Signatur: BArch, MfS, BV Rostock, Ka, Nr. 28
Eine Schulungskassette der MfS-Bezirksverwaltung Rostock veranschaulicht, wie die Stasi ihre Ermittler schulte, Informationen über Personen auszufragen und dabei anonym zu bleiben.
Um Informationen über DDR-Bürgerinnen und -Bürger zu erhalten, führte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gezielte Wohngebietsermittlungen durch. Für diesen Zweck sandte es seine Mitarbeiter unter einer Legende in die Wohngebiete. Dort gaben sich diese zumeist als Zivilbeschäftigte einer staatlichen Organisation aus. Mittels Freundlichkeit und gewandter Kommunikation versuchten sie, sich das Vertrauen der aufgesuchten Bürgerinnen und Bürger in der Kürze der Zeit zu erwerben. Die Hausbewohnerinnen und -bewohner wurden von den Besuchen immer überrascht. Das war Teil des geheimpolizeilichen Kalküls, die Nachbarinnen und Nachbarn zu verunsichern und sie dadurch zu bewegen, mehr oder minder bereitwillig Auskunft zu geben.
Die Stasi bezeichnete die befragten Personen in ihren Berichten als Auskunftspersonen (AKP). Oftmals sammelte das MfS auch zu ihnen Informationen, um auszuschließen, dass die AKP über den ominösen Besuch in der Hausgemeinschaft sprachen. So sorgte die Geheimpolizei dafür, dass alles streng "vertraulich" blieb. Die Befragten hatten darüber zu schweigen, dass Informationen zu einer bestimmten Person eingeholt wurden.
Die vorliegende Schulungskassette zeigt, wie ein Stasi-Offizier Personen in ein Gespräch verwickelt, um so private Informationen zu erhalten. Ein MfS-Mitarbeiter simuliert zu Lehrzwecken die Befragung zweier Hausbewohner im Bezirk Rostock. Er gibt sich als Angehöriger der Nationalen Volksarmee aus, um Informationen über einen jungen Mann zu sammeln. Neben Fragen zum Verhalten der ins Blickfeld geratenen Person in der Hausgemeinschaft und seiner Familie erkundigt sich der MfS-Mitarbeiter auch über mögliche Westkontakte. Am Ende der Aufnahme macht er Angaben zu den Befragten, wie z. B. deren berufliche Tätigkeit, Parteimitgliedschaft und Qualität als AKP.
[Klopfen]
[Auskunftsperson 1:]
Ja?
[MfS-Mitarbeiter:]
Einen wunderschönen guten Tag. Ich hätte mal ein Anliegen. Sind Sie Herr [anonymisiert]?
[Auskunftsperson 1:]
Ja, der bin ich. Ach bitte, kommen S'e [Sie] doch rein.
[MfS-Mitarbeiter:]
Dankeschön. Herr [anonymisiert], ich - äh - bin Zivilbeschäftigter der NVA und bearbeite Unterlagen für Wehrpflichtige, die für eine besondere Tätigkeit in der NVA vorgesehen sind. Speziell geht es hierum um den [anonymisiert], der in diesem Hause wohnt. Wohnen Sie schon längere Zeit in diesem Hause und könnten Sie mir in dieser Angelegenheit eventuell helfen?
[Auskunftsperson 1:]
Joa, in dieser Angelegenheit kann ich Ihnen paar Auskünfte geben. Was möchten Sie denn gerne wissen?
[MfS-Mitarbeiter:]
Ja, könnten wir uns vielleicht dabei hinsetzen, weil es ja nu' vielleicht bisschen längere- -
[Auskunftsperson 1:]
[parallel redend] Oh, Entschuldigung. Nehmen Sie doch- -
[MfS-Mitarbeiter:]
...Zeit in Anspruch nimmt.
[Auskunftsperson 1:]
Nehmen Sie bitte Platz, hier, ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
Ach, Dankeschön.
Ja, speziell wird es darum gehen, dass wir sozusagen einmal die ganzen Familienverhältnisse- - vielleicht könnten wir so gehen. Was Vater, Mutter des [anonymisiert] machen, werden Sie ja sicher wissen, wenn Sie hier schon längere Zeit im Hause wohnen und das wir vielleicht die familiären Verhältnisse dadurch kennenlernen, wie der Sohn erzogen wurde. Und dann nachher eben speziell noch mal auf den Sohn zu sprechen kommen.
