Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 14489, Bl. 20-23
Mit dem Kulturabkommen zwischen der DDR und der Bundesrepublik vom Mai 1986 entwickelte sich auch der kunstwissenschaftliche Ost-West-Austausch am Bauhaus. Im Sommer 1988 gipfelte dieser in der Eröffnung einer Ausstellung des West-Berliner Bauhaus-Archivs im Beisein ost- und westdeutscher Politiker.
Im Vorfeld der Ausstellung bündelte das MfS seine Kräfte und legte Maßnahmen fest. Es überprüfte beispielsweise die Ein- und Ausreisen der Mitarbeiter des West-Berliner Bauhaus-Archivs in die DDR und registrierte sie in einem "Sicherungsvorgang". Das MfS sicherte auch die außergewöhnliche Ausstellung und den kurzen Auftritt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen, ab. Diese deutsch-deutsche Konstellation im Bauhaus war neu, ungewöhnlich und barg aus Sicht der Stasi Risiken.
Das vorliegende Dokument - aus dem Büro des Ministers für Bauwesen an den Sekretär des Zentralkomitees der SED, Günter Mittag - schildert positiv rückblickend den erfolgreichen Ablauf und das Echo der Ausstellung. Das große Interesse und die "Wertschätzung" durch die ausländischen Vertreter und die Presse sei eine Anerkennung der Entwicklung des Bauhauses Dessau. Die ungewöhnlich große Anzahl an Ausstellungs-Besuchern – über 35.000 innerhalb von 6 Wochen – wurde als "bislang nicht vorhanden" beschrieben.
[handschriftliche Ergänzung: 3584/88; 12/10.88]
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik
Ministerium für Bauwesen
Der Minister
Mitglied des Politbüros und Sekretär des
Zentralkomitees der SED
Genossen Günter Mittag
Marx-Engels-Platz
Berlin
1020
Berlin, [Stempel: 10. Okt. 1988]
4040
Lieber Genosse Günter Mittag!
Entsprechend der von der Arbeitsgruppe des Politbüros am 17. Juni 1988 bestätigten "Information zum Stand der Vorbereitung einer Ausstellung des Bauhaus Archivs e.V. aus Berlin (West) im Bauhaus Dessau und Vorschläge zum weiteren Vorgehen" übergebe ich beiliegend die Information über die Durchführung der Ausstellung und ihre Ergebnisse.
Die Vorschläge für das Vorgehen bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung konnten verwirklicht werden.
Mit kommunistischem Gruß
[Unterschrift: i.V. Lazimi]
W. Junker
Anlage
Der Sicherungsvorgang war eine 1976 eingeführte Form der aktiven Erfassung. Er wurde auch SVG oder SiVo abgekürzt. Aufgabenabhängig erfassten die Diensteinheiten damit Personen, die im jeweiligen Verantwortungsbereich "anfielen" (z. B. Geheimnisträger, Anwohner wichtiger Militärobjekte, Ausländer, Doppelgängeridentitäten).
Das konnten je Sicherungsvorgang mehrere 100 Personen sein. Verließ eine Person den Verantwortungsbereich (z. B. durch Berentung oder Umzug), wurden deren Daten auf dem Indexbogen gestrichen; der Vorgang selbst blieb erhalten. Eine Aktenführung zu einzelnen Personen war nicht vorgeschrieben, so dass oft kein weiteres Material vorhanden ist.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 14489, Bl. 20-23
Mit dem Kulturabkommen zwischen der DDR und der Bundesrepublik vom Mai 1986 entwickelte sich auch der kunstwissenschaftliche Ost-West-Austausch am Bauhaus. Im Sommer 1988 gipfelte dieser in der Eröffnung einer Ausstellung des West-Berliner Bauhaus-Archivs im Beisein ost- und westdeutscher Politiker.
Im Vorfeld der Ausstellung bündelte das MfS seine Kräfte und legte Maßnahmen fest. Es überprüfte beispielsweise die Ein- und Ausreisen der Mitarbeiter des West-Berliner Bauhaus-Archivs in die DDR und registrierte sie in einem "Sicherungsvorgang". Das MfS sicherte auch die außergewöhnliche Ausstellung und den kurzen Auftritt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen, ab. Diese deutsch-deutsche Konstellation im Bauhaus war neu, ungewöhnlich und barg aus Sicht der Stasi Risiken.
