Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 7, Bl. 43-44
Die Teilung der Stadt Berlin durch den Mauerbau machte viele Bürger unzufrieden. Die Stasi dokumentierte die Stimmung der Anwohner entlang der Grenze im Stadtbezirk Berlin-Mitte.
Die Schließung der Grenze und der Bau der Berliner Mauer im August 1961 lösten bei vielen Betroffenen Verzweiflung und Empörung aus. In den ersten Wochen und Monaten schlug die Frustration noch häufig in Protest- und Widerstandsaktionen um – sowohl in Ost- wie auch in West-Berlin. Je höher und undurchlässiger die Grenzbefestigungen wurden, desto stärker resignierte die Bevölkerung und die Proteste flauten ab. Gab es anfangs noch erhebliche Lücken im Sperrsystem, gelang es den DDR-Sicherheitsbehörden diese allmählich zu schließen.
Auch das MfS profilierte sich in den Monaten nach dem Mauerbau mit Vorschlägen und Maßnahmen zur Verhinderung von "Grenzdurchbrüchen". Zum Beispiel wurden alle bekannten Fluchttunnel erfasst. Im Dezember 1961 veranlasste der Stellvertreter Erich Mielkes, Bruno Beater, die Stimmung in den Grenzregionen besonders sorgsam zu beobachten.
Das vorliegende Dokument der MfS-Bezirksverwaltung Berlin ist eine solche Stimmungsanalyse für den Stadtbezirks Mitte. Die Staatssicherheit dokumentierte darin die Unzufriedenheit vieler Bürger mit den Wohnverhältnissen im unmittelbaren Umfeld der Mauer. Verwandte und Bekannte aus dem Westteil der Stadt durften ihre Angehörigen in Ost-Berlin erst wieder im Dezember 1963 besuchen, nachdem sich beide deutsche Staaten auf ein Passierscheinabkommen einigten.
Verwaltung Groß-Berlin
- Informationsgruppe -
Berlin, den 21.2.1962
Informationsgruppe
Betr.: Einschätzung der Stimmung der Bewohner des Grenzgebietes im Stadtbezirk Mitte
Im allgemeinen kann festgestellt werden, daß sich die meisten Bewohner der Häuser unmittelbar an der Staatsgrenze mit den Bedingungen, unter denen sie jetzt leben müssen, abgefunden haben.
Es gibt jedoch nicht wenig Bürger, die über ihre augenblicklichen Wohnverhältnisse sehr unzufrieden sind und dies bei jeder Gelegenheit auch zum Ausdruck bringen. Der Wunschs, eine andere Wohnung im Stadtbezirk zu erhalten ist fast bei allen vorhanden. Die meisten Diskussionen werden um das Problem der Passierscheine geführt. Durch die Grenzpolizei werden Passierscheine nur in äußerst begrenztem Rahmen ausgegeben. Viele Bürger verstehen nicht, daß hier ein strenger Maßstab angelegt werden muß.
Den Hauptansturm in dieser Beziehung haben die Grenz-ABV abzufangen, weil sich viele Bürger an sie wenden mit der Bitte, für Verwandte und Bekannte einen Passierschein auszustellen.
Bei der Abteilung Wohnungswesen des Rates des Stadtbezirkes liegen eine Reihe von Anträgen mit der Bitte um Zuweisung einer anderen Wohnung, die nicht unmittelbar im Grenzgebiet liegt, vor. Als Gründe bringen die Bürger zum Teil zum Ausdruck, daß sie in ihrer jetzigen Wohnung nicht von ihren Verwandten und Bekannten besucht werden können.
Ein junges Ehepaar aus der Luckauerstraße erschien in der Abt. Wohnungswesen und begründeten ihren Antrag auf Zuweisung einer anderen Wohnung damit, daß die Ehefrau schwanger und kränklich wäre und in der jetzigen Wohnung die Hilfe ihrer Mutter oder Schwiegermutter nicht in Anspruch nehmen könnte.
In einem anderen Fall beschwerten sich Mieter über Schäden an den Häusern und vorhandene Verschmutzung. So wohnen im Haus Dresdnerstraße 114/Seitenflügel nur noch 3 Mietparteien. Sie
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 7, Bl. 43-44
Die Teilung der Stadt Berlin durch den Mauerbau machte viele Bürger unzufrieden. Die Stasi dokumentierte die Stimmung der Anwohner entlang der Grenze im Stadtbezirk Berlin-Mitte.
