Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4217, Bl. 2-12
Der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow stellte im Januar 1987 auf dem Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion fest: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen." Damit bestärkte er die mit seinem Amtsantritt eingeleitete Reformpolitik um "Glasnost" und "Perestroika". SED und Staatssicherheit befürchteten eine Weiterverbreitung von Gorbatschows Reformideen. Die Stasi dokumentierte daher Reaktionen aus der DDR-Bevölkerung auf die Plenartagung der KPdSU.
Der Reformpolitik Michail Gorbatschows trat das SED-Regime mit zunehmender Ablehnung entgegen. Der Parteitag der Sowjetkommunisten Anfang des Jahres 1986, auf dem Gorbatschow den neuen strategischen Kurs von "Glasnost" und "Perestroika" herausstellte, führte erstmals zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der SED-Führung und den sowjetischen Reformern. Während SED-Generalsekretär Honecker ein tiefes Misstrauen gegen den im Westen gefeierten "Erneuerer" des Sozialismus hegte, war Gorbatschow über die Zurückhaltung in Ost-Berlin und die Unfähigkeit, sich dem historischen Wandel zu stellen, verärgert.
Auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (ZK der KPdSU) vom 27./28. Januar 1987 übte Generalsekretär Gorbatschow in seiner Rede "Über die Umgestaltung und die Kaderpolitik der Partei" scharfe Kritik an seinen Vorgängern und der politischen und ökonomischen Stagnation der 70er und der beginnenden 80er Jahre. Die Reformen wurden auf das politische System ausgeweitet und die politische Entmündigung der Gesellschaft durch den Einparteienstaat damit in Frage gestellt (Gorbatschow: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen."). Das Parteiorgan "Neues Deutschland" (ND) druckte die Rede – wie viele kritische Aussagen Gorbatschows – nicht im vollen Wortlaut, sondern in einer verharmlosenden Zusammenfassung.
In Ost-Berlin sah man sich auf dem richtigen Weg und war der Meinung, dass die Sowjetunion mit ihrem Reformkurs lediglich das nachhole, was die DDR seit den 70er Jahren praktiziere. Auf klare Ablehnung stieß die umfassende Selbstkritik des sowjetischen Regimes und der KPdSU. Die SED-Führung sah keinen Anlass zur Selbstkritik.
Für Partei- und Sicherheitsapparat wurde es nun immer wichtiger, die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten. Sie befürchteten eine Weiterverbreitung der Reformideen Gorbatschows. In breiten Bevölkerungskreisen registrierte die Stasi ein großes Interesse an den Ausführungen Gorbatschows und lebhafte Diskussionen. Ihrer Einschätzung nach dominierte in den Meinungsäußerungen eine eindeutige Zustimmung zur Politik der KPdSU. Parteimitglieder wiesen darauf hin, dass entsprechende Schlussfolgerungen aus dem KPdSU-Plenum auch für die DDR gezogen werden müssten. In diesem Zusammenhang wurde in zahlreichen Arbeitskollektiven auf die Notwendigkeit der Schaffung einer "offeneren und kritischeren Atmosphäre" in allen Lebensbereichen hingewiesen. Das betraf insbesondere die Informationspolitik der DDR, die aus gegebenem Anlass auf heftige Kritik stieß, da der volle Wortlaut der Rede Gorbatschows nicht veröffentlicht wurde. Darüber hinaus wurde aber auch eine gewisse Verunsicherung bei Partei- und Gewerkschaftsfunktionären spürbar, vermissten sie doch eine fehlende Orientierung der übergeordneten staatlichen Leitung und verbanden damit die Forderung einer raschen und gründlichen Auswertung des KPdSU-Plenums.
Aus mehreren Bezirken der DDR, darunter Schwerin, liegen Hinweise über Äußerungen von Partei- und Gewerkschaftsfunktionären vor, wonach sie sich auf Grund fehlender Orientierungen übergeordneter Leitungen verunsichert fühlen. (Man erwarte u.a. auch, daß konkrete Antworten gegeben werden über den Inhalt solcher in der Rede des Gen. Gorbatschow mehrfach verwendeten Begriffe wie Selbstverwaltung, Umgestaltung und Demokratisierung der sowjetischen Gesellschaft, um z.B. geäußerten Diskussionen von Parteiveteranen im Bezirk Halle über mögliche Liberalisierungstendenzen in der UdSSR entgegnen zu können [handschriftliche Ergänzung: )] Vorgenannte Personenkreise argumentieren in diesem Zusammenhang, im Gegensatz zu heute sei in früheren Jahren auf eine sofortige und tiefgründige Auswertung der Dokumente der KPdSU gedrängt worden. Verärgerung und Unverständnis riefen die in Einzelfällen durch Parteifunktionäre und staatliche Leiter gegebenen Orientierungen hervor, sich nicht mit der Auswertung des Januarplenums der KPdSU zu befassen, da es sich ausschließlich um Probleme der UdSSR bzw. der KPdSU handele. So sei auf einer Beratung der SED-Kreisleitung der Staatlichen Plankommission (SPK) am 28. Januar 1987 mit allen Sekretären der GO der SPK durch den 1. Sekretär der Kreisleitung u.a. mitgeteilt worden, daß zur Rede des Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Gen. Gorbatschow, in der SPK keine Diskussionen zugelassen sind. Auch die traditionellen politischen Wochengespräche haben sich mit dieser Thematik nicht zu befassen.
