Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 198, Bl. 307-367
Die Richtlinie 1/76 regelte die Arbeit mit Operativen Vorgängen (OV). In diesem Zuge konnten auch Maßnahmen der "Zersetzung" angewendet werden, die politische Gegner des SED-Regimes verunsichern sollten
Die Richtlinie 1/76 regelte das geheimpolizeiliche Vorgehen der Stasi gegen politische Gegner in Operativen Vorgängen (OV). Ausgangspunkt dafür waren zumeist Hinweise auf strafrechtlich relevante Verstöße gegen DDR-Recht. Das MfS ermittelte daraufhin gegen die betreffende Person und erkundigte sich über familiäre Umfeld sowie den Freundes- und Kollegenkreis und holte weitere Informationen ein.
Nach einer klaren Abfolge fertigte das MfS sogenannte "Maßnahmepläne" an. Darin wurde beispielsweise festgelegt, Maßnahmen der "Zersetzung" zu ergreifen (siehe Abschnitt 2.6.: Die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung). Indem beispielsweise unzutreffende Gerüchte gestreut wurden, sollte etwa das Selbstvertrauen einer Person zerstört oder der Betreffende in den Augen seines Umfeldes diskreditiert werden.
Zersetzungsmaßnahmen kamen vor allem dann zur Anwendung, wenn eine Verhaftung aus politischen Gründen nicht opportun erschien.
Auf der Grundlage der Ergebnisse der Analyse hat die exakte Festlegung der konkreten Zielstellung der Zersetzung zu erfolgen.
Entsprechend der festgelegten Zielstellung hat die gründliche Vorbereitung und Planung der Zersetzungsmaßnahmen zu erfolgen.
In die Vorbereitung sind — soweit notwendig — unter Wahrung der Konspiration die zur Bearbeitung des jeweiligen Operativen Vorganges eingesetzten bzw. einzusetzenden IM einzubeziehen.
Die Pläne zur Durchführung von Zersetzungsmaßnahmen bedürfen der Bestätigung durch den Leiter der jeweiligen Haupt-/selbständigen Abteilung bzw. Bezirksverwaltung/Verwaltung.
Pläne zur Durchführung von Zersetzungsmaßnahmen gegen
Organisationen, Gruppen, Gruppierungen oder einzelne Personen im Operationsgebiet,
Personen in bedeutsamen zentralen gesellschaftlichen Positionen bzw. mit internationalem oder Masseneinfluß,
sowie in anderen politisch-operativ besonders bedeutsamen Fällen sind mir bzw. meinem jeweils zuständigen Stellvertreter zur Bestätigung vorzulegen.
Die Durchführung der Zersetzungsmaßnahmen ist einheitlich und straff zu leiten. Dazu gehört die ständige inoffizielle Kontrolle ihrer Ergebnisse und Wirkung Die Ergebnisse sind exakt zu doktimentieren.
Entsprechend der politisch-operativen Notwendigkeit sind weitere politisch-operative Kontrollmaßnahmen festzulegen und durchzuführen.
2.7. Das Herauslösen der IM aus der Bearbeitung Operativer Vorgänge
2.7.1. Ziele und Grundsätze des Herauslösens Mit dem Herauslösen ist zu sichern, daß
— die Konspiration der im Operativen Vorgang eingesetzten IM gewährleistet wird und sie für die weitere Arbeit am Feind erhalten bzw. dafür noch bessere Möglichkeiten geschaffen werden;
— durch die Nutzung und Schaffung günstiger Umstände, Bedingungen oder Situationen der Feind nachhaltig von den IM abgelenkt wird und die Ursachen für die Entlarvung in vom MfS angestrebten Zusammenhängen sucht und findet;
— die Tatsache sowie die Art und Weise des Einsatzes der IM gegenüber den bearbeiteten Personen, ihrer Umgebung, den feindlichen Stellen sowie der Offentlichkeit konspiriert und geheimgehalten wird und dadurch die persönliche Sicherheit der IM gewährleistet ist sowie ihr Vertrauen zum MfS weiter gefestigt wird.
Das Herauslösen der IM ist in allen Operativen Vorgängen äls eine ständige und offensive Aufgabenstellung anzusehen und durchzusetzen. Es ist so früh wie möglich vorzubereiten und zu planen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen oder zu verschleiern hatten.