[Auskunftsperson 1:]
Tja, also die Eltern. Nehm'n w'a [nehmen wir] den Vater, den kenn' ich eigentlich ganz gut. Der arbeitet uff de' [auf der] Warnowwerft, der is' halt Schiffbauer.
Und ja, die Mutter, die ist Verkäuferin. Aber die [vermutlich: Hausstände], das kann ich Ihnen jetz' [jetzt] auch gar nich' [nicht] genau so sagen, wie das ist.
Jedenfalls kann man über beide sagen, dass sie eigentlich immer sehr höflich sind, zuvorkommend auch. Also ebend 'ne [eine] gute Familie sind, wie man so schön sagt.
Der Vater is' auch hier in der Hausgemeinschaftsleitung. Er ist Vorsitzender.
Die Mutter, die kassiert hier auch im Haus DSF. Der, der ist auch in'er, in der SED drin. Das hab ich gesehen an seinem Abzeichen.
Tja und der Sohn, der is' würd'ch [würde ich] sagen, is' eigentlich, sehr zuvorkommend und ich hab schon öfter jesehen [gesehen], dass er hier die älteren Leuten im Hause hilft, dass er wirklich höflich gegrüßt wird und auch, hab ihn auch schon öfter gesehen schon zu Demonstrationen, also wie auch, hat er sein Blauhemd an.
Er- - so wie ich gehört habe, soll er in der Schule auch ganz gut sein. Er ist jetzt in der 10. Klasse is' und er hat wohl die Aussicht, mit "Gut" abzuschließen jetzt.
Ja, man kann sagen, also ich- - er wird vo-von seinen Eltern auch geldmäßig auch unterstützt, so ja. Wie ich mal gehört habe, sein Vater meinte zu mir, dass er 20 Mark in der Woche bekommt. Und er wird eben fortschrittlich erzogen, kann man sagen, ja, im sozialistischen Sinne, sozusagen.
[MfS-Mitarbeiter:]
Äh - was meinen Sie'nn [Sie denn] unter sozialistischen Sinne? Ich mein - äh - vielleicht- - man kann ja da mehrere Seiten untersehen. Könnten Sie vielleicht auch zu sagen, wie das mit der Familie [anonymisiert] ist, ob sie [unverständlich] zu besonderen Höhepunkten irgendwie beflaggen? Ob sie irgendwie an den Diskussionen, die im Hause sind, zu politisch aktuellen Problemen besonders Stellung nehmen, mehr als Genosse? Ob das nicht nur vielleicht im Betrieb zum Ausdruck kommt, sondern auch in der Hausgemeinschaft?
[Auskunftsperson 1:]
Hm ja, ich hab ja schon gesagt beziehen sie auch Stellung zu politischen Höhepunkten. Also einen klaren festen Standpunkt, ja und - ähm - selbige diskutieren auch mal dadrü- - darüber und da kommt auch die klare positive [unverständlicher Abschnitt]. Tja und a-an Beflaggung, also ich hab's gesehen, also zu den politischen Höhepunkten oder Nationalfeiertagen hängt schon mal die Republikfahne [unverständlich], ja.
Zu der Mutter weiß ich noch nich' genau wie's is'. Da konnt' ich noch nischt [nichts] sagen, hab ich noch nichts von-von gehört hier, ja, also. Manche- - Sie, Sie haben mir schon gesagt, dass sie 'ne DSF hier auch kassiert, ja, und wie weit nu' die politisch engagiert is', ss'kann [dass kann] ich Ihn'n auch nich' sagen.
Jedenfalls weiß ich eins, dass - dass alle beide das Westfernsehen und vor allen Dingen, na man kann sagen alles negieren, was irgendwie kapitalistisch is'. [Husten oder Niesen] Na mit dem sie dann ooch.
[MfS-Mitarbeiter:]
Ja, das sie jedenfalls nich' Westfernsehen irgendwie sehen- -
[Auskunftsperson 1:]
Ja, ja, ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
...den Jungen dann fern halten, damit er nich' vielleicht dann noch besond're Probleme durch hat.
[Auskunftsperson 1:]
Ja, genau.
[MfS-Mitarbeiter:]
Meinten Sie das so eventuell?
Und weil Wie gerade so diese Westverbindung oder - äh - westliche Einflüsse anschnitten, ähm - eventuell haben Sie bemerkt, ob s'e irgendwie besondere Bindung zu den westlichen Ländern, zur Bundesrepublik Deutschland oder West-Berlin oder irgendwie andre Beziehungen in der näheren Umgebung irgendwie- - Konnten Sie da irgendwas beobachten?
