Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5342, Bl. 1-64
Die Verhandlungen während der Wiener Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fanden im Januar 1989 ihren Abschluss. In einer Rede vor dem "Kollegium", einem Beratungsgremium der Stasi-Oberen, ordnete Minister Erich Mielke die Unterzeichnung des Abschlussdokuments und deren Folgen für die Staatssicherheit ein.
Die SED-Führung hatte noch im Dezember 1988 auf einem Plenum des Zentralkomitees bekräftigt, dass es in der DDR auf gar keinen Fall zu einer Übernahme der Reformpolitik Gorbatschows, von "Perestroika" und "Glasnost", kommen dürfe. Das bestätigte die Stasi-Oberen in ihrem Glauben, dass Widerspruch aus der Gesellschaft repressiv begegnet werden müsse.
Aber die DDR agierte international als Teil des Ostblocks und war wirtschaftlich zunehmend von der Bundesrepublik abhängig. Im Ostblock öffnete sich die Führungsmacht, die Sowjetunion, langsam in Richtung Westen. Gerade in den Wochen zu Beginn des Jahres 1989 waren die Verhandlungen bei der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in eine entscheidende Phase getreten. In Wien, wo diese Verhandlungen stattfanden, hatte sich die sowjetische Vertretung, ebenso wie die ungarische und die polnische Delegation, darauf verständigt, den westlichen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Menschenrechte entgegenzukommen: Gewährung von Informations- und Reisefreiheit und die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Die DDR-Führung hatte lange versucht, dem entgegenzusteuern, musste schließlich aber einlenken und das Abschlussdokument ebenfalls unterzeichnen.
Wie bitter die internationale Lage für Erich Mielke, den langjährigen Minister für Staatssicherheit, war, zeigt seine Rede vor dem "Kollegium" des Ministeriums. Mielke schilderte in der Rede einige der Motive, die die DDR-Führung dazu brachten, das Abschlussdokument trotz starker Bedenken zu unterzeichnen. Es waren Differenzen mit anderen sozialistischen Ländern und es war die Angst vor internationaler Isolation. Der Minister für Staatssicherheit machte zudem deutlich, dass die DDR nicht gewillt war, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Alles müsse "im Rahmen der nationalen Gesetzgebung verwirklicht" werden. "Helsinki-Gruppen", wie die Bürgerrechtsgruppen in dem Abschlussdokument genannt werden, würden in der DDR "entsprechend einer zentralen Entscheidung" (eine Umschreibung für eine Anweisung, die Erich Honecker selbst erteilt hatte) nicht zugelassen.
Aus dem Wiener Schlußdokument ergibt sich - um auf ein weiteres Problem hinzuweisen - die Aufgabe, die Auslegung und Anwendung einiger Straftatbestände (besonders §§ 214, 219, 220 StGB betreffend) neu zu durchdenken.
Auch die Orientierung zur Strafverfolgung bestimmter Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung vom Juni 1987 sollte im Zusammenwirken mit dem Generalstaatsanwalt und dem Obersten Gericht der DDR geprüft und, wenn erforderlich, Vorschläge zur Überarbeitung unterbreitet werden.
Zu diesen und anderen sich ergebenden weiteren neuen Erfordernissen sind seitens der Hauptabteilung IX in Abstimmung mit den zuständigen anderen Rechtspflegeorganen und Diensteinheiten des MfS die entsprechenden Vorschläge auszuarbeiten und mir vorzulegen.
Das alles muß natürlich unter Berücksichtigung der konkreten Pläne und des Vorgehens des Gegners, der konkreten Lagebedingungen und der absehbaren Tendenzen der Lageentwicklung erfolgen. Es muß in der erforderlichen Relation dazu stehen. Wenn von Politikern, von den aggressiven Kreisen der NATO-Staaten auf eine Verstärkung des Konfrontationskurses hingearbeitet wird - wie das teilweise auf der Wehrkundetagung in München offensichtlich wurde -, wenn scharfmacherische Forderungen gegenüber den sozialistischen Staaten erhoben und die politischen und ideologischen Einwirkungsversuche sowie die subversiven Angriffe gesteigert werden, dann dürfen wir auch nicht leichtfertig an evtl. Modifizierungen herangehen, uns nicht selbst entwaffnen.
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5342, Bl. 1-64
Die Verhandlungen während der Wiener Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fanden im Januar 1989 ihren Abschluss. In einer Rede vor dem "Kollegium", einem Beratungsgremium der Stasi-Oberen, ordnete Minister Erich Mielke die Unterzeichnung des Abschlussdokuments und deren Folgen für die Staatssicherheit ein.
Die SED-Führung hatte noch im Dezember 1988 auf einem Plenum des Zentralkomitees bekräftigt, dass es in der DDR auf gar keinen Fall zu einer Übernahme der Reformpolitik Gorbatschows, von "Perestroika" und "Glasnost", kommen dürfe. Das bestätigte die Stasi-Oberen in ihrem Glauben, dass Widerspruch aus der Gesellschaft repressiv begegnet werden müsse.
