Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 15341, Bd. 3, Bl. 11-18
Nur eine halbe Stunde Beweisaufnahme benötigte das Stadtbezirksgericht Pankow, um einen Angeklagten 1984 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zu verurteilen. Zeugen wurden nicht gehört, der Anwalt stellte keine einzige Frage, sagte nichts gegen den Sachvortrag des Staatsanwalts und bat lediglich die Strafhöhe zu prüfen.
In der späten DDR war eine verhältnismäßig geringe Anzahl von etwa 600 Anwälten tätig. Sie wurden nach ihrer Systemtreue ausgewählt. In politischen Prozessen konnten sie ihrer Funktion nur eingeschränkt gerecht werden, denn die Verhandlungen wurden - wenn auch meist indirekt – politisch gesteuert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dominierte das Ermittlungsverfahren, Staatsanwaltschaft und Richter dagegen die Hauptverhandlung. Darüber verkümmerte das Recht auf Verteidigung in den meisten politischen Prozessen, die sich zu drei Viertel gegen Bürger richteten, die die DDR verlassen wollten.
In den 70er und 80er Jahren war eine geheime und kurze Hauptverhandlung in politischen Prozessen gegen ausreisewillige Bürger typisch. Die Verhandlungsdauer verkürzte sich beispielsweise in Berlin von durchschnittlich sechs auf dreieinhalb Stunden, viele Verfahren dauerten weniger als eine Stunde. Zudem verhielten sich die Anwälte zumeist relativ passiv.
1984 verurteilte das Stadtbezirksgericht Pankow einen DDR-Bürger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen der "Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit". Er hatte sich nachts am Zaun der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, die die Funktion einer Botschaft wahrnahm, festgehalten, als ihn Uniformierte aufgefordert hatten mit zu kommen.
Das vorliegende Verhandlungsprotokoll zeigt, dass die Beweisaufnahme gegen diesen Bürger eine halbe Stunde dauerte. Zeugen wurden nicht gehört, der Anwalt stellte keine einzige Frage, sagte nichts gegen den Sachvortrag des Staatsanwalts und bat lediglich die Strafhöhe zu prüfen.
Öffentliche Hauptverhandlung
des Stadtbezirksgerichts Pankow
Strafkammer
Strafsenat
Bürger, den 6.4.1984
Strafsache
gegen den Bürger
[anonymisiert]
[anonymisiert]
w: [anonymisiert]
Staatsbürger der DDR
[anonymisiert]
seit dem 03.03.84 in U-Haft
wegen
Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit
Anwesend:
Richter Marienfeld (als Vorsitzender)
Frau Lipka, Frau Lindner (als Schöffen/beis. Richter)
GSTA Herr Bergmann (als Staatsanwalt)
[Auslassung] (als gesellschaftlicher Ankläger/Verteidiger)
JA Frau Maaß (als Protokollführer)
Beginn: 10.30 Uhr
Ende: [Auslassung]
UV: 14.30 Uhr
Die Verhandlung beginnt mit dem Aufruf des Angeklagten.
Es melden sich
Angeklagter -vorgeführt-
RA Starkulla
Die ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten wurde [handschriftlich: festegestellt]
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 15341, Bd. 3, Bl. 11-18
Nur eine halbe Stunde Beweisaufnahme benötigte das Stadtbezirksgericht Pankow, um einen Angeklagten 1984 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zu verurteilen. Zeugen wurden nicht gehört, der Anwalt stellte keine einzige Frage, sagte nichts gegen den Sachvortrag des Staatsanwalts und bat lediglich die Strafhöhe zu prüfen.
In der späten DDR war eine verhältnismäßig geringe Anzahl von etwa 600 Anwälten tätig. Sie wurden nach ihrer Systemtreue ausgewählt. In politischen Prozessen konnten sie ihrer Funktion nur eingeschränkt gerecht werden, denn die Verhandlungen wurden - wenn auch meist indirekt – politisch gesteuert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dominierte das Ermittlungsverfahren, Staatsanwaltschaft und Richter dagegen die Hauptverhandlung. Darüber verkümmerte das Recht auf Verteidigung in den meisten politischen Prozessen, die sich zu drei Viertel gegen Bürger richteten, die die DDR verlassen wollten.