Vorgangsart von 1953 bis 1976 bzw. 1981 zu Organisationen, Institutionen und Betrieben, die vom MfS überwacht wurden (zu "sichernde" Einrichtungen der DDR bzw. westliche Organisationen, die ausgespäht und bekämpft wurden; Feindobjekte). Objektvorgänge waren zentral in der Abteilung XII zu registrieren, betreffende Organisationen in der zentralen Feindobjektkartei F 17 und involvierte "feindliche" Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
In Objektvorgängen erfasste Personen konnten parallel in einem Operativen Vorgang bearbeitet werden. Objektvorgänge zu DDR-Einrichtungen wurden mit der Einführung der Sicherungsvorgänge 1976 eingestellt. Feindobjektvorgänge, insbesondere der HV A, gab es darüber hinaus. Ab 1981 wurde der Objektvorgang in anderer Form als Feindobjektakte bzw. Kontrollobjektakte wieder ein- bzw. weitergeführt.
Mit Operationsgebiet bezeichnete das MfS zusammenfassend alle Länder, in denen bzw. gegen die es geheimdienstliche Aktionen durchführte. Zumeist waren damit die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin gemeint, der Begriff konnte aber auch jedes andere westliche oder neutrale Land einschließen. Aufgrund besonderer innenpolitischer Entwicklungen galten 1968/69 auch die Tschechoslowakei, spätestens seit den 70er Jahren faktisch Rumänien und in den 80er Jahren auch Polen als Operationsgebiet.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 198, Bl. 307-367
Die Richtlinie 1/76 regelte die Arbeit mit Operativen Vorgängen (OV). In diesem Zuge konnten auch Maßnahmen der "Zersetzung" angewendet werden, die politische Gegner des SED-Regimes verunsichern sollten
Die Richtlinie 1/76 regelte das geheimpolizeiliche Vorgehen der Stasi gegen politische Gegner in Operativen Vorgängen (OV). Ausgangspunkt dafür waren zumeist Hinweise auf strafrechtlich relevante Verstöße gegen DDR-Recht. Das MfS ermittelte daraufhin gegen die betreffende Person und erkundigte sich über familiäre Umfeld sowie den Freundes- und Kollegenkreis und holte weitere Informationen ein.
Nach einer klaren Abfolge fertigte das MfS sogenannte "Maßnahmepläne" an. Darin wurde beispielsweise festgelegt, Maßnahmen der "Zersetzung" zu ergreifen (siehe Abschnitt 2.6.: Die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung). Indem beispielsweise unzutreffende Gerüchte gestreut wurden, sollte etwa das Selbstvertrauen einer Person zerstört oder der Betreffende in den Augen seines Umfeldes diskreditiert werden.
Zersetzungsmaßnahmen kamen vor allem dann zur Anwendung, wenn eine Verhaftung aus politischen Gründen nicht opportun erschien.
Entsprechend dem Bearbeitungsstand ist das Herauslösen kontinuierlich und zielstrebig, vor allem durch eine gut durchdachte Auftragserteilung, Instruierung und Legendierung der IM zu verwirklichen. Auf der Grundlage der exakten Berichterstattung der IM sind alle Hinweise, die für das Herauslösen Bedeutung haben oder haben können, herauszuarbeiten und sorgfältig zu nutzen. Ausgehend von der Spezifik des Operativen Vorganges ist einzuschätzen bzw. festzulegen:
— der weitere politisch-operative Einsatz und die wesentlichsten Aufgabenstellungen der herauszulösenden IM;
— der Charakter, konkrete Inhalt sowie die Tiefe des Vertrauensverhältnisses zwischen den IM und den verdächtigen Personen, die Umstände und Bedingungen, unter denen die IM die operativ bedeutsamen Informationen und Beweise einer staatsfeindlichen Tätigkeit, oder anderen Straftat erarbeitet haben, Art und Umfang der scheinbaren Beteiligung der IM an Straftaten;
— der Charakter und der Beweiswert der erarbeiteten Beweise und damit die Beweislage insgesamt;
— die mögliche Nutzung dritter Personen bzw. die Schaffung günstiger Umstände, um von den herauszulösenden IM abzulenken.
Die Leiter haben zu sichern, daß im Verlauf der Bearbeitung und des Abschlusses Operativer Vorgänge das Herauslösen der eingesetzten IM gewährleistet wird.
2.7.2. Varianten des Herauslösens
Bewährte Varianten des Herauslösens sind:
— das Organisieren des scheinbar zufälligen Auffindens oder Entdeckens von Beweismitteln;
— der Einsatz von IM, um Zeugen strafbare Handlungen zu einer Anzeige oder Mitteilung bei den Schutz- und Sicherheitsorganen bzw. zuverlässigen offiziellen Kräften zu bewegen;
- das Einleiten von strafprozessualen Maßnahmen wegen der Begehung von Straftaten der allgemeinen Kriminalität sowie die Ausnutzung von Kenntnissen über die Verletzung von Rechtsnormen außerhalb des Strafrechts, um dadurch zu Beweisen für eine staatsfeindliche Tätigkeit zu gelangen;
- die Anwendung der Zersetzung, um nachhaltig von herauszulösenden IM abzulenken;
- die Verbreitung von Beweistatsachen in einem größeren Personenkreis; die Befragung Verdächtiger gemäß § 95 (2) StPO;
- die Festnahme bearbeiteter Personen nach einer vorangegangenen Vernehmung Dritter.