[Auskunftsperson 1:]
Ja, nun das kann ich Ihnen gerade nicht sagen. Ich habe noch keine Person des Genossen im Haus und hier gesehen und sie sprechen auch [unverständlich] mit [unverständlich] nie was erwähnt davon, so 'ne. Ich habe auch noch keine Pkws vorm Haus halten sehen, ja, irgendwie aus dem westlichen Ausland eben, [unverständlich] oder eben bemerkt, dass postalische Sendungen komm'n, gerade, wenn sie mal des Öfteren im Urlaub sind, ja, dann geben sie bei mir meist den Schlüssel ab hier und dann, na und dann hab ich auch noch keine postalische Sendungen in diesem Fall entgegen genommen gehabt. Also, ich möcht mich da nich' zu- -
[MfS-Mitarbeiter:]
Ja, dann wüssten wir also diese Strecke.
Sonst sind irgendwie eventuell welche, wie der Junge so überhaupt, man da er ja in der FDJ ist haben Sie ja gesagt, besonders gesehen haben, welche Bindung er vielleicht besonders zu unserem Staat hätte? Ich meine, Sie ha'm ja vieles schon ausgedrückt, dass er gute Leistungen hat, von der [unverständlich] geäußert hat, eventuell irgendwie auf dieser Strecke beruflich auch tätig zu sein. Meinen Sie wirklich, dass von- - aus ihrer Sicht die-die Anschauung zur unsrer Republik recht positiv hier von seinen Eltern gesteuert auch direkt beim Sohn sich niederschlägt?
[Auskunftsperson 1:]
Ja, das möchte ich doch sagen. So viel wie ich weiß, ist er in der FDJ-Leitung tätig, seit neuem sogar als stellvertretender FDJ- Sekretär.
Und er hat sich auch verpflichtet, [räuspert] sagte mir der Vater mal, dass er für drei Jahre zur NVA gehen möchte, ja, dass es sein Wunsch is' und das, das, das drückt ja auch schon einiges aus.
[MfS-Mitarbeiter:]
Mhmh, das ist sehr gut, darauf wird diese Sache durch mein Erscheinen hier ja noch gesondert untermauert, da Sie ja gehört ha'm, dass er sich drei Jahre zur NVA verpflichtet hat und dadurch ja auch die Einstellung schon ganz anders is'.
Eventuell - äh - besond're Sachen die die Familie [anonymisiert], so wie sie erzählt hatt'n, ha', sie ein eigenes Auto oder irgendwie einen Garten mit einem Wochenendhäuschen oder so etwas eben oder eventuell nich'?
[Auskunftsperson 1:]
Sie haben einen Pkw Trabant. Und dann haben sie einen kleinen Garten, aber außerhalb der Stadt, 'ne kleine Laube so, ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
Und sonst, äh?
[Auskunftsperson 1:]
Und ansonsten is' auch ziemlich sauber und ordentlich alles bei denen, ja und so Dinge.
[MfS-Mitarbeiter:]
Kann man so sagen, dass sie auch so einen normalen Lebensstandard haben, dass sie nich' über ihr Maß eventuell- -
[Auskunftsperson 1:]
Ja, das kann man sagen.
[MfS-Mitarbeiter:]
...was man so sieht, nich'.
[Auskunftsperson 1:]
Das kann man sagen.
[MfS-Mitarbeiter:]
Sehr schön, danke.
Dann eventuell: Umgangskreis hat die Familie [anonymisiert], [Befragter 1 räuspert] falls Sie das beobachten können, ob besonders andre Familien im Hause oder außerhalb Arbeitskollegen des Herrn [anonymisiert] hier besonders herkommen, um Feierlichkeiten durchzuführen oder andre Art. Wissen Sie darüber etwas?
[Auskunftsperson 1:]
Na ja, von Herrn [anonymisiert] ein Arbeitskollege kommt mit seiner Familie, aber die kommen halt bloß- - nur zu Geburtstagen.
Ich hab s'e- - letztes Jahr ha'm s'e auch zusammen Silvester gefeiert. Ja, also eben nur zu bestimmten Feierlichkeiten, ja, mh. Man kann sagen, dass och Familie ganz anständig- - Familie is', ja. Sind bis jetz' hier im Haus, mh - mal begegnet bin, höflich aufgetreten, ja und.