In den 70er und 80er Jahren war eine geheime und kurze Hauptverhandlung in politischen Prozessen gegen ausreisewillige Bürger typisch. Die Verhandlungsdauer verkürzte sich beispielsweise in Berlin von durchschnittlich sechs auf dreieinhalb Stunden, viele Verfahren dauerten weniger als eine Stunde. Zudem verhielten sich die Anwälte zumeist relativ passiv.
1984 verurteilte das Stadtbezirksgericht Pankow einen DDR-Bürger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen der "Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit". Er hatte sich nachts am Zaun der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, die die Funktion einer Botschaft wahrnahm, festgehalten, als ihn Uniformierte aufgefordert hatten mit zu kommen.
Das vorliegende Verhandlungsprotokoll zeigt, dass die Beweisaufnahme gegen diesen Bürger eine halbe Stunde dauerte. Zeugen wurden nicht gehört, der Anwalt stellte keine einzige Frage, sagte nichts gegen den Sachvortrag des Staatsanwalts und bat lediglich die Strafhöhe zu prüfen.
Der Vorsitzende gibt die Namen der Richter, Schöffen, des Staatsanwaltes, des Verteidigers, des gesellschaftlichen Anklägers, des gesellschaftlichen Verteidigers und des Protokollführers bekannt.
[Durchgestrichen: D [Auslassung] Zeug [Auslassung] wird/werden aufgefordert, bis zur Vernehmung den Verhandlungssaal zu verlassen.]
Die Feststellung der Personalien des Angeklagten ergibt:
1. [Auslassung]
2. [Auslassung]
3. [Handschriftlich: wie aktenkundig]
4. [Auslassung]
Der Staatsanwalt trägt den wesentlichen Inhalt der Anklage vor. Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens wird verlesen.
Es folgt die Vernehmung des Angeklagten zur Person und zur Sache.
[Handschriftlich:
Zur Person:
[anonymisiert] geboren
[anonymisiert] Geschwister
vorw. [anonymisiert]
[anonymisiert] Abschluß
Lehre [anonymisiert]
mehreren Betrieben gearbeitet
[anonymisiert] bis zur Inhaftierung
[anonymisiert] vorbestraft
letzte Strafe]
[Stempel:
b.u.v.
Gemäß § 51 StPo wird zum Gegenstand
der Beweisaufnahme gemacht und verlesen:
Blatt [unleserlich] 48 der Akte - Aussage des
Angeklagten/Zeugen/-
Sachverständigengutachten
Grund]
[Anonymisiert]
[Handschriftlich: Urteil v. [anonymisiert]]
[Stempel:
b.u.v.
Gemäß § 51 StPO wird zum Gegenstand
der Beweisaufnahme gemacht und verlesen:
Blatt [Auslassung] der Akte - Aussage des
Angeklagten/Zeugen/-
Sachverständigengutachten
Grund]
[Anonymisiert]
[Handschriftlich: Urteil anonymisiert]]
[Handschriftlich: Stadtbez. Gericht]
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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Signatur: BStU, MfS, AU, Nr. 15341, Bd. 3, Bl. 11-18
Nur eine halbe Stunde Beweisaufnahme benötigte das Stadtbezirksgericht Pankow, um einen Angeklagten 1984 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zu verurteilen. Zeugen wurden nicht gehört, der Anwalt stellte keine einzige Frage, sagte nichts gegen den Sachvortrag des Staatsanwalts und bat lediglich die Strafhöhe zu prüfen.
In der späten DDR war eine verhältnismäßig geringe Anzahl von etwa 600 Anwälten tätig. Sie wurden nach ihrer Systemtreue ausgewählt. In politischen Prozessen konnten sie ihrer Funktion nur eingeschränkt gerecht werden, denn die Verhandlungen wurden - wenn auch meist indirekt – politisch gesteuert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dominierte das Ermittlungsverfahren, Staatsanwaltschaft und Richter dagegen die Hauptverhandlung. Darüber verkümmerte das Recht auf Verteidigung in den meisten politischen Prozessen, die sich zu drei Viertel gegen Bürger richteten, die die DDR verlassen wollten.
In den 70er und 80er Jahren war eine geheime und kurze Hauptverhandlung in politischen Prozessen gegen ausreisewillige Bürger typisch. Die Verhandlungsdauer verkürzte sich beispielsweise in Berlin von durchschnittlich sechs auf dreieinhalb Stunden, viele Verfahren dauerten weniger als eine Stunde. Zudem verhielten sich die Anwälte zumeist relativ passiv.
1984 verurteilte das Stadtbezirksgericht Pankow einen DDR-Bürger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen der "Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit". Er hatte sich nachts am Zaun der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, die die Funktion einer Botschaft wahrnahm, festgehalten, als ihn Uniformierte aufgefordert hatten mit zu kommen.
Das vorliegende Verhandlungsprotokoll zeigt, dass die Beweisaufnahme gegen diesen Bürger eine halbe Stunde dauerte. Zeugen wurden nicht gehört, der Anwalt stellte keine einzige Frage, sagte nichts gegen den Sachvortrag des Staatsanwalts und bat lediglich die Strafhöhe zu prüfen.
[Stempel:
b.u.v.
Gemäß § 51 StPO wird zum Gegenstand
der Beweisaufnahme gemacht und verlesen:
Blatt 83 der Akte - Aussage des
Angeklagten/Zeugen/-
Sachverständigengutachten
Grund]
[Handschriftlich: Urteil Stadtgericht]
[Handschriftlich:
Zur Sache:
Seit 1977
glaube 3 Anträge, Abt. Inneres [anonymisiert]
[anonymisiert] Aussprache, Antrag würde nochmals geprüft, nichts unternommen
glaubte den Mitarbeitern nicht mehr
bin alleine auf den Gedanken, zur St. Vertretung zu gehen meine Übersiedlung nach Westdeutschl. erreichen
an die 18 anderen Bürger gedacht
dachte, klappt bei mir auch
am [anonymisert], weil ich noch gearbeitet habe
weil stark bewacht ist, nachts versucht,
dachte kann nachts, keine starke Kontrolle, Gebäude auf ist.
war vorher 1978 schon mal drin
nachts nicht da gewesen
10-12 Bier getrunken,
keine Gedanken gemacht über Trunkenheit
nein, niemanden informiert
gleich zur St. Vertretung
mit Nachtbus b. Invalidenstr. hin gelau
Postenhaus vorbei, 2 VP-Ange. Ausweis verlangt
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Ein Untersuchungsvorgang war eine bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des MfS und ggf. dem späteren Gerichtsverfahren entstandene Akte, die den Hergang des Strafverfahrens widerspiegelt und auch häufig Informationen zur Strafvollstreckung enthält.
Untersuchungsvorgänge zeigen die offizielle wie auch die inoffizielle Ebene des Verfahrens. Sie enthalten sowohl das strafprozessual legale Material (Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, Anklageschrift, Verhandlungsprotokoll, Urteil u. a.) als auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters, etwa zu konspirativen Ermittlungsmaßnahmen operativer Abteilungen oder Berichte von Zelleninformatoren.
Ein archivierter Untersuchungsvorgang kann bis zu sieben Bestandteile umfassen: Gerichtsakte, Beiakte zur Gerichtsakte, Handakte zur Gerichtsakte, Handakte zum Ermittlungsverfahren, Beiakte zur Handakte des Ermittlungsverfahrens, manchmal auch Vollstreckungsakten und ggf. die Akte des Revisions- oder Kassationsverfahrens.
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