt, an, und lud mich zu einem Glas Bier ein. Ich nahm dies an, und wir betraten ein in der Nähe liegendes Lokal. Nachdem wir etwa 20 Minuten im Lokal saßen, trat ein Mann an uns heran, der sich mit dem Namen "Ahrens" vorstellte. Im Laufe der Unterhaltung fragte mich "Ahrens" über meine persönlichen Verhältnisse aus. Vor allem interessierte ihn, daß ich im August 1953 meinen Urlaub in Berlin verbringen will.
"Ahrens" bot mir an, sich mit ihm am 18. und 19.08.1953 in einem Lokal am Bayrischen Platz zu treffen, um verschiedene Sachen mit mir zu besprechen. Über was für Sachen, hat er keine näheren Mitteilungen gemacht, und trotzdem willigte ich ein. Am genannten Termin haben wir uns dann getroffen, im Lokal am Bayrischen Platz. Im Laufe dieser Zusammenkunft warb mich "Ahrens" für Spionagetätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik."
Für seine Spionagetätigkeit wurde Schwenk eine finanzielle Unterstützung versprochen. Schwenk sagte aus:
"Über die Höhe wurde während der Anwerbung nicht gesprochen. Im Fall meiner Verhaftung sollte außerdem meine Familie unterstützt werden."
Schwenk sollte gleichfalls als Funker eingesetzt werden. Vorher sollte eine Schulung für seine Funktätigkeit stattfinden. Schwenk sagte bei seiner Vernehmung darüber:
"Die Schulung sollte in der Weise vor sich gehen, daß ich monatlich einmal nach Berlin komme und die Telefonnummer 726 305 anrufen soll. Dann würde ich Bescheid erhalten, wo die Schulung stattfindet."
Eine mehrtägige Schulung für seine Tätigkeit als Funker fand auch statt. Kurz danach wurde Schwenk verhaftet.
Für ein Schmalzpaket haben sich deutsche Menschen bereitgefunden, ihre nationale Würde in den Schmutz zu treten und zu einem verbrecherischen Werkzeug gegen die Interessen des eigenen Volkes zu werden.
Als der amerikanische Paketrummel in Westberlin mit viel Reklame-Geschrei unter dem Deckmantel der "Menschenfreundlichkeit" ins Leben gerufen wurde, haben deutsche Patrioten ihre Stimme erhoben und die Bevölkerung vor der Annahme dieser Bettelpakete gewarnt. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands halte eindringlich die wahren Hintergründe dieser Aktion erläutert und niemand darüber im unklaren gelassen, was die amerikanischen Haifische unter "Menschenfreundlichkeit" verstehen. Wieder einmal mehr ist nun der schlüssige Beweis erbracht, daß die amerikanische Paketaktion in Wirklichkeit ein Vorwand zur Anwerbung von Agenten war und ist.
USA-Spion im eigenen Draht gefangen
Der 38jährige ehemalige Nazi-Major Werner Haase (Deckname: Wilhelm Heister) war Leiter der Filiale 120 A in der Spionageorganisation Gehlen.
Haase erhielt den Auftrag, eine Telefonschleuse aus dem demokratischen Sektor nach Westberlin zu
[Bild 2: Lichtbild von Werner Haase.]
Nazi-Major und Leiter einer Spionagefiliale Werner Haase legt keine Telefonanschlüsse mehr.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Funker waren OibE oder IM, die im sogenannten Operationsgebiet die Funkverbindung zwischen einer Residentur und dem MfS gewährleisteten. Sie wurden vornehmlich von der Hauptverwaltung A geführt. Für diese Tätigkeit kamen grundsätzlich nur DDR-Bürger in Frage, die nach einer spezifischen Ausbildung und Schulung in die Bundesrepublik übergesiedelt wurden und danach zunächst eine Weile inaktiv waren. Zuletzt verfügte die HV A über 18 Funker.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
[Bild 1: Eine Lageskizze zur Veranschaulichung über Ort und Stelle der Kabelverlegung.]
Die von Haase angefertigte Lageskizze.
[Bild 2: Ein Fotoaufnahme, welche die Stelle zeigt bei der das Kabel durchgeführt werden sollte.]
Hier sollte das Kabel durchgeführt werden.
legen. Nachdem er gemeinsam mit dem Agenten Heinze das Gelände in Treptow erkundet hatte, gab er seiner Zentrale einen genauen schriftlichen Bericht, wie er den Auftrag auszuführen gedachte. In seinem Bericht heißt es:
"Das Kabel kann aus der Trommel heraus ohne vorheriges Umwickeln verlegt werden.