[MfS-Mitarbeiter:]
Also kann man sagen, dass die Familie [anonymisiert] hier im Hause doch und auch der Sohn einen guten Leumund hat. Zum anderen hatten - äh - Sie auch schon ausgedrückt, dass der [anonymisiert] auch ältere Bürgern hier im Hause irgendwie unterstützt, hilft. So könnte man auch sagen, wo Sie vielleicht auch noch etwas sagen könnten, ob er irgendwie - weil junge Menschen manchmal etwas überschwänglich sind - auf diese Richtung, ich meine Rowdytum kann ja nich' sein, weil er Älteren hilft, aber vielleicht wissen Sie dort noch etwas.
[Auskunftsperson 1:]
Naja, ich würd sagen, falls zum Rowdytum auf keinen Fall [unverständlich]. Das is' eigentlich, na ich will mal so sagen, ein anständiger Jugendlicher, ja, der eigentlich 'ne guten Umgangsweise hat, ja. F-fals- - s-seine beide Freunde kommen auch des Öfteren und holen ihn ab und denn so, dann gehen sie zusammen zum Sport. Er spielt auch viel Fußball, ja. Und auch die beiden, die haben schon viel im Haus mit angefasst, kommen des Öfteren auch bei den Älteren, ja und sind so anständige Bengel, so wie sich das gehört für 'nen Jugendlichen, ja. Eben kein Rowdytum oder irgendwie dämlich kommen, ja, oder so was [unverständlich].
[MfS-Mitarbeiter:]
Das is' sehr schön, haben wir also auch diese Seite beleuchtet. So, dass is' ja auch wichtig für'n ND, für 'ne NVA, dass die Jugendlichen schon, also wenn sie noch zur Schule gehen und von einem Elternhaus gut beeinflusst wurden, also ordentliche Menschen sind. Sie wissen ja, gerade in dieser Zeit- - schwierigen Zeit, dass die Angehörigen der NVA besondere Qualitäten doch bringen sollten.
Da wir die Verbindung soweit auch schon beleuchtet haben, können wir sagen, Sie haben hier - wie ich gerade sehe - einen schönen Wandbehang hier. Hat den ihre Frau gemacht hier?
[Auskunftsperson 1:]
Ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
Oder?
[Auskunftsperson 1:]
Ja so is's [ist es]. Ha'm sich schon mehrere hier interessiert, ja, also is' - die macht meine Frau so in der Freizeit, ja. Na ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
Und die wunderbare Drechselarbeiten, die wir hier sehen, äh - haben Sie die auch selber- - sind Sie da irgendwie 'n bisschen so 'n Feierabend-Arbeiter, dass Sie das immer- -
[Auskunftsperson 1:]
[parallel] Ja, die haben- -
Na ja, ich hab mir- - ich hab mir 'ne kleine, kleine Werkstatt gemacht und da, da mach ich das eben so.
[MfS-Mitarbeiter:]
Na ja. Und, und da ha'm Sie da schon so viel Fertigkeiten, dass Sie das nur für Ihren eigenen Bedarf oder oder, is ja schon drauf bezogen, offenbar, weil man heutzutage im Kunstgewerbe - äh - Schwierigkeiten hat in diesen Geschäften etwas zu bekommen gerade zu den Feiertagen, wo man ja andern Freude machen will.
Haben Sie da auch so 'ne Bank, dass vielleicht bei einem erwerben könnte bei Ihnen hier so, wenn man kommen würde, ich meine...
[Auskunftsperson 1:]
Nu' ja, würde sich einrichten lassen, nu' ich hab's ja schon auch mal für 'ne Arbeitskollegin mitgenommen, sie- - jetzt grad' zu Weihnachten nachher denn.
[MfS-Mitarbeiter:]
Ja, das wär auch schön. Man könnte man also denn auch nochmal, vor allem weil man manchmal gar nicht weiß, was man heute schenken kann.
Ja, ich möchte mich dann recht herzlich bedanken für Ihre Auskünfte und da Sie ja sicher wissen, dass das etwas Vertrauliches, was wir hier besprochen haben, nicht, brauch ich da nicht weiter drauf hinweisen. Also bedanke mich recht herzlich und wünsche Ihnen dann noch einen schönen Tag.
Auf Wiedersehen.
[Auskunftsperson 1:]
Wiedersehen. [unverständlich]
[neues Gespräch]
[Klopfen]
[Auskunftsperson 2:]
Ja, bitte.