[Teil des Absatzes wurde am rechten Rand handschriftlich markiert.]
Ähnliche Orientierungen wurden bekannt aus dem Bereich des Direktorats der Humboldt-Universität Berlin sowie von einer Anleitung von Parteisekretären in Rostock. Meinungen von Teilnehmern an letztgenannten Zusammenkünften beinhalten, damit werde die Stimmung unter der Bevölkerung bewußt ignoriert.
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4217, Bl. 2-12
Der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow stellte im Januar 1987 auf dem Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion fest: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen." Damit bestärkte er die mit seinem Amtsantritt eingeleitete Reformpolitik um "Glasnost" und "Perestroika". SED und Staatssicherheit befürchteten eine Weiterverbreitung von Gorbatschows Reformideen. Die Stasi dokumentierte daher Reaktionen aus der DDR-Bevölkerung auf die Plenartagung der KPdSU.
Der Reformpolitik Michail Gorbatschows trat das SED-Regime mit zunehmender Ablehnung entgegen. Der Parteitag der Sowjetkommunisten Anfang des Jahres 1986, auf dem Gorbatschow den neuen strategischen Kurs von "Glasnost" und "Perestroika" herausstellte, führte erstmals zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der SED-Führung und den sowjetischen Reformern. Während SED-Generalsekretär Honecker ein tiefes Misstrauen gegen den im Westen gefeierten "Erneuerer" des Sozialismus hegte, war Gorbatschow über die Zurückhaltung in Ost-Berlin und die Unfähigkeit, sich dem historischen Wandel zu stellen, verärgert.
Auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (ZK der KPdSU) vom 27./28. Januar 1987 übte Generalsekretär Gorbatschow in seiner Rede "Über die Umgestaltung und die Kaderpolitik der Partei" scharfe Kritik an seinen Vorgängern und der politischen und ökonomischen Stagnation der 70er und der beginnenden 80er Jahre. Die Reformen wurden auf das politische System ausgeweitet und die politische Entmündigung der Gesellschaft durch den Einparteienstaat damit in Frage gestellt (Gorbatschow: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen."). Das Parteiorgan "Neues Deutschland" (ND) druckte die Rede – wie viele kritische Aussagen Gorbatschows – nicht im vollen Wortlaut, sondern in einer verharmlosenden Zusammenfassung.
In Ost-Berlin sah man sich auf dem richtigen Weg und war der Meinung, dass die Sowjetunion mit ihrem Reformkurs lediglich das nachhole, was die DDR seit den 70er Jahren praktiziere. Auf klare Ablehnung stieß die umfassende Selbstkritik des sowjetischen Regimes und der KPdSU. Die SED-Führung sah keinen Anlass zur Selbstkritik.
Für Partei- und Sicherheitsapparat wurde es nun immer wichtiger, die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten. Sie befürchteten eine Weiterverbreitung der Reformideen Gorbatschows. In breiten Bevölkerungskreisen registrierte die Stasi ein großes Interesse an den Ausführungen Gorbatschows und lebhafte Diskussionen. Ihrer Einschätzung nach dominierte in den Meinungsäußerungen eine eindeutige Zustimmung zur Politik der KPdSU. Parteimitglieder wiesen darauf hin, dass entsprechende Schlussfolgerungen aus dem KPdSU-Plenum auch für die DDR gezogen werden müssten. In diesem Zusammenhang wurde in zahlreichen Arbeitskollektiven auf die Notwendigkeit der Schaffung einer "offeneren und kritischeren Atmosphäre" in allen Lebensbereichen hingewiesen. Das betraf insbesondere die Informationspolitik der DDR, die aus gegebenem Anlass auf heftige Kritik stieß, da der volle Wortlaut der Rede Gorbatschows nicht veröffentlicht wurde. Darüber hinaus wurde aber auch eine gewisse Verunsicherung bei Partei- und Gewerkschaftsfunktionären spürbar, vermissten sie doch eine fehlende Orientierung der übergeordneten staatlichen Leitung und verbanden damit die Forderung einer raschen und gründlichen Auswertung des KPdSU-Plenums.