Die Schließung der Grenze und der Bau der Berliner Mauer im August 1961 lösten bei vielen Betroffenen Verzweiflung und Empörung aus. In den ersten Wochen und Monaten schlug die Frustration noch häufig in Protest- und Widerstandsaktionen um – sowohl in Ost- wie auch in West-Berlin. Je höher und undurchlässiger die Grenzbefestigungen wurden, desto stärker resignierte die Bevölkerung und die Proteste flauten ab. Gab es anfangs noch erhebliche Lücken im Sperrsystem, gelang es den DDR-Sicherheitsbehörden diese allmählich zu schließen.
Auch das MfS profilierte sich in den Monaten nach dem Mauerbau mit Vorschlägen und Maßnahmen zur Verhinderung von "Grenzdurchbrüchen". Zum Beispiel wurden alle bekannten Fluchttunnel erfasst. Im Dezember 1961 veranlasste der Stellvertreter Erich Mielkes, Bruno Beater, die Stimmung in den Grenzregionen besonders sorgsam zu beobachten.
Das vorliegende Dokument der MfS-Bezirksverwaltung Berlin ist eine solche Stimmungsanalyse für den Stadtbezirks Mitte. Die Staatssicherheit dokumentierte darin die Unzufriedenheit vieler Bürger mit den Wohnverhältnissen im unmittelbaren Umfeld der Mauer. Verwandte und Bekannte aus dem Westteil der Stadt durften ihre Angehörigen in Ost-Berlin erst wieder im Dezember 1963 besuchen, nachdem sich beide deutsche Staaten auf ein Passierscheinabkommen einigten.
führen Klage darüber, daß die sanitären Anlagen nicht mehr funktionieren, die Aufgänge total verschmutzt wären und die Rattenplage überhand nähme.
Das Ehepaar [geschwärzt] aus der [geschwärzt] stellte den Antrag auf eine neue Wohnung, weil es in beiden Zimmern ihrer jetzigen Wohnung durchregne und die KVW [Anmerkung: Gemeint ist die Kommunale Wohnungsverwaltung KWV] Reparaturen im Grenzgebiet nicht ausführe.
Ein anderer Teil von Mietern erklärt beim Antrag offen, daß sie die Aussicht auf die "Mauer" und den "Stacheldraht" nicht mehr ertragen könnten.
Charakteristisch für das unmittelbare Grenzgebiet ist ferner, daß dort laufend Gerüchte kursieren. In der Boyenstraße ist gegenwärtig das Gerücht stark verbreitet, daß diese Straße zum Frühjahr geräumt würde. Mit solchen Gerüchten werden aber die Bewohner ständig in Bewegung gehalten, auch der Teil, der sich mit den Lebensverhältnissen an der Grenze abgefunden hat. Die politische Arbeit wird dadurch sehr erschwert. Oftmals erklären Bürger, bei dem Versuch Hausgemeinschaften zu bilden bzw. gemeinsame Einsätze durchzuführen, daß dies alles keinen Zweck mehr hatte, da die Häuser ja über kurz oder lang doch geräumt werden würden.
Starke Diskussionen gibt es ferner über die Fragen der Versorgung, besonders mit Obst und Südfrüchten. Dazu ist einzuschätzen, daß die Grenzbewohner vor dem 13.8. in erheblichem Maße Einkäufe in West-Berlin tätigten, bzw. zum großen Teil als Grenzgänger in Westberlin arbeiteten. Diese Personen nutzen die Versorgungslage aus, um Stimmung gegen die Maßnahmen vom 13.8. zu machen. Dabei treten zahlreiche feindliche Argumente auf, wie
Die angeführten Probleme und Stimmungen sind typisch für das unmittelbare Grenzgebiet. In der Arbeit des Staatsapparates und der gesellschaftlichen Organisationen müßte das ein Schwerpunkt in der Arbeit sein.
[Unterschrift]
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Bericht über Republikfluchten nach dem Bau der Mauer Dokument, 22 Seiten
Bericht der BV Karl-Marx-Stadt über die Situation im Grenzgebiet zur Bundesrepublik Dokument, 4 Seiten
Bericht der BV Karl-Marx-Stadt über die Stimmung im Kreis Plauen nach dem Mauerbau Dokument, 5 Seiten
Abschlussbericht der Bezirksverwaltung Suhl zur Aktion "Festigung" Dokument, 25 Seiten