[MfS-Mitarbeiter:]
Einen wunderschönen guten Tag.
[Auskunftsperson 2:]
Guten Tag.
[MfS-Mitarbeiter:]
Herr [anonymisiert], ich hab mal ein bescheidenes Anliegen.
[Auskunftsperson 2:]
Ja, was wünschen Sie? Bitte, kommen Sie doch erst mal näher hier. Wir brauchen ja nich' im Hausflur stehen.
[MfS-Mitarbeiter:]
Dankeschön.
[Auskunftsperson 2:]
Bitte setzen Sie sich.
[MfS-Mitarbeiter:]
Herr [anonymisiert], ich - äh - habe ein Anliegen und zwar ich bin Beschäftigter, Zivilbeschäftigter bei der NVA und habe [räuspert] Dinge zu bearbeiten von jungen Kadern, die bei der NVA eine bestimmte Funktion später ausführen sollen. In diesem Falle geht es darum, hier im Hause wo die Familie [anonymisiert], der Sohn [anonymisiert] - wird Ihnen vielleicht bekannt sein. Wohnen Sie schon länger hier in diesem Hause?
[Auskunftsperson 2:]
Tja ich wohne so fünfeinhalb Jahre rum hier und die Familie [anonymisiert], die is' mir natürlich sehr gut bekannt. Der Sohn [anonymisiert] - äh - von der Familie [anonymisiert] is' mir natürlich dadurch auch sehr gut bekannt. Ich meine, äh - er is' ein sehr aufgeschlossener Junge, is' auch sehr hilfsbereit, hat schon des Öfteren hier alte Leute in unserem Neubau geholfen.
Äh, [anonymisiert] treibt sich auch nich' weiter so rum, wie man es manchmal von andern Jugendlichen sieht, wie s'e rumlungern in den Ecken sozusagen oder mit Eulen- - Koffereulen und und Tonbändern da stehen. Nee nee, [anonymisiert] ist da irgendwie 'n andrer Typ.
Er hat zwar auch 'ne Freundin, aber so mit Besuchen und so is' da auch nischt. Ist doch ein sehr aufgeschlossener Junge, wie ich schon sagte.
Und ick [ich] meine [anonymisiert] hat ja auch - äh - bestimmte Funktionen. Zum Beispiel - äh - weiß ich, da er schon öfters hier auch im Haus FDJler mitgebracht und da haben sie ebend hier auch über aktuelle Probleme sich unterhalten. Ick mein, 'ne, dis [das] war ja in der Wohnung, dis weeß ick [das weiß ich] ja nun nich', aber ick mein dit [das] artete dann sogar soweit aus, dass sie sich im Hausflur da weiter über manche Probleme unterhalten. Und da hab ick och so mitbekommen, dass ebend [anonymisiert] - äh - als stellvertretender FDJ-Sekretär eingesetzt wurde von seiner Schule. Und er geht ja in die 10. Klasse und hat auch sehr gute Ergebnisse. Äh, was er nu' des Späteren machen mal möchte beruflich, kann ick Ihnen nicht sagen, is' mir nicht bekannt.
Äh, [anonymisiert] is' natürlich sehr hilfsbereit. Auch jetz' gerade im Winter - äh - hält er von sich aus schon die Straße vorm Haus frei [räuspert]. Da brauchen wir uns überhaupt nich' drum kümmern. Is' genau so, wenn Eis is' und so, äh - das 'n bisschen abzustumpfen mit Sand oder anderweitigen Mitteln.
Also, ich kann eigentlich nur positive Sachen sagen von [anonymisiert]. Aber ich weiß ja nich', was möchten Sie noch konkreter wissen, da?
[MfS-Mitarbeiter:]
Ja, [räuspert] es ging vielleicht auch darum, dass Sie nochmal, die - äh - die Bindung von [anonymisiert] haben wir ja eigentlich schon klar rausgestellt, dass er ja durch die Erziehung, vermutlich durch die Eltern auf diesen Weg gekommen ist. So, dass er also eine positive Haltung hat, doch in diesem Hause [anonymisiert] selber und die Familie [anonymisiert] wohl auch einen guten Leumund haben, dass Sie eventuell noch auf Verbindungen- - haben Sie beobachtet, ob irgendwie westliche Beziehungen, kirchliche Bindungen vorhanden sind?
