Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 6886, Bl. 199-202
1976 wurde der Anwalt Götz Berger, der gleichzeitig Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit war, vom Justizministerium aus der DDR-Anwaltschaft entfernt. Der Vorwurf: Er hätte sich zu sehr mit seinen Mandanten identifiziert
In der späten DDR war eine verhältnismäßig geringe Anzahl von etwa 600 Anwälten tätig. Sie wurden nach ihrer Systemtreue ausgewählt. In politischen Prozessen konnten sie ihrer Funktion nur eingeschränkt gerecht werden, denn die Verhandlungen wurden - wenn auch meist indirekt – politisch gesteuert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dominierte das Ermittlungsverfahren, Staatsanwaltschaft und Richter dagegen die Hauptverhandlung. Die Partei, das Justizministerium und das Ministerium für Staatssicherheit achteten darauf, dass die Anwälte gewissen Bahnen nicht verließen. Um die Juristen kontrollieren zu können, warb das MfS einzelne Anwälte als Inoffizielle Mitarbeiter (IM).
Einer dieser IM war der Anwalt Götz Berger. Der jüdisch-kommunistische Jurist hatte vor den Nationalsozialisten fliehen müssen und nach dem Zweiten Weltkrieg das Justizwesen in der DDR mit aufgebaut. Als Richter hatte er harte Urteile gegen Widerständige ausgesprochen.
Durch Kontakte zu dem Kritiker des Stalinismus Robert Havemann ging er zu einigen Entwicklungen in der DDR auf Distanz. Als das MfS Havemann mit juristischen Mitteln verfolgte, hielt Berger als Anwalt dagegen. Nach der Ausbürgerung des Havemann-Freundes Wolf Biermann nach einem Konzert in Köln im November 1976, protestierte Berger im Namen der Ehefrau des Liedermachers bei der SED-Führung.
Berger wurde daraufhin vorgeworfen, sich mit seinen Mandanten Havemann identifiziert zu haben. Justizministerium und SED trommelten alle Berliner Anwälte in mehreren Versammlungen im Dezember 1976 zusammen, wo sie sich von Berger distanzieren sollten. Noch im selben Jahr wurde Berger vom Justizministerium der DDR aus der Anwaltschaft entfernt.
Niederschrift
über die Versammlung der Mitglieder des Kollegiums Berlin (die an den Versammlungen am 2. und 3.12.1976 nicht teilgenommen haben) und der berliner Einzelanwälte am 6.12.1976.
Anwesend waren: Staatssekretär Dr. Kern, Gen. Häusler, Gen. Dr. Hugot und Gen. Dr. Wirth
Von den Mitgliedern des Kollegiums haben alle die Mitglieder teilgenommen, die in den Versammlungen am 2. und 3.12. nicht anwesend waren, außer:
Lischack - Kur
Gysi - krank
Bell - krank
Ölschlägel - Entbindung
Von den 13 eingeladenen Einzelanwälten waren anwesend:
Bötzel
Dr. J. Gentz
Starkulla
Dr. Ullmann
Waack
Wünsche
Irmscher (hat am 3.12. teilgen.)
Von den Einzelanwälten fehlten:
Bessau - Urlaub
Foth - Lähmung, an den Rollstuhl gebunden
Vogel - auswärtige Tätigkeit
Prof. Kaul - unentschuldigt
Kanert - unentschuldigt
Dr. Kern: erläutert die Entscheidung des Ministers über die sofortige Abberufung [Götz] Bergers, so wie in den vorangegangenen Versammlungen. Dabei informiert er auch über die Stellungnahme von Berger in der Parteiversammlung.
[Anonymisiert]: Ich habe heute das erste mal davon gehört und ich muß sagen, daß ich erschüttert bin. Ich habe Berger immer für einen ehrlichen Kommunisten gehalten, schon wegen seiner Vergangenheit. Ich habe ihn oft in Verhandlungen erlebt und festgestellt, daß er dazu neigt, sich mit den Auffassungen seiner Mandanten zu identifizieren. Ich habe ihn deshalb als alten, senilen Mann angesehen. Das was er getan hat, verlangt seine Abberufung, weil er sich als Anwalt nicht so verhalten hat, wie das in unserem Staat notwendig ist. Er hätte auf Havemann einen positiven Einfluß ausüben können oder mit ihm brechen müssen. Aber sein objektives Verhalten ist entscheidend und deshalb ist die getroffene Entscheidung richtig.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 6886, Bl. 199-202
1976 wurde der Anwalt Götz Berger, der gleichzeitig Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit war, vom Justizministerium aus der DDR-Anwaltschaft entfernt. Der Vorwurf: Er hätte sich zu sehr mit seinen Mandanten identifiziert
In der späten DDR war eine verhältnismäßig geringe Anzahl von etwa 600 Anwälten tätig. Sie wurden nach ihrer Systemtreue ausgewählt. In politischen Prozessen konnten sie ihrer Funktion nur eingeschränkt gerecht werden, denn die Verhandlungen wurden - wenn auch meist indirekt – politisch gesteuert. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) dominierte das Ermittlungsverfahren, Staatsanwaltschaft und Richter dagegen die Hauptverhandlung. Die Partei, das Justizministerium und das Ministerium für Staatssicherheit achteten darauf, dass die Anwälte gewissen Bahnen nicht verließen. Um die Juristen kontrollieren zu können, warb das MfS einzelne Anwälte als Inoffizielle Mitarbeiter (IM).