Im Mittelpunkt vielfältiger Diskussionen in Arbeitskollektiven (Bereiche Industrie und Landwirtschaft, Angestellte in staatlichen Organen und Einrichtungen, Angehörige der wissenschaftlich-technischen und pädagogischen Intelligenz, Mitarbeiter im Gesundheitswesen) stehen insbesondere die kritischen Aussagen des Genossen Gorbatschow im Zusammenhang mit Problemen der Führungs-und Leitungstätigkeit vor allem im Bereich der Volkswirtschaft, Fragen der Arbeitsdisziplin, der Kaderpolitik und der Informationstätigkeit. Bei derartigen Meinungsaustauschen zu vorgenannten Inhalten kommen die Beteiligten unter Bezugnahme auf die jeweilige Situation im eigenen Tätigkeitsbereich häufig zu dem Schluß, daß es in der DDR ähnliche Erscheinungen gebe wie in der UdSSR.
Breiten Raum nehmen die Diskussionen um die Schaffung einer offeneren und kritischeren Atmosphäre in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in der DDR ein. Sie wird als wichtigste Lehre aus dem KPdSU-Plenum und als zwingend notwendige Aufgabe angesehen. Im Vordergrund stehen dabei zunehmend solche Überlegungen teilweise den Charakter von Forderungen tragend - wie:
- ehrliche Berichterstattung von unten nach oben, Beseitigung der Schönfärberei im Berichtswesen der Partei- und staatlichen Organe,
- öffentliche Auseinandersetzung und gesellschaftliche Verurteilung von Erscheinungen der Manipulation, Bereicherung und Korruption,
- entschiedener Kampf gegen jegliche Formen der Unterdrückung der Kritik (übergeordnete Leitungen bzw. Leitungskader würden häufig aus Angst, als politisch unklar abgestempelt zu werden,oder wegen befürchteter persönlicher Nachteile nicht kritisiert),
- Gewährleistung einer sachlichen und kritischen Atmosphäre in Partei-, Betriebs- und Gewerkschaftsversammlungen (es sollte Schluß gemacht werden mit ausschließlichen Pflichtdiskussionsbeiträgen).
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4217, Bl. 2-12
Der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow stellte im Januar 1987 auf dem Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion fest: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen." Damit bestärkte er die mit seinem Amtsantritt eingeleitete Reformpolitik um "Glasnost" und "Perestroika". SED und Staatssicherheit befürchteten eine Weiterverbreitung von Gorbatschows Reformideen. Die Stasi dokumentierte daher Reaktionen aus der DDR-Bevölkerung auf die Plenartagung der KPdSU.
Der Reformpolitik Michail Gorbatschows trat das SED-Regime mit zunehmender Ablehnung entgegen. Der Parteitag der Sowjetkommunisten Anfang des Jahres 1986, auf dem Gorbatschow den neuen strategischen Kurs von "Glasnost" und "Perestroika" herausstellte, führte erstmals zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der SED-Führung und den sowjetischen Reformern. Während SED-Generalsekretär Honecker ein tiefes Misstrauen gegen den im Westen gefeierten "Erneuerer" des Sozialismus hegte, war Gorbatschow über die Zurückhaltung in Ost-Berlin und die Unfähigkeit, sich dem historischen Wandel zu stellen, verärgert.
Auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (ZK der KPdSU) vom 27./28. Januar 1987 übte Generalsekretär Gorbatschow in seiner Rede "Über die Umgestaltung und die Kaderpolitik der Partei" scharfe Kritik an seinen Vorgängern und der politischen und ökonomischen Stagnation der 70er und der beginnenden 80er Jahre. Die Reformen wurden auf das politische System ausgeweitet und die politische Entmündigung der Gesellschaft durch den Einparteienstaat damit in Frage gestellt (Gorbatschow: "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen."). Das Parteiorgan "Neues Deutschland" (ND) druckte die Rede – wie viele kritische Aussagen Gorbatschows – nicht im vollen Wortlaut, sondern in einer verharmlosenden Zusammenfassung.
In Ost-Berlin sah man sich auf dem richtigen Weg und war der Meinung, dass die Sowjetunion mit ihrem Reformkurs lediglich das nachhole, was die DDR seit den 70er Jahren praktiziere. Auf klare Ablehnung stieß die umfassende Selbstkritik des sowjetischen Regimes und der KPdSU. Die SED-Führung sah keinen Anlass zur Selbstkritik.