[Auskunftsperson 2:]
Nein, also da kann ich Ihn'n 100-prozentig sagen, da is' ja [anonymisiert] direkt der Gegner davon, wie das och hier schon öfter anklang im Hausflur oder auch draußen hier, wenn er dann mit seinen - äh - Freundin oder FDJlern da sich unterhält, dann argumentiert er ja auch - äh - in der Hinsicht, dass er direkt der Gegner der Kirche is', beziehungsweise auch Gegner hier von g'rade - äh - westlichen Medien hier, zum Beispiel dieses Westfernsehen oder auch die Verbreitung von- von [räuspert] vielen Gerüchten oder Zeitschriften westlicher Herkunft. Denn - äh - es is' ja heutzutage so, dass doch manche sich da ganz schön von beeinflussen lassen und in der Hinsicht hatte ich auch schon persönlich mit [anonymisiert] 'n Gespräch, dass so 'n bisschen darüber anklang und da is' er absoluter Gegner, da kann man das nur 100-prozentig sagen.
Die Eltern sind natürlich auch so eingestellt [räuspert]. Aus diesem Grunde wird er auch sicherlich - äh - diese Gesinnung haben.
[MfS-Mitarbeiter:]
Dann - äh - hätt' ich nochmal 'ne Frage, wie Sie den [anonymisiert] beurteilen aus Ihrer Sicht. Ist er ein ruhiger Typ, is' er eventuell jähzornig oder vielleicht hat er mal 'nen Moralischen oder so was? Ich meine Sie wissen ja auch so, wie das manchmal bei uns Größeren so ist, so is' es ja vielleicht manchmal auch zu beobachten bei den Jugendlichen, wenn sie auch hier im Haus nicht immer in so'n Neubaugebiet so viel zusammenkommen, aber hier und da kriegt man doch was mit.
[Auskunftsperson 2:]
Ja, äh - so'n, so'n moralischen, wie Sie schon anklingen lassen hatten, dit gloob ick nich' [das glaube ich nicht]. Aber ick mein, äh - er is' jung und - äh - manchmal kommen wir Alten da nich' so richtig mit. Äh, verschiedene Ansichten auch über beispielsweise die Freizeitgestaltung, denn das is' ja auch kein Hehl, dass er ab und zu mal mit dem Mädchen oder mal mit dem Mädchen zusammen is', was aber keine weitere größere irgendwie Bindung zur Folge hatte, sondern eben sich sozusagen die Jungs da 'n bisschen austoben, meiner Meinung nach. Und - äh - [räuspert] ansonsten - hatte ick ja schon gesagt - is' [anonymisiert] 'n aufgeschlossener Typ, äh - charakterlich: höflich, hilfsbereit, zuvorkommend. Ja mit seinen Mädchen, da is'ne kleine Geschichte, aber sonst kann man eigentlich über diese Sache nichts Negatives sagen.
Äh, ja das wäre eigentlich dazu.
[MfS-Mitarbeiter:]
Gut - äh, ich hätte vielleicht noch, äh -wenn Sie vielleicht bemerkt haben sollten, Herr [anonymisiert], verkehrt er irgendwie in Gaststätten oder irgendwie so Familienfeierlichkeiten mit viel Alkohol oder, Sie verstehen, dass eventuell bloß mal aus dem Milieu, woher er vielleicht kommt, nich- -
[Auskunftsperson 2:]
Na ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
...hineinleuchtet.
[Auskunftsperson 2:]
Na ja, ich meine -äh - er hat da jeden Tag, meiner Meinung nach, zum Abend da seine Flasche Bier, das hab ich schon öfter beobachtet. Wer macht das nich' heutzutage. Sonst-s-ansonsten hier - äh - Gaststättenaufenthalte und so sind mir eigentlich nich' bekannt. Natürlich zu größeren Feierlichkeiten und so weiter, äh - da guckt er auch Mal 'n bisschen tiefer ins Glas, sozusagen, aber so im Großen kann man sagen er trinkt seine Flasche Bier zu Hause vorm Fernseher, 'sonsten [ansonsten] weiter is' da nichts mit Alkohol. Außer eben zu Feierlichkeiten, sonst kann ich darauf nicht mehr zu sagen.
[MfS-Mitarbeiter:]
Ich hätte dann vielleicht nochmal, [Befragter 2 hustet] Herr [anonymisiert], wenn Sie mir auf dieser Strecke noch helfen könnten, wäre es möglich nochmal über die Eltern, über die Vermögensverhältnisse vielleicht oder auch noch speziell welchen Partei- und Massenorganisationen die Eltern angehören, sodass man sozusagen von der sozialen Herkunft nochmal etwas die Sache beleuchtet.