Aber die DDR agierte international als Teil des Ostblocks und war wirtschaftlich zunehmend von der Bundesrepublik abhängig. Im Ostblock öffnete sich die Führungsmacht, die Sowjetunion, langsam in Richtung Westen. Gerade in den Wochen zu Beginn des Jahres 1989 waren die Verhandlungen bei der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in eine entscheidende Phase getreten. In Wien, wo diese Verhandlungen stattfanden, hatte sich die sowjetische Vertretung, ebenso wie die ungarische und die polnische Delegation, darauf verständigt, den westlichen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Menschenrechte entgegenzukommen: Gewährung von Informations- und Reisefreiheit und die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Die DDR-Führung hatte lange versucht, dem entgegenzusteuern, musste schließlich aber einlenken und das Abschlussdokument ebenfalls unterzeichnen.
Wie bitter die internationale Lage für Erich Mielke, den langjährigen Minister für Staatssicherheit, war, zeigt seine Rede vor dem "Kollegium" des Ministeriums. Mielke schilderte in der Rede einige der Motive, die die DDR-Führung dazu brachten, das Abschlussdokument trotz starker Bedenken zu unterzeichnen. Es waren Differenzen mit anderen sozialistischen Ländern und es war die Angst vor internationaler Isolation. Der Minister für Staatssicherheit machte zudem deutlich, dass die DDR nicht gewillt war, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Alles müsse "im Rahmen der nationalen Gesetzgebung verwirklicht" werden. "Helsinki-Gruppen", wie die Bürgerrechtsgruppen in dem Abschlussdokument genannt werden, würden in der DDR "entsprechend einer zentralen Entscheidung" (eine Umschreibung für eine Anweisung, die Erich Honecker selbst erteilt hatte) nicht zugelassen.
Genossen!
Bereits jetzt zeichnet sich ab, wie auch bereits angeführt, daß der Gegner die in Wien erreichten Ergebnisse im KSZE-Prozeß für subversive Zwecke, für seine verstärkte Einmischungs- und Differenzierungspolitik gegenüber den sozialistischen Staaten zu nutzen und mißbrauchen versucht. Liberalisierung, Demokratisierung und Pluralismus nach westlicher Prägung in sozialistischen Ländern zu erreichen bzw. zu vertiefen - darum geht es ihm vor allem.
Erklärte Absicht ist, die DDR und andere Bruderstaaten permanent politisch unter Druck zu setzen, immer weitergehende Zugeständnisse zu erreichen und uns inbesondere zur Veränderung der innerstaatlichen Gesetzgebung zu veranlassen.
Soweit bereits jetzt erkennbar, ist für das gegnerische Vorgehen gegen DDR typisch:
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5342, Bl. 1-64
Die Verhandlungen während der Wiener Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) fanden im Januar 1989 ihren Abschluss. In einer Rede vor dem "Kollegium", einem Beratungsgremium der Stasi-Oberen, ordnete Minister Erich Mielke die Unterzeichnung des Abschlussdokuments und deren Folgen für die Staatssicherheit ein.
Die SED-Führung hatte noch im Dezember 1988 auf einem Plenum des Zentralkomitees bekräftigt, dass es in der DDR auf gar keinen Fall zu einer Übernahme der Reformpolitik Gorbatschows, von "Perestroika" und "Glasnost", kommen dürfe. Das bestätigte die Stasi-Oberen in ihrem Glauben, dass Widerspruch aus der Gesellschaft repressiv begegnet werden müsse.
Aber die DDR agierte international als Teil des Ostblocks und war wirtschaftlich zunehmend von der Bundesrepublik abhängig. Im Ostblock öffnete sich die Führungsmacht, die Sowjetunion, langsam in Richtung Westen. Gerade in den Wochen zu Beginn des Jahres 1989 waren die Verhandlungen bei der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in eine entscheidende Phase getreten. In Wien, wo diese Verhandlungen stattfanden, hatte sich die sowjetische Vertretung, ebenso wie die ungarische und die polnische Delegation, darauf verständigt, den westlichen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Menschenrechte entgegenzukommen: Gewährung von Informations- und Reisefreiheit und die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Die DDR-Führung hatte lange versucht, dem entgegenzusteuern, musste schließlich aber einlenken und das Abschlussdokument ebenfalls unterzeichnen.
Wie bitter die internationale Lage für Erich Mielke, den langjährigen Minister für Staatssicherheit, war, zeigt seine Rede vor dem "Kollegium" des Ministeriums. Mielke schilderte in der Rede einige der Motive, die die DDR-Führung dazu brachten, das Abschlussdokument trotz starker Bedenken zu unterzeichnen. Es waren Differenzen mit anderen sozialistischen Ländern und es war die Angst vor internationaler Isolation. Der Minister für Staatssicherheit machte zudem deutlich, dass die DDR nicht gewillt war, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Alles müsse "im Rahmen der nationalen Gesetzgebung verwirklicht" werden. "Helsinki-Gruppen", wie die Bürgerrechtsgruppen in dem Abschlussdokument genannt werden, würden in der DDR "entsprechend einer zentralen Entscheidung" (eine Umschreibung für eine Anweisung, die Erich Honecker selbst erteilt hatte) nicht zugelassen.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Schreiben Mielkes an die Leiter der Diensteinheiten zur Veröffentlichung des KSZE-Dokuments Dokument, 3 Seiten
Anweisung Mielkes die Folgen der KSZE-Vereinbarungen abzuschätzen Dokument, 6 Seiten
Referat Erich Mielkes auf einer Dienstbesprechung kurz vor den Kommunalwahlen 1989 Dokument, 177 Seiten
Anweisung zur Überwachung "feindlich-negativer Kräfte" während der KSZE-Konferenz Dokument, 2 Seiten