Diese Varianten sind, ausgehend von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Operativen Vorganges, einzeln oder kombiniert schöpferisch anzuwenden.
Die Bestätigung des konkreten Vorgehens zum Herauslösen und der dazu erforderlichen politisch-operativen Maßnahmen obliegt den zuständigen Leitern. Sie haben zu sichern, daß die dazu notwendigen Abstimmungen mit der Untersuchungsabteilung und anderen Fachabteilungen erfolgen.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Vorgangsart von 1953 bis 1976 bzw. 1981 zu Organisationen, Institutionen und Betrieben, die vom MfS überwacht wurden (zu "sichernde" Einrichtungen der DDR bzw. westliche Organisationen, die ausgespäht und bekämpft wurden; Feindobjekte). Objektvorgänge waren zentral in der Abteilung XII zu registrieren, betreffende Organisationen in der zentralen Feindobjektkartei F 17 und involvierte "feindliche" Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
In Objektvorgängen erfasste Personen konnten parallel in einem Operativen Vorgang bearbeitet werden. Objektvorgänge zu DDR-Einrichtungen wurden mit der Einführung der Sicherungsvorgänge 1976 eingestellt. Feindobjektvorgänge, insbesondere der HV A, gab es darüber hinaus. Ab 1981 wurde der Objektvorgang in anderer Form als Feindobjektakte bzw. Kontrollobjektakte wieder ein- bzw. weitergeführt.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 198, Bl. 307-367
Die Richtlinie 1/76 regelte die Arbeit mit Operativen Vorgängen (OV). In diesem Zuge konnten auch Maßnahmen der "Zersetzung" angewendet werden, die politische Gegner des SED-Regimes verunsichern sollten
Die Richtlinie 1/76 regelte das geheimpolizeiliche Vorgehen der Stasi gegen politische Gegner in Operativen Vorgängen (OV). Ausgangspunkt dafür waren zumeist Hinweise auf strafrechtlich relevante Verstöße gegen DDR-Recht. Das MfS ermittelte daraufhin gegen die betreffende Person und erkundigte sich über familiäre Umfeld sowie den Freundes- und Kollegenkreis und holte weitere Informationen ein.
Nach einer klaren Abfolge fertigte das MfS sogenannte "Maßnahmepläne" an. Darin wurde beispielsweise festgelegt, Maßnahmen der "Zersetzung" zu ergreifen (siehe Abschnitt 2.6.: Die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung). Indem beispielsweise unzutreffende Gerüchte gestreut wurden, sollte etwa das Selbstvertrauen einer Person zerstört oder der Betreffende in den Augen seines Umfeldes diskreditiert werden.
Zersetzungsmaßnahmen kamen vor allem dann zur Anwendung, wenn eine Verhaftung aus politischen Gründen nicht opportun erschien.
2.8. Der Abschluß der Bearbeitung Operativer Vorgänge
2.8.1. Das Ziel des Abschlusses Operativer Vorgänge und die Abschlußarten
Der Abschluß Operativer Vorgänge hat stets den politischen Interessen der DDR zu dienen. Die dafür erforderlichen politisch-operativen Voraussetzungen sind in der Bearbeitung und beim Abschluß zu schaffen bzw. maximal zu nutzen. Die Leiter haben zu sichern, daß bereits während der Bearbeitung Operativer Vorgänge alle Möglichkeiten zur Stärkung der DDR, z. B. zur Unterstützung von Maßnahmen in der Außenpolitik, im Außenhandel, auf ökonomischem und wissenschaftlich-technischem Gebiet rechtzeitig erkannt und zielstrebig genutzt werden.
Das Ziel des Abschlusses muß darin bestehen:
— die vorliegende und bereits erkannte staatsfeindliche Tätigkeit bzw. andere Straftaten möglichst umfassend zu beweisen und zu unterbingen;
— ihre konkreten Ursachen, begünstigenden Bedingungen und Umstände durch Einflußnahme auf die dafür zuständigen Staats- und wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen weitgehend auszuräumen;
— weitere feindlich-negative Handlungen wirkungsvoll vorbeugend zu verhindern und Maßnahmen zur Gewährleistung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung im jeweiligen Bereich einzuleiten bzw. diese zu erhöllen;
— die innere Sicherheit im Verantwortungsbereich maximal zu gewährleisten und damit die Politik von Partei und Regierung insgesamt durchsetzen zu helfen.