[Auskunftsperson 2:]
Tja, ich glaube Herr [anonymisiert] is' in der SED drinne'. Der hat wohl, ja doch, das weiß ich, der hat schon öfter sein Abzeichen getragen - daher weiß ich das.
Sie is' auch in der DSF drinne, Frau [anonymisiert]. Weiterhin sind natürlich beide im FDGB, das weiß ich auch.
Und - äh - sonst zu den Vermögensverhältnissen, sie haben [räuspert] 'nen Garten [räuspert] mit der Laube, wo sie sich auch recht häufig in ihrer Freizeit, an Wochenenden aufhalten, wo [anonymisiert] auch öfter dabei ist. Äh - die Familie besitzt auch einen Pkw, Pkw Trabant, äh -mit dem fahren sie auch des Öfteren hier zu Verwandten oder gerade im Sommer hier - äh - zum Baden an die Ostsee. Äh - tja, das is' sowieso 'ne Familie, die sehr naturverbunden ist. Daran zu sehen, dass sie doch ziemlich häufig auch abends noch nach der Arbeit in den Garten fahren. Ich meine, dass is' doch schon 'ne ganz schöne Anspannung, denn - äh - Herr [anonymisiert] macht auch Überstunden, das is' mir bekannt.
Wo Frau [anonymisiert] auch öfter abends alleine is'. War auch schon öfter runtergekommen zu uns, mal zum Fernsehabend oder zum - äh - geselligen Zusammensein sozusagen.
Und zu den eigentlichen Vermögensverhältnissen, ich würd so sagen, dass's 'ne [dass ist eine] durchschnittliche - äh - Sache [räuspert]. Also sozusagen Durchschnittsbürger - Pkw Trabant, Garten, Laube - sind eigentlich angesehene Leute, ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
Ich hätte vielleicht nochmal - äh - jewusst [gewusst]: hat die Familie noch eventuell Bindungen, hier so noch andre Geschwister von Herrn [anonymisiert] oder von Frau [anonymisiert], die hier in der Umgebung oder in der Republik wohnen oder im Ausland, so sie vielleicht irgendwie mal 'nen Brief beobachtet haben, der irgendwie durch'n [durch den] Postboten hier in Schlitz gesteckt worden is'?
[Auskunftsperson 2:]
Mh-mh.
[MfS-Mitarbeiter:]
Können Sie da vielleicht noch etwas zu sagen?
[Auskunftsperson 2:]
Ja, äh - von Herrn [anonymisiert] ist die Mutter schon gestorben. Das is' wohl vor vier Jahren gewesen. Und - äh - der Vater von Herrn [anonymisiert], der wohnt wohl in Neubrandenburg, das kann ich ihnen aber nicht genau sagen [hustet]. Der hat auch 'n Auto, 'n Saborosch [Saporoshez], und gelegentlich is' er auch mal zu sehen, aber man kann doch sagen gelegentlich, na - selten kann man doch sagen, denn er is' auch so'n Eigenbrötler, jetz' vielleicht auch durch das Alter und so weiter. Da kann ich Ihnen so weiter auch nichts Näheres sagen.
Äh - Familie [anonymisiert] ist mir bekannt, die fahren wohl auch nich' so häufig dahin zu ihm, denn weil er ja auch verschiedene Ansichten hat. Hier manchmal auch 'n bisschen altertümliche Ansichten zu unserem Staat [räuspert] und guckt auch sehr häufig Westfernsehen und so weiter und lässt sich auch davon beeinflussen, so klang das mal an, wo sie hier war, bei so einem geselligen Zusammensein.
Tja und von Frau [anonymisiert] da leben beide Eltern noch, die leben aber unten, im südlichen Teil der DDR, in Aue, und - äh - trotzdem sie so weit entfernt wohnen, muss ich- - kann man doch sagen, äh - die besuchen sich doch öfter. Äh - [räuspert] das hängt wohl och damit zusammen, mit den - äh - freundschaftlichen- - ihres freundschaftlichen Zusammenseins, da unten is' dit ja sowieso 'n bisschen anders als hier oben. Hier oben sind ja meisten Eigen- - na meistens nicht, aber viele Eigenbrötler, die- - der Mecklenburger ist sowieso 'n bisschen stur sozusagen.
