Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4021, Bl. 1-146
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den anderen Ostblockstaaten verfolgte die DDR-Führung im Jahr 1989 sehr genau. Der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, berichtete am 29. Juni seinen oberen Stasi-Funktionären von den Beschlüssen der 8. Tagung des Zentralkomitees der SED. Ein zentraler Punkt war die schwindende internationale Zusammenarbeit mit den Staatssicherheitsorganen bisheriger Bündnispartner.
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Das Zentralkomitee (ZK) der SED hielt auf einer Tagung am 22./23. Juni 1989 an seinem dogmatischen Kurs fest. Der Berichterstatter des Politbüros hatte die Reformpolitik von Ungarn und Polen heftig kritisiert: "Unter der Fahne der Erneuerung des Sozialismus sind Kräfte am Werk, die die Beseitigung des Sozialismus anstreben."
Minister Erich Mielke, der zugleich Mitglied des SED-Politbüros war, pflegte nach solchen ZK-Tagungen die führenden Stasi-Funktionäre zusammenzurufen, um sie über die Beschlüsse der Partei zu informieren. Weiterhin verkündete er die Schlussfolgerungen, die sich daraus für die Arbeit der Staatssicherheit ergaben. In der vorliegenden Rede geht Mielke auf verschiedene Aspekte ein: die Ost-West-Beziehungen, die Entwicklung in einigen sozialistischen Ländern, die innere Opposition und wirtschaftliche Probleme.
Der entscheidende Punkt in diesem Dokument ist die aufschlussreiche Feststellung, dass die Zusammenarbeit mit den Staatssicherheitsorganen der bisherigen Bündnispartner nicht mehr funktionierte. Die DDR war zunehmend international isoliert und damit war nun auch die Staatssicherheit auf sich selbst gestellt. Das war eine der Voraussetzungen dafür, dass über Ungarn eine Fluchtwelle einsetzen konnte, die schließlich die Initialzündung für die Revolution in der DDR gab.
Die Reden besonders von US-Präsident Bush vor, auf und nach der NATO-Ratstagung in Brüssel sowie die Ergebnisse dieser Tagung lassen erkennen, daß das Ziel des Imperialismus, den Sozialismus zu beseitigen, noch wesentlich stärker in den Mittelpunkt ihrer Politik gerückt wird.
Ausgehend von der Einschätzung, daß sich die sozialistische Staatengemeinschaft in einer Systemkrise befinde und der großsprecherischen Behauptung, daß der Sozialismus bankrott gemacht habe, erklärte Bush die Zeit für gekommen, "über die Eindämmung des Kommunismus hinauszugehen zu einer neuen Politik für die 90er Jahre."
Die Dokumente des NATO-Gipfels und die Bush-Erklärungen in den letzten Monaten und Wochen enthalten bereits wesentliche Elemente dieser neuen Strategie. Dem Wesen nach ist sie eine Reaktion auf die Veränderungen in der Welt, besonders auf die Friedensoffensive des Sozialismus.
Dem Imperialismus geht es einerseits darum, aus der historischen Defensive herauszukommen und in den weltpolitischen Grundfragen in die Offensive zu gelangen. Zum anderen gehen die USA und die anderen NATO-Staaten davon aus, daß die internationale Lage und die inneren Entwicklungsprozesse in einigen sozialistischen Ländern "entschlossen" genutzt werden müßten, um das sozialistische Gesellschaftssystem von innen heraus mit massiver Unterstützung von außen zu destabilisieren und schrittweise zu beseitigen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4021, Bl. 1-146
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den anderen Ostblockstaaten verfolgte die DDR-Führung im Jahr 1989 sehr genau. Der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, berichtete am 29. Juni seinen oberen Stasi-Funktionären von den Beschlüssen der 8. Tagung des Zentralkomitees der SED. Ein zentraler Punkt war die schwindende internationale Zusammenarbeit mit den Staatssicherheitsorganen bisheriger Bündnispartner.
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Das Zentralkomitee (ZK) der SED hielt auf einer Tagung am 22./23. Juni 1989 an seinem dogmatischen Kurs fest. Der Berichterstatter des Politbüros hatte die Reformpolitik von Ungarn und Polen heftig kritisiert: "Unter der Fahne der Erneuerung des Sozialismus sind Kräfte am Werk, die die Beseitigung des Sozialismus anstreben."
Minister Erich Mielke, der zugleich Mitglied des SED-Politbüros war, pflegte nach solchen ZK-Tagungen die führenden Stasi-Funktionäre zusammenzurufen, um sie über die Beschlüsse der Partei zu informieren. Weiterhin verkündete er die Schlussfolgerungen, die sich daraus für die Arbeit der Staatssicherheit ergaben. In der vorliegenden Rede geht Mielke auf verschiedene Aspekte ein: die Ost-West-Beziehungen, die Entwicklung in einigen sozialistischen Ländern, die innere Opposition und wirtschaftliche Probleme.
Der entscheidende Punkt in diesem Dokument ist die aufschlussreiche Feststellung, dass die Zusammenarbeit mit den Staatssicherheitsorganen der bisherigen Bündnispartner nicht mehr funktionierte. Die DDR war zunehmend international isoliert und damit war nun auch die Staatssicherheit auf sich selbst gestellt. Das war eine der Voraussetzungen dafür, dass über Ungarn eine Fluchtwelle einsetzen konnte, die schließlich die Initialzündung für die Revolution in der DDR gab.