Arten des Abschlusses Operativer Vorgänge sind insbesondere:
— Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit bzw. ohne Haft,
— überwerbung,
— Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung,
— Anwerbung,
— Verwendung des Vorgangsmaterials als kompromittierendes Material gegenüber Konzernen, Betrieben, Institutionen, staatlichen Organen der BRD, anderer nichtsozialistischer Staaten bzw. Westberlins,
— Einleitung spezifischer Maßnahmen gegen bevorrechtete Personen,
— Übergabe von Material über Straftaten der allgemeinen Kriminalität an andere Schutz- und Sicherheitsorgane,
— öffentliche Auswertung bzw. Übergabe von Material an leitende Partei- und Staatsfunktionäre, verbunden mit Vorschlägen für vorbeugende Maßnahmen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung.
Bei jedem Vorgangsabschluß sind jene Abschlußarten bzw. auch Teilabschlüsse festzulegen, die den größten sicherheitspolitischen Nutzen erbringen.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Vorgangsart von 1953 bis 1976 bzw. 1981 zu Organisationen, Institutionen und Betrieben, die vom MfS überwacht wurden (zu "sichernde" Einrichtungen der DDR bzw. westliche Organisationen, die ausgespäht und bekämpft wurden; Feindobjekte). Objektvorgänge waren zentral in der Abteilung XII zu registrieren, betreffende Organisationen in der zentralen Feindobjektkartei F 17 und involvierte "feindliche" Personen in der zentralen Personenkartei F 16 zu erfassen.
In Objektvorgängen erfasste Personen konnten parallel in einem Operativen Vorgang bearbeitet werden. Objektvorgänge zu DDR-Einrichtungen wurden mit der Einführung der Sicherungsvorgänge 1976 eingestellt. Feindobjektvorgänge, insbesondere der HV A, gab es darüber hinaus. Ab 1981 wurde der Objektvorgang in anderer Form als Feindobjektakte bzw. Kontrollobjektakte wieder ein- bzw. weitergeführt.
Der Operative Vorgang (OV) war ein registrierpflichtiger Vorgang und Sammelbegriff für Einzel- bzw. Gruppenvorgänge (Registrierung, TV und ZOV). Er wurde angelegt, um im Rahmen von verdeckten, aber zum Teil auch offenen Ermittlungen gegen missliebige Personen vorgehen zu können (Anweisung 14/52 vom 10.9.1952: Vorgangsordnung; 1976 durch Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" neu geregelt).
Ausgangspunkt des OV waren zumeist Hinweise auf, aus MfS-Sicht, strafrechtlich relevante Tatbestände (in der Regel Verstöße gegen die in der DDR geltenden politischen Normen), die es zu überprüfen galt. Bestandteil der nach einem klaren Abfolgeprinzip zu erstellenden OV waren "Maßnahmepläne" und ggf. in ihnen enthaltene Maßnahmen der Zersetzung, die vor allem dann zur Anwendung gelangten, wenn eine Inhaftierung aus taktischen Erwägungen als nicht opportun galt.
Im OV ermittelte das MfS nicht nur gegen die betreffende Person, es wurden auch Erkundigungen zum familiären Umfeld, zum Freundes- und Kollegenkreis u. ä. eingeholt. Konnten Delikte keinen Personen unmittelbar zugeordnet werden (z. B. Flugblätter, Losungen, anonyme Briefe), wurde ein OV gegen unbekannt eröffnet. Darin wurden die nach den Vorstellungen des MfS potenziell als Urheber in Frage kommenden Personen dahingehend überprüft, ob ihnen die "Tat" nachzuweisen war.
Häufig ging dem OV eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus. OV waren mit Vorschlägen zur Ahndung der nachgewiesenen Straftatverletzungen (z. B. Ermittlungsverfahren; Anwerbung; Zersetzungsmaßnahmen) bzw. bei Nicht-Bestätigung des Ausgangsverdachts durch Einstellen der Bearbeitung abzuschließen.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
Richtlinie 1/79 für die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern und Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit Dokument, 65 Seiten
Anforderungen und Wege der weiteren Qualifizierung der Arbeit mit Führungs-IM Dokument, 359 Seiten
Dissertation "Zur Rolle und dem aktuell-politischen Inhalt eines aufgabenbezogenen Feindbildes in der Zusammenarbeit mit IM" Dokument, 363 Seiten
Spezifische Zersetzungsmaßnahmen gegen staatsfeindliche Gruppen Dokument, 18 Seiten