Und da- äh - ja, Familie [anonymisiert] auch öfter runter fährt, dort auch Urlaub macht, die machen das auch gegenseitig, sie besorgen, Herr [anonymisiert] besorgt für seien Schwiegereltern hier oben dann Urlaubsplätze und - äh - umgedreht genauso, öfter haben sie auch Urlaubsplätze unten da - äh - im Gebirge so [räuspert]. Ja, da is' eigentlich doch 'n intimeres Verhältnis, sozusagen.
Ansonsten, äh - Verwandte in, in der BRD oder in West-Berlin - äh - sind mir eigentlich nich' bekannt. Da kann man nischt zu sagen.
Tja.
[MfS-Mitarbeiter:]
Ja, Herr [anonymisiert] [räuspert]. Ich bedanke mich dann erstmal für die Auskunft.
Ich seh' gerade hier, in Ihrer Wohnung hier, Sie haben hier so nette Gardinen, die sind so gerafft hier, hat die ihre Frau alleine genäht, hier? Ist Sie da auch auf dem Gebiet des Schneiderhandwerks selber 'n bisschen tätig oder?
[Auskunftsperson 2:]
Ja, das glaub ich schon, dass sie nett aussehen.
Meine Frau ist zwar von Beruf Köchin, aber nebenbei da schneidert sie doch schon so 'n bisschen, 'n paar Sachen und so weiter und - äh - fürs Haus, fürs Heim, da tut man ja sowieso ein bisschen mehr und versucht das natürlich so schön wie möglich zu gestalten. Da sind so 'ne handwerklichen Tätigkei- - äh - Fähigkeiten manchmal zum Vorteil, sieht man ja.
[MfS-Mitarbeiter:]
Und is' ja auch schön, nich', wenn man das selbst getan hat, besser als wenn man das im Geschäft kauft und so kann man sich das so herrichten, die Wohnung, wie man das gerne haben möchte.
[Auskunftsperson 2:]
Ja, das auf jeden Fall. Und da- -
[MfS-Mitarbeiter:]
Da man nach Feierabend ja doch immer selber die Wohnung [Befragter 2 räuspert], [unverständlich] wenn die schön ist, hat man ja von der ganzen Atmosphäre ganz was Besonderes noch, wenn man da selber Hand angelegt hat mit.
[Auskunftsperson 2:]
Ja, das möchte ja sein.
[MfS-Mitarbeiter:]
Denn also wie gesagt, Herr [anonymisiert], ich bedanke mich dann noch mal für ihre Auskünfte, wünsche Ihn'n denn und Ihrer Familie noch viel Gesundheit, verabschiede mich und - äh - darauf hinzuweisen, dass unser Gespräch vertraulich ist, brauch' ich ja nicht besonders, da ich ja weiß oder gemerkt hab, dass Sie diese Sachen doch auch bisschen Bedeutung mit beimessen.
Also, auf Wiedersehen.
[Auskunftsperson 2:]
Ja, auf Wiedersehen, ich wünsche Ihnen dann auch noch alles Gute und viel Erfolg dann bei Ihrer weiteren Tätigkeit.
[MfS-Mitarbeiter:]
Weitere Angaben zur Auskunftsperson Numero eins: "Herr [anonymisiert]". "Herr [anonymisiert]- - "Herr [anonymisiert]" ist Arbeiter in der Warnowwerft Warnemünde. Er ist verheiratet, hat zwo Kinder, ist Mitglied der SED, keine westlichen Bindungen. Er ist sechs Jahre im Haus- - bereits wohnt er dort und ist eine gute Auskunftsperson.
Auskunftsperson Numero zwo: "Herr [anonymisiert]", ist [anonymisiert] im Dieselmotorenwerk Rostock, ist Mitglied der NDPD, verheiratet, hat ein Kind, keine kirchlichen Bindungen und Bindung in die Bundesrepublik, sowie andere westliche Länder; ebenfalls eine gute Auskunftsperson, auch von der Erscheinung recht ordentlich.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Vernehmung von Karl Laurenz im Geheimprozess gegen ihn und Elli Barczatis wegen Spionage Audio, 38 Minuten, 31 Sekunden
Vernehmung in einer konspirativen Wohnung Video, 10 Minuten, 25 Sekunden
Vernehmung einer männlichen Person wegen versuchter Flucht aus der DDR Video, 33 Minuten, 39 Sekunden
Schulungskassette "Nicht nur Heimweh – Erfahrungen in einer anderen Welt" Audio, 52 Minuten, 55 Sekunden