Das verbirgt sich unter anderem hinter den in den NATO-Dokumenten und Erklärungen festgeschriebenen und lauthals verkündeten Zielen, wie
der Schaffung einer "gerechten und dauerhaften neuen politischen Friedensordnung in Europa";
die Teilung Europas und Deutschlands friedlich und in Freiheit durch Dialog und Zusammenarbeit zu überwinden;
Bedingungen für eine angeblich den Völkern Osteuropas bisher vorenthaltene freie Selbstbestimmung zu schaffen.
Mit anderen Worten - diesen Kreisen geht es um die Veränderung der Machtfrage zu ihren Gunsten, um die Restauration der kapitalistischen Gesellschaftsordnung in den sozialistischen Ländern, um die Revidierung der Nachkriegsordnung in Europa.
Ausgehend von dieser generellen Linie und Zielstellung der "neuen Politik für die 90er Jahre" zeichnen sich sehr deutlich Modifizierungen in der Politik gegenüber den sozialistischen Staaten, bestimmte Veränderungen im strategischen Vorgehen des Imperialismus im Kampf gegen den Sozialismus ab.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4021, Bl. 1-146
Die Entwicklung demokratischer Reformen in den anderen Ostblockstaaten verfolgte die DDR-Führung im Jahr 1989 sehr genau. Der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, berichtete am 29. Juni seinen oberen Stasi-Funktionären von den Beschlüssen der 8. Tagung des Zentralkomitees der SED. Ein zentraler Punkt war die schwindende internationale Zusammenarbeit mit den Staatssicherheitsorganen bisheriger Bündnispartner.
Im Sommer 1989 war bereits seit Monaten zu erkennen, dass sich die DDR-Führung mit ihrem reformfeindlichen Kurs von den Entwicklungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten isolierte (vgl. 7.4.1989). Auch der SED-Spitze war das nicht verborgen geblieben, sie wiegte sich aber in dem Glauben, die DDR sei eine Insel der Stabilität, während die Reformstaaten (Ungarn, Polen und Sowjetunion) immer tiefer in Turbulenzen gerieten. Im Juni und Juli 1989 kamen mehrere Ereignisse zusammen, die zeigten, wie illusionär die Auffassung war, die DDR könne sich dem entziehen.
Das Zentralkomitee (ZK) der SED hielt auf einer Tagung am 22./23. Juni 1989 an seinem dogmatischen Kurs fest. Der Berichterstatter des Politbüros hatte die Reformpolitik von Ungarn und Polen heftig kritisiert: "Unter der Fahne der Erneuerung des Sozialismus sind Kräfte am Werk, die die Beseitigung des Sozialismus anstreben."
Minister Erich Mielke, der zugleich Mitglied des SED-Politbüros war, pflegte nach solchen ZK-Tagungen die führenden Stasi-Funktionäre zusammenzurufen, um sie über die Beschlüsse der Partei zu informieren. Weiterhin verkündete er die Schlussfolgerungen, die sich daraus für die Arbeit der Staatssicherheit ergaben. In der vorliegenden Rede geht Mielke auf verschiedene Aspekte ein: die Ost-West-Beziehungen, die Entwicklung in einigen sozialistischen Ländern, die innere Opposition und wirtschaftliche Probleme.
Der entscheidende Punkt in diesem Dokument ist die aufschlussreiche Feststellung, dass die Zusammenarbeit mit den Staatssicherheitsorganen der bisherigen Bündnispartner nicht mehr funktionierte. Die DDR war zunehmend international isoliert und damit war nun auch die Staatssicherheit auf sich selbst gestellt. Das war eine der Voraussetzungen dafür, dass über Ungarn eine Fluchtwelle einsetzen konnte, die schließlich die Initialzündung für die Revolution in der DDR gab.
In den genannten Reden und in den NATO-Dokumenten wird als Kern dieser Strategie und Politik
der "Wandel bei Stabilität in Osteuropa"
also
eine "friedliche Veränderung" der Länder der sozialistischen Gemeinschaft
charakterisiert.
Einflußreiche westeuropäische Politiker sehen es als erfolgversprechend an, wenn sich der Westen bei der Umsetzung seines ostpolitischen Konzepts der Idee von der Schaffung eines "Gemeinsamen Europäischen Hauses" bedient. Der von der UdSSR und den anderen sozialistischen Ländern geprägte Begriff soll positiv aufgenommen, aktiv mit eigenen Inhalten ausgefüllt und in der Propaganda mit westlichen Werten verbunden werden.
Für ein solches Vorgehen sei vorteilhaft, daß
die sozialistischen Länder noch über kein geschlossenes Konzept für ein "Gemeinsames Europäisches Haus" verfügen und auch
ökonomisch der sich abzeichnenden Sogwirkung des westeuropäischen Binnenmarktes nichts entgegenzusetzen hätten.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Rede Erich Mielkes auf einer Tagung der SED-Kreisleitung im Ministerium für Staatssicherheit (Teil 1) Audio, 1 Stunde, 34 Minuten
Rede Erich Mielkes auf einer Tagung der SED-Kreisleitung im Ministerium für Staatssicherheit (Teil 2) Audio, 1 Stunde, 27 Minuten
Referat Mielkes auf der erweiterten Sitzung des MfS-Kollegiums vom 9. März 1988 Dokument, 138 Seiten
Referat Mielkes zur Auswertung der 9. Tagung des ZK der SED Dokument, 75 Seiten