Für Partei- und Sicherheitsapparat wurde es nun immer wichtiger, die Stimmung in der Bevölkerung auszuloten. Sie befürchteten eine Weiterverbreitung der Reformideen Gorbatschows. In breiten Bevölkerungskreisen registrierte die Stasi ein großes Interesse an den Ausführungen Gorbatschows und lebhafte Diskussionen. Ihrer Einschätzung nach dominierte in den Meinungsäußerungen eine eindeutige Zustimmung zur Politik der KPdSU. Parteimitglieder wiesen darauf hin, dass entsprechende Schlussfolgerungen aus dem KPdSU-Plenum auch für die DDR gezogen werden müssten. In diesem Zusammenhang wurde in zahlreichen Arbeitskollektiven auf die Notwendigkeit der Schaffung einer "offeneren und kritischeren Atmosphäre" in allen Lebensbereichen hingewiesen. Das betraf insbesondere die Informationspolitik der DDR, die aus gegebenem Anlass auf heftige Kritik stieß, da der volle Wortlaut der Rede Gorbatschows nicht veröffentlicht wurde. Darüber hinaus wurde aber auch eine gewisse Verunsicherung bei Partei- und Gewerkschaftsfunktionären spürbar, vermissten sie doch eine fehlende Orientierung der übergeordneten staatlichen Leitung und verbanden damit die Forderung einer raschen und gründlichen Auswertung des KPdSU-Plenums.
In unmittelbarem Zusammenhang damit stehen auch vielfältige kritische Bemerkungen zur Informationspolitik der DDR. Obwohl das schnelle Reagieren in den zentralen Massenmedien der DDR (Fernsehen und "Neues Deutschland") auf das KPdSU-Plenum begrüßt wird, wurde in zahlreichen Arbeitskollektiven kritisch vermerkt, daß nicht der volle Wortlaut der Rede des Gen. Gorbatschow veröffentlicht wurde. Teilweise wird spekuliert, die Partei- und Staatsführung der DDR wünsche offensichtlich nicht eine derartige Offenheit. Hinter der als unzureichend empfundenen Berichterstattung über das Plenum in den Presseorganen der Bezirksleitungen der SED wird durch eine Anzahl Werktätiger die Absicht vermutet, unbequemen Diskussionen unter der Bevölkerung aus dem Wege zu gehen.
Die Massenmedien der DDR - so wurde wiederholt argumentiert - sollten sich in ihrer Berichterstattung mehr den tatsächlich vorhandenen Problemen widmen. Die täglichen Meldungen über fortgesetzt erzielte Erfolge und neue Initiativen, die ständigen Veröffentlichungen von Erfolgsbilanzen seien immer weniger dazu geeignet, leistungsfördernd und motivierend zu wirken. Teilweise entsprächen Erfolgsmeldungen nicht den Realitäten, stünden im Widerspruch zur Praxis.
Große Zustimmung finden die Aufgabenstellungen des Gen. Gorbatschow bei der Gestaltung der Kaderpolitik. Auch in diesem Zusammenhang werden bestimmte Erwartungshaltungen an die zentralen Partei- und Staatsorgane der DDR gerichtet. Sie konzentrieren sich im wesentlichen auf drei Grundprobleme:
1. Konsequente Durchsetzung des Leistungsprinzips gegenüber den Kadern
2. Öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit allen Erscheinungen gesellschaftswidrigen Verhaltens von Leitungskadern (besonders Bürokratismus, Herzlosigkeit, persönliche Bereicherung u.ä.)
Regime, auch Regimeverhältnisse, bezeichnet die Gesamtheit der Verhältnisse und Lebensbedingungen eines Landes oder geographischen Raumes (z. B. politische Entwicklungen, administrative Strukturen, kulturelle Besonderheiten, behördliche Sicherheitsvorkehrungen), deren Kenntnis für ein effektives und unauffälliges nachrichtendienstliches Handeln notwendig war. Mit diesen Kenntnissen sollten vor allem das IM-Netz im Westen und der grenzüberschreitende Agentenreiseverkehr geschützt werden.
So sollten IM im Westeinsatz wissen, wie die bundesdeutsche Spionageabwehr arbeitete, wie streng Meldeformalitäten in Hotels gehandhabt wurden, wie man sich als durchschnittlicher Bundesbürger verhielt usw. Die Abteilung VI der HV A hatte die Aufgabe, systematisch Informationen über das Regime im Operationsgebiet zu sammeln und in der SIRA-Teildatenbank 13 nachzuweisen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Reaktion der DDR-Bevölkerung auf Honeckers Referat auf der Beratung des ZK-Sekretariats mit den Ersten Sekretären der Kreisleitungen der SED Dokument, 12 Seiten
Reaktionen von Ost-Berlinerinnen und –Berlinern auf die Gorbatschow-Rede Dokument, 6 Seiten
Beschlussmitteilung des SED-Politbüros "Zu Fragen der marxistisch-leninistischen Theorie und Praxis" Dokument, 2 Seiten
Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf Honeckers Rede am 6. Februar 1987 Dokument, 7 Seiten