Einer dieser IM war der Anwalt Götz Berger. Der jüdisch-kommunistische Jurist hatte vor den Nationalsozialisten fliehen müssen und nach dem Zweiten Weltkrieg das Justizwesen in der DDR mit aufgebaut. Als Richter hatte er harte Urteile gegen Widerständige ausgesprochen.
Durch Kontakte zu dem Kritiker des Stalinismus Robert Havemann ging er zu einigen Entwicklungen in der DDR auf Distanz. Als das MfS Havemann mit juristischen Mitteln verfolgte, hielt Berger als Anwalt dagegen. Nach der Ausbürgerung des Havemann-Freundes Wolf Biermann nach einem Konzert in Köln im November 1976, protestierte Berger im Namen der Ehefrau des Liedermachers bei der SED-Führung.
Berger wurde daraufhin vorgeworfen, sich mit seinen Mandanten Havemann identifiziert zu haben. Justizministerium und SED trommelten alle Berliner Anwälte in mehreren Versammlungen im Dezember 1976 zusammen, wo sie sich von Berger distanzieren sollten. Noch im selben Jahr wurde Berger vom Justizministerium der DDR aus der Anwaltschaft entfernt.
[Anonymisiert]: Ich habe nur 3 Bemerkungen: 1. bin ich dankbar für die umfassende Information durch einen so hohen Funktionär. 2. ist es völlig klar, daß sich Berger auf die Seite des Feindes gestellt hat. Die Abberufung ist richtig. 3. hätte das MdJ die Sache dem Kollegium zur Entscheidung überlassen sollen, denn im Kollegium wäre auch keine andere Entscheidung getroffen worden.
Häusler: erläutert die Notwenigkeit, eine schnelle Entscheidung zu treffen. Die Klassenkampfsituation verlangte ein sofortiges reagieren. Sicher hätte das Kollegium auch so entschieden, aber die Durchführung eines Disziplinarverfahrens, das zeigen die Erfahrungen, hätte zu lange gedauert.
Gen. Häusler informiert über die Stellungnahme der ZRK.
[Anonymisiert]: Ich bin für die Information dankbar. Die Auseinandersetzung ist vorallem für die jungen Kollegen hilfreich, um die ideologischen Probleme richtig zu erkennen. Die Haltung von Berger habe ich kaum für möglich gehalten. Die Maßnahme ist begründet und nur zu billigen. Seit längerer Zeit war bei Berger Altersstarrsinn festzustellen und deshalb wurde er von mehreren Kollegen ersucht, seine anwaltliche Tätigkeit einzustellen. Die Maßnahme, auch als sofortige Maßnahme, war notwendig.
[Anonymisiert]: Jeder muß dazu einen Standpunkt beziehen. Nicht das Alter war ausschlaggebend, sondern seine politische Einstellung und Entwicklung. Er hat sich mit den feindlichen Auffassungen dieser Gruppe identifizeirt. Ein Rechtsanwalt kann seinen Einfluß geltend machen oder sich von diesen Personen distanzieren. Seine Haltung bestand ja schon länger. Berger handelte zu einem Zeitpunkt, als sich die ideologische Diversion, die gesteuerten Aktionen, zuspitzten. Jetzt hat er sich geäußert. Bestimmte Situationen verlangen schnelle Entscheidungen. Jetzt sind für jeden Schlußfolgerungen zu ziehen, welche Position der Rechtsanwalt beziehen muß.
[Anonymisiert]: Ich habe keine andere Meinung. Es ist gefährlich, wenn man dabei Bedauern einschließt. Bei solcher
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Vorschlag zur Anwerbung des Anwalts Götz Berger als Geheimen Informator Dokument, 4 Seiten
Bericht zu einem Treff mit der Anwältin IMV "Dolly" Dokument, 2 Seiten
Verpflichtungserklärung einer Jurastudentin zur inoffiziellen Zusammenarbeit unter dem Decknamen "Dolly" Dokument, 2 Seiten
Bericht über die Aktivitäten von Biermann-Freunden in der DDR nach dessen Ausbürgerung Dokument, 10 Seiten