Eine Mitnahme des gesamten Kabels (Trommel) durch den Verlegenden ist nicht erforderlich, das Kabel zieht sich auch über 200m leicht und ohne Geräusch aus der Trommel heraus.
Eine Beschwerung des Kabels in Abständen von etwa 20m ist erforderlich.
Das Gelände für die Verlegung im Graben wurde durch Heinze und am 05.11.1953 durch Leiter hiesiger Stelle noch einmal erkundet.
An Ort und Stelle wurde festgestellt, daß die kleine Brücke nur unter Schwierigkeiten unterkrochen werden kann. Abstand zwischen Brücke und Wasseroberfläche sind etwa 20 cm. Es ist geplant, ein kleines Spielzeug-Motorboot zu kaufen, und mit ihm eine Angelschnur durchzuziehen, an die das Kabel dann angebunden wird.
Am 09.11.1953 ist eine erneute Aussprache mit V-3460/18 festgesetzt, bei der das vorherige Durchschneiden einiger Maschendrahtstellen und die eventuelle vorherige Verlegung der Angelschnur unter der Brücke festgelegt werden sollen.
Eine Verständigungsprobe mit den angelieferten Fernsprechapparaten verlief einwandfrei. Verständigung: "gut".
Es ist beabsichtigt, die Verlegung im Graben bis zur Bahnstrecke zwischen dem 12. und 15.11.1953 durchzuführen."
Diesem Bericht fügte er die abgebildete Lageskizze bei. Auf Anweisung seiner Spionagezentrale "verschlüsselte" er die Straßennamen und wählte unverfängliche Handwerkerbezeichnungen wie "Damenschneiderweg" und "Küferstraße".
In den späten Abendstunden des 13. November 1953 wurde Haase bei der Ausführung seiner Tat verhaftet. Bei seiner Vernehmung sagte er u.a. aus:
"Ich begab mich mit Heinze In das besagte Laubengelände im Westsektor, um aus dieser Richtung an den Neidkamp-Graben und die Brücke an der Kiefholzstraße heranzukommen. Da die Laubentore jedoch verschlossen waren und mein Versuch, mit einem mitgeführten Dietrich diese zu öffnen, erfolglos blieb, wählten wir den Weg über die Kiefholzstraße. Wir gingen ungefähr 50 Meter im demokratischen Sektor, entlang der Kiefholzstraße, in Richtung auf die Grabenbrücke. Bevor wir den Westsektor erreichen konnten, wurden wir festgenommen.
[Bild 3: Eine Kabeltrommel mit englischer Beschriftung: "Payout End MX-306A/G General Cable Corp. 1951."]
An der amerikanischen Herkunft der Kabeltrommeln ist nicht zu zweifeln.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 18533, Bl. 1-34
Obwohl die westlichen Geheimdienste den Volksaufstand in der DDR verschliefen, deutete die SED-Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
1953 entzündete sich an Normerhöhungen der gärende Unmut der DDR-Bürger. Aus spontanen Streiks von Arbeitern in Industriebetrieben und auf Baustellen in Ost-Berlin entwickelte sich ein Aufstand, der das ganze Land erfasste. Erst die Präsenz sowjetischer Truppen auf den Straßen des Landes brachte die Lage wieder unter Kontrolle der Staatsmacht.
Der Volksaufstand traf das MfS genauso unvorbereitet wie die SED-Führung. Weil die SED aber nicht akzeptieren konnte, dass große Teile der Bevölkerung ihre Politik ablehnten, deutete ihre Führung den Aufstand kurzerhand propagandistisch um. Es sei ein aus dem Ausland gesteuerter "faschistischer" Putsch gewesen.
Im November 1953 fielen der DDR-Staatssicherheit Dokumente des bundesdeutschen Nachrichtendienstes "Organisation Gehlen" aus der Zeit unmittelbar nach den Juni-Ereignissen in die Hände. Daraus wird unter anderem deutlich, dass die spontane Entstehung der Streikbewegung genauso wenig in das Weltbild der westdeutschen Nachrichtendienstler wie in das der DDR-Sicherheitsorgane passte.
Die Dokumente offenbarten ein solches Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit, dass die These einer westlichen Steuerung der Ereignisse schon damit hätte erledigt sein müssen. Während die Stasi beweisen wollte, dass es sich bei dem Volksaufstand um einen aus dem Westen gesteuerten Putsch gehandelt habe, glaubten die westlichen Geheimdienste, es handelte sich um eine von den Sowjets inszenierte Aktion.