Das vorliegende Dokument - aus dem Büro des Ministers für Bauwesen an den Sekretär des Zentralkomitees der SED, Günter Mittag - schildert positiv rückblickend den erfolgreichen Ablauf und das Echo der Ausstellung. Das große Interesse und die "Wertschätzung" durch die ausländischen Vertreter und die Presse sei eine Anerkennung der Entwicklung des Bauhauses Dessau. Die ungewöhnlich große Anzahl an Ausstellungs-Besuchern – über 35.000 innerhalb von 6 Wochen – wurde als "bislang nicht vorhanden" beschrieben.
Abschlußbericht zur Ausstellung "Experiment Bauhaus" des Bauhaus Archivs e.V. Berlin (West) im Bauhaus Dessau
Entsprechend der zentralen Entscheidung vom 17.06.1988 wurde die Ausstellung des Bauhaus Archivs e.V. Berlin (West) vom 06.08. bis 25.09.1988 im Bauhaus Dessau durchgeführt.
Die von der Arbeitsgruppe des Politbüros des ZK der SED unterbreiteten Vorschläge für das Vorgehen bei der Vorbereitung und Durchführung haben sich bewährt. Die Zielstellungen konnten verwirklicht werden.
Die Eröffnung der Ausstellung erfolgte durch den Staatssekretär im Ministerium für Bauwesen, Genossen Dr. Karl Schmiechen. Danach hielt der Regierende Bürgermeister von Berlin (West), Herr Diepgen, eine kurze Ansprache.
Die gesamte Veranstaltung verlief in einer sachlichen Atmosphäre. Es gab keine Provokationen.
An der Eröffnung nahmen Vertreter des Diplomatischen Korps in der DDR, unter anderem aus der VR Ungarn, der CSSR, den USA und der BRD, teil. Anwesend waren Vertreter von Rundfunk, Presse und Fernsehen aus sozialistischen und kapitalistischen Ländern.
Die Ausstellung fand insgesamt eine hohe internationale Beachtung und Wertschätzung. Damit war vor allem eine Anerkennung der Neueröffnung und der Entwicklung des Bauhaus Dessau als Zentrum für Gestaltung in der DDR verbunden. Dies spiegelte sich auch in der Berichterstattung im In- und Ausland wider. Die Ausstellung ist vergleichbar mit einer Reihe von Darstellungen zum Bauhauserbe, die unter anderem in Budapest, Madrid, Köln, Brüssel, Zürich und New York im Jahre 1988 gezeigt wurden.
Bereits zur Eröffnung der Ausstellung zeigte sich, welch großes Interesse die gegenwärtige Entwicklung der neuen Institution Bauhaus Dessau, besonders hinsichtlich seiner
Der Sicherungsvorgang war eine 1976 eingeführte Form der aktiven Erfassung. Er wurde auch SVG oder SiVo abgekürzt. Aufgabenabhängig erfassten die Diensteinheiten damit Personen, die im jeweiligen Verantwortungsbereich "anfielen" (z. B. Geheimnisträger, Anwohner wichtiger Militärobjekte, Ausländer, Doppelgängeridentitäten).
Das konnten je Sicherungsvorgang mehrere 100 Personen sein. Verließ eine Person den Verantwortungsbereich (z. B. durch Berentung oder Umzug), wurden deren Daten auf dem Indexbogen gestrichen; der Vorgang selbst blieb erhalten. Eine Aktenführung zu einzelnen Personen war nicht vorgeschrieben, so dass oft kein weiteres Material vorhanden ist.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
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Vorläufige Konzeption zur Sicherung des Bauhauses Dessau Dokument, 5 Seiten
Das Bauhaus in Dessau im September 1989 Dokument, 2 Seiten
Information zur Planung des 60. Jahrestages und Perspektive des Bauhaus Dessau Dokument, 5 Seiten
"Fixi" - ein IM in Schlüsselposition im Bauhaus Dessau Dokument, 3 Seiten