Trotzdem und wider besseren Wissens gab der Nationalrat eine Broschüre heraus, in der die westlichen Geheimdienste und Organisationen beschuldigt werden, den Aufstand "vorbereitet und durchgeführt" zu haben.
Ich habe das Vernehmungsprotokoll selbst gelesen. Der Inhalt dieses Vernehmungsprotokolles entspricht in allen Teilen den von mir gemachten Aussagen. Meine Worte sind darin richtig wiedergegeben.
gez. Werner Haase"
[Bild 1: Auszüge aus dem Vernehmungsprotokoll.]
Eine Seite des Vernehmungsprotokolls mit der Unterschrift Haases. Die Skandal-Reporter des "Telegraf" sind wieder um eine Sensation ärmer geworden. Haases Aussagen widerlegen ihr Gefasel vom "Menschenraub".
Alle nur erdenklichen Mittel der Sabotage und des Diversantentums werden von den amerikanisch geleiteten Terrorbanden angewendet, um unseren Staats- und Wirtschaftsapparat zu desorganisieren. Im vorliegenden Fall sollten mit Hilfe von Telefonschleusen wichtige Staatsgeheimnisse unserer Republik den Spionagechefs zur Auswertung übermittelt werden. Das Vorhaben scheiterte an der Wachsamkeit unserer Bevölkerung.
Übrigens scheint die Spionage mit Hilfe des Telefonnetzes eine beliebte Methode des amerikanischen Geheimdienstes in Westdeutschland zu sein. Lesen wir, was die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" -vom 28. November 1953 unter der Überschrift "Der dritte Mann am Telefon" ihren Lesern mitzuteilen hat:
"Ein angesehener Geschäftsmann in einer westdeutschen Stadt hat aus manchen Anzeichen die Überzeugung gewonnen, seine Telefongespräche würden seit Monaten durch alliierte Dienststellen abgehört. Er scheut sich, wichtige geschäftliche oder private Angelegenheiten anders als mündlich zu besprechen, bittet ratlos einen Wirtschaftsverband und die Bundespost um Aufklärung und erfährt nur, die alliierte Telefonüberwachung sei in den letzten Monaten erheblich eingeschränkt worden. Überdies richte sie sich nur gegen Spionageverdächtige, rechts- oder linksradikale Politiker und Teilnehmer an illegalen Osthandelstransaktionen — gegen einen Personenkreis also, von dem sich der erwähnte Geschäftsmann mit gutem Gewissen zu distanzieren vermag. Er Ist in dieser Lage kein Einzelfall; eine ähnliche Unruhe verspüren überall im Bundesgebiet Industrielle, Exporteure, Juristen und sogar hohe Bundesbeamte in Bonn, die einen geheimnisvollen dritten Mann an ihren Telefonleitungen zu wittern glauben.
Alliierte Beamte legen gegenüber Fragen über die Telefonüberwachung und die Postzensur eine bemerkenswerte Schweigsamkeit an den Tag...
Die Existenz von Abhöreinrichtungen und Zensurstellen wird dennoch niemals ernsthaft bestritten ...
Meldungen, allein in Hamburg würden achthundert Leitungen überwacht, sind niemals dementiert worden. Die unausbleibliche Folge ist eine wachsende Unruhe in deutschen Wirtschaftskreisen, in denen die vor der Revision des Besatzungsstatuts ganz offensichtlich berechtigte Befürchtung herrscht, die Telefonüberwachung kontrolliere auch die Exportbemühungen und sonstigen Wirtschaftsverhandlungen deutscher Firmen ..."
Diese Nachricht zeigt sehr deutlich, daß die amerikanischen Besatzer sich vor Gesprächen fürchten, die nicht in ihre Kriegsvorbereitungen passen. Selbst geschäftliche Verbindungen deutscher Kaufleute werden bespitzelt. Besonderes Interesse der USA finden dabei natürlich alle Versuche, Handelsbeziehungen mit der DDR anzuknüpfen. Der ungehinderte innerdeutsche Handel würde die friedliche Verständigung der Deutschen aus Ost und West erleichtern. Das wollen die Amerikaner nicht zulassen.
[Bild 2: Ein Ausschnitt aus der Zeitung Frankfurter Allgemeine mit dem Titel "Der Dritte Mann am Telefon - Unruhe über den Fortbestand der alliierten Telefonüberwachung".]
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Entwurf einer Regierungserklärung zur Aktion "Blitz" Dokument